Ein furioses literarisches Debüt! »Rabensommer« erzählt vom Abschied von der Kindheit und dem letzten, flirrenden Sommer, den Juli, Ronja, Niels und August miteinander verbringen, bevor sie sich in alle Winde zerstreuen. Ein wundervoller poetischer Roman einer ganz außergewöhnlichen Erzählerin.Seit Jahren sind sie beste Freunde, fast alles haben sie zusammen gemacht - wie Raben. Jetzt, nach dem Abitur, muss jeder für sich entscheiden, wie es weitergeht. Die Ich-Erzählerin Juli entschließt sich zu studieren, doch noch bevor es losgeht, verändert sich alles, Schlag auf Schlag: Niels, mit dem sie seit einem Jahr zusammen ist, macht mit ihr Schluss. August lüftet sein Geheimnis. Und Ronja geht nach London. Juli ist auf sich allein gestellt und muss ihr Leben, das ihr wie ein Haufen lauter kleine Schnipsel vorkommt, neu sortieren
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2015Überrumpelt vom Leben, irgendwie
Dabei waren sie Freunde: Elisabeth Steinkellner erzählt, wie empfindlich, widersprüchlich und schön die Gefühle Jugendlicher beim Aufbruch in die Welt sein können.
Von Fridtjof Küchemann
Eine Nacht, ein inniger Kuss, ein Blick, eigentlich die Erwartung eines Blicks, die Überraschung, dass sich noch einer in die Umarmung der Küssenden schiebt, und das gute Gefühl, dass seine Hand tiefer rutscht, als sie eigentlich rutschen sollte, wenn man nichts voneinander will: Gleich die erste Szene in ihrem Jugendroman genügt der österreichischen Autorin Elisabeth Steinkellner, um die entscheidenden Themen ihrer Geschichte zum Klingen zu bringen und ihre Leser mit einem ebenso genauen wie liebevollen Blick auf die Versponnenheit, die Unsicherheit, die Empfindlichkeit und zugleich Entschiedenheit jugendlicher Gefühle in ihren Bann zu schlagen.
Es ist Juli, die in "Rabensommer" die Geschichte eines halben Jahres erzählt, angefangen mit der Sommernacht, in der sie mit ihren drei engsten Freunden, einigen Wein- und einer Cognacflasche ihren achtzehnten Geburtstag feiert, am Ende der Schulzeit, in der die Verbundenheit des Quartetts so selbstverständlich war, wie es jetzt das Einverständnis ist, dass die vier ihre Schritte hinaus in die Welt nicht aufeinander abstimmen werden. Es ist Juli, die mit Ronja knutscht in dieser Nacht, es ist Julis Freund Niels, von dem sie sich einen verärgerten Blick und später eine Szene eingehandelt hätte, wäre er nicht schon zu betrunken gewesen. Es ist der aufgekratzte, eigenwillige August, der sich zu den beiden Mädchen gesellt, bevor schließlich auch Niels dazukommt.
Es passiert nichts, und es passiert doch so viel zwischen den vier Freunden, von denen nur Juli und Niels ein Paar sind. Ronja wirkt ebenso überwältigend wie unerreichbar, liest Judith Butler und fragt Juli nur einmal, ob sie eigentlich was verpasst. Und August wirkt auch nicht, als würde er etwas vermissen. Niels ist für Juli da, auf seine etwas einfallslose Art. August reizt sie, und dass er ihr bald darauf gesteht, seit einiger Zeit einen Freund zu haben, ist die erste Überraschung in der Geschichte. Als Niels sie dann verlässt, ist es ein Schock aus heiterem Himmel. Keine Spur mehr von der Distanz zu ihrem Freund, die Elisabeth Steinkellner ihrer Erzählerin zuvor kunstvoll in die Stimme gelegt hat: Sie weicht ganz dem Schmerz. Als Juli schließlich Ronja und August, die unnahbare Freundin und den schwulen Freund, beim Sex erwischt und für sie endgültig eine Welt zusammenbricht, hat der zweihundert Seiten starke Roman gerade einmal die Hälfte hinter sich. Die deutlich bessere Hälfte.
Der Rest ist die Geschichte einer langsamen Erholung, einer neuen Freundschaft in der noch unvertrauten Universitätsstadt und einer neuen Liebe mit einem seltsamen Schatten. Und ordentlich Erstsemesterfolklore. Auch wenn die Autorin die freundliche Vormieterin persischer Abstammung in bunten Farben malt und deren Bruder nicht nur einen prachtvollen Lockenkopf andichtet, sondern noch dazu den malerischen Beruf des Fahrradmechanikers und das Schicksal einer vereinbarten Hochzeit mit der Cousine, der so der Weg nach Österreich ermöglicht werden soll, bleibt der zweite Teil von "Rabensommer" seltsam blass. Dabei war Steinkellners Entscheidung durchaus richtig, ihr Quartett nicht etwa in großem Stile vor versammeltem Publikum ausdiskutieren zu lassen, was da warum alles passiert ist. Niels ist abgetaucht, August schickt lakonische Postkarten aus Irland und Ronja Kurznachrichten aus London. Und so wichtig auch dem Leser zu begreifen ist, was Ronja und August miteinander haben, was Juli und August, sogar was August und Rabe, sein Freund, den die anderen nie zu Gesicht bekommen, selbst wenn sie sich gelegentlich in seiner Wohnung treffen: Sie sind dem Leser keine Erklärung schuldig, lassen ihn allein mit seinen Gedanken über Intimität und Eifersucht, Spiel und Verantwortung. Jede Erläuterung würde die Glaubwürdigkeit der Konstellation schwächen, und neben der Gefühlsgenauigkeit ist gerade die Glaubwürdigkeit ihrer eigenwilligen Figuren die zweite große erzählerische Stärke Elisabeth Steinkellners.
Ob sie eigentlich vorhabe, für den Rest ihres Lebens auf ihn sauer zu sein, fragt August auf einer Postkarte. Dabei fühlt sich Juli, wie sie notiert, inzwischen nur noch vom Leben überrumpelt, irgendwie. Viel ist das nicht. Aber es zeigt die Ratlosigkeit einer Autorin im Umgang mit Figuren, die sie zu sehr mag, um sie in der Krise zu belassen, in die sie selbst sie führte.
Elisabeth Steinkellner: "Rabensommer".
Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2015. 202 S., br., 12,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dabei waren sie Freunde: Elisabeth Steinkellner erzählt, wie empfindlich, widersprüchlich und schön die Gefühle Jugendlicher beim Aufbruch in die Welt sein können.
Von Fridtjof Küchemann
Eine Nacht, ein inniger Kuss, ein Blick, eigentlich die Erwartung eines Blicks, die Überraschung, dass sich noch einer in die Umarmung der Küssenden schiebt, und das gute Gefühl, dass seine Hand tiefer rutscht, als sie eigentlich rutschen sollte, wenn man nichts voneinander will: Gleich die erste Szene in ihrem Jugendroman genügt der österreichischen Autorin Elisabeth Steinkellner, um die entscheidenden Themen ihrer Geschichte zum Klingen zu bringen und ihre Leser mit einem ebenso genauen wie liebevollen Blick auf die Versponnenheit, die Unsicherheit, die Empfindlichkeit und zugleich Entschiedenheit jugendlicher Gefühle in ihren Bann zu schlagen.
Es ist Juli, die in "Rabensommer" die Geschichte eines halben Jahres erzählt, angefangen mit der Sommernacht, in der sie mit ihren drei engsten Freunden, einigen Wein- und einer Cognacflasche ihren achtzehnten Geburtstag feiert, am Ende der Schulzeit, in der die Verbundenheit des Quartetts so selbstverständlich war, wie es jetzt das Einverständnis ist, dass die vier ihre Schritte hinaus in die Welt nicht aufeinander abstimmen werden. Es ist Juli, die mit Ronja knutscht in dieser Nacht, es ist Julis Freund Niels, von dem sie sich einen verärgerten Blick und später eine Szene eingehandelt hätte, wäre er nicht schon zu betrunken gewesen. Es ist der aufgekratzte, eigenwillige August, der sich zu den beiden Mädchen gesellt, bevor schließlich auch Niels dazukommt.
Es passiert nichts, und es passiert doch so viel zwischen den vier Freunden, von denen nur Juli und Niels ein Paar sind. Ronja wirkt ebenso überwältigend wie unerreichbar, liest Judith Butler und fragt Juli nur einmal, ob sie eigentlich was verpasst. Und August wirkt auch nicht, als würde er etwas vermissen. Niels ist für Juli da, auf seine etwas einfallslose Art. August reizt sie, und dass er ihr bald darauf gesteht, seit einiger Zeit einen Freund zu haben, ist die erste Überraschung in der Geschichte. Als Niels sie dann verlässt, ist es ein Schock aus heiterem Himmel. Keine Spur mehr von der Distanz zu ihrem Freund, die Elisabeth Steinkellner ihrer Erzählerin zuvor kunstvoll in die Stimme gelegt hat: Sie weicht ganz dem Schmerz. Als Juli schließlich Ronja und August, die unnahbare Freundin und den schwulen Freund, beim Sex erwischt und für sie endgültig eine Welt zusammenbricht, hat der zweihundert Seiten starke Roman gerade einmal die Hälfte hinter sich. Die deutlich bessere Hälfte.
Der Rest ist die Geschichte einer langsamen Erholung, einer neuen Freundschaft in der noch unvertrauten Universitätsstadt und einer neuen Liebe mit einem seltsamen Schatten. Und ordentlich Erstsemesterfolklore. Auch wenn die Autorin die freundliche Vormieterin persischer Abstammung in bunten Farben malt und deren Bruder nicht nur einen prachtvollen Lockenkopf andichtet, sondern noch dazu den malerischen Beruf des Fahrradmechanikers und das Schicksal einer vereinbarten Hochzeit mit der Cousine, der so der Weg nach Österreich ermöglicht werden soll, bleibt der zweite Teil von "Rabensommer" seltsam blass. Dabei war Steinkellners Entscheidung durchaus richtig, ihr Quartett nicht etwa in großem Stile vor versammeltem Publikum ausdiskutieren zu lassen, was da warum alles passiert ist. Niels ist abgetaucht, August schickt lakonische Postkarten aus Irland und Ronja Kurznachrichten aus London. Und so wichtig auch dem Leser zu begreifen ist, was Ronja und August miteinander haben, was Juli und August, sogar was August und Rabe, sein Freund, den die anderen nie zu Gesicht bekommen, selbst wenn sie sich gelegentlich in seiner Wohnung treffen: Sie sind dem Leser keine Erklärung schuldig, lassen ihn allein mit seinen Gedanken über Intimität und Eifersucht, Spiel und Verantwortung. Jede Erläuterung würde die Glaubwürdigkeit der Konstellation schwächen, und neben der Gefühlsgenauigkeit ist gerade die Glaubwürdigkeit ihrer eigenwilligen Figuren die zweite große erzählerische Stärke Elisabeth Steinkellners.
Ob sie eigentlich vorhabe, für den Rest ihres Lebens auf ihn sauer zu sein, fragt August auf einer Postkarte. Dabei fühlt sich Juli, wie sie notiert, inzwischen nur noch vom Leben überrumpelt, irgendwie. Viel ist das nicht. Aber es zeigt die Ratlosigkeit einer Autorin im Umgang mit Figuren, die sie zu sehr mag, um sie in der Krise zu belassen, in die sie selbst sie führte.
Elisabeth Steinkellner: "Rabensommer".
Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2015. 202 S., br., 12,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Gefühlsgenauigkeit und glaubwürdige Figuren attestiert Rezensent Fridtjof Küchemann dem Jugendroman von Elisabeth Steinkellner. Schon dass die Autorin nach einer wahren Achterbahnfahrt jugendlicher Gefühle während des letzten Sommers der Jugend im zweiten Teil des Buches einlenkt und die grundlegenden emotionalen Veränderungen ihrer Heldinnen und Helden nicht ausplappert, sondern der Leserin Raum lässt, sich dergleichen selbst vorzustellen oder eben nicht, scheint Küchemann bemerkenswert. Denn auch wenn nichts passiert, passiert viel zwischen den vier Freunden im Buch, weiß er. Selbst wenn der zweite Teil Küchemann weniger gut gefällt, weniger farbig erscheint als der erste, kann er das Buch empfehlen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein furioses Debüt!« Buchjournal Extra, 1.8.2015 »Die Sprache, die Elisabeth Steinkellner für ihren ersten Roman findet, ist so leicht und atmosphärisch wie der Sommer, den Sie beschreibt. Nie verliert sie sich in Kitsch, sondern erzählt selbstverständlich von diesem besonderen Zustand kurz vor dem Erwachsenwerden, den man so leider nur einmal im Leben erfährt.« Merle Wuttke, Brigitte, 30.9.2015 »So fühlt sich Erwachsenwerden an.« Marlene Zöhrer, Berner Zeitung, 16.12.2015 »Leicht kommt der Roman daher. Leicht werden die schweren Fragen gestellt, das Gefühl der Verunsicherung, des inneren Chaos, des aus der Stütze der Freundschaft gerissen werden. Gleichzeitig so feinsinnig, dass man sich als Leser ernst genommen und erkannt fühlt.« Kathrin Köller, eselsohr, 1.9.2015 »Mir fehlen die Worte. Grandioses, einzigartiges Buch, welches das Leben so authentisch und echt mit ausdruckstarken Worten beschreibt, dass ich mich ganz selbst vergessen habe. Absolutes MUST READ für alle Menschen, die noch erwachsen werden oder zurückblicken wollen, wie sie den Weg dorthin fanden.« buechersuechtiges-herz.blogspot.de, Beltz & Gelberg-Buchblogger 2015 »Die Geschichte und ihre literarischen Figuren wirken nach und beschäftigen mich weiter. Und genau das macht ein gutes Buch für mich aus.« kathrineverdeen.blogspot.de, 24.8.2015 »'Rabensommer' besticht vor allem durch das Alltägliche und jedem bekannte Gefühl, sich auf Entscheidungen und neue Lebensabschnitte ebenso zu freuen wie sie auch zu fürchten. Die glaubhaften Charaktere der Geschichte, vermischt mit den bildhaften Schilderungen von Julis Gedanken und Gefühlen verschaffen einem ein eindrucksvolles Leseerlebnis.« tintenzauber.wordpress.com, 2.8.2015 »Sehr bewegend, authentisch und absolut ehrlich.« levenyasbuchzeit.blogspot.de, 12.9.2015 »Umbrüche, grandios erzählt.« börsenblatt Spezial Kinder- und Jugendbuch, 17.9.2015 »Elisabeth Steinkellners Prosa wechselt zwischen überraschenden Bildern und nüchterner Beschreibung: Daraus entsteht ein anregendes Wechselspiel, das jugendlichen Lesern Raum lässt, die eigenen Gefühle zu erkunden.« Sieglinde Geisel, Neue Zürcher Zeitung, 7.10.2015 »Gleich die erste Szene in ihrem Jugendroman genügt der österreichischen Autorin Elisabeth Steinkellner, um die entscheidenden Themen ihrer Geschichte zum Klingen zu bringen und ihre Leser mit einem ebenso genauen wie liebevollen Blick auf die Versponnenheit, die Unsicherheit, die Empfindlichkeit und zugleich Entschiedenheit jugendlicher Gefühle in ihren Bann zu schlagen.« Fridtjof Küchemann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2015 »Steinkellner gelingt mit ihrem erstaunlichen Jugendbuchdebüt ein so ehrliches und vielschichtiges Buch, dass man davon berührt ist - egal ob man diese Zeit des Umbruchs noch vor oder schon hinter sich hat, erst recht aber, wenn man mitten drin ist.« Augsburger Allgemeine u. a., 2.12.2015 »Ein poetischer und eindringlicher Roman über das Erwachsenwerden.« Ute Wegmann in »Büchermarkt«, Deutschlandfunk, 12.12.2015 »Steinkellners lyrische Erzählstimme wird getragen von poetischen Klängen und einem atmosphärisch-dichten, melancholischen Blick aufs Erwachsenwerden. So fühlt sich Jungsein an.« bn Bibliotheksnachrichten, 12/ 2015