Evelyn Meyers ist Strafverteidigerin in Wien und muss sich mit dem Fall von Michael Kotten auseinandersetzen, der seinen Liebhaber getötet haben soll und nun verhaftet wurde. Kotten ist Transgender, ein Mann, der gerade dabei ist, sich zur Frau umoperieren zu lassen. Gleichzeitig stammt er aus einer
reichen und mächtigen Familie – sein Vater betreibt ein Glücksspiel-Imperium. Seinen Vater hasst…mehrEvelyn Meyers ist Strafverteidigerin in Wien und muss sich mit dem Fall von Michael Kotten auseinandersetzen, der seinen Liebhaber getötet haben soll und nun verhaftet wurde. Kotten ist Transgender, ein Mann, der gerade dabei ist, sich zur Frau umoperieren zu lassen. Gleichzeitig stammt er aus einer reichen und mächtigen Familie – sein Vater betreibt ein Glücksspiel-Imperium. Seinen Vater hasst Michael, weil er nie damit zurechtkam, dass sein Sohn schwul oder sonst was ist – so ganz versteht er nicht, was sein Sohn ist oder nicht ist.
In Leipzig hingegen lebt und arbeitet Walter Pulaski im Kriminaldauerdienst. Er trifft auf den Fall des Mannes, der in einem Motel eine Schere im Ohr stecken hat. Ein Unfall sagen alle inklusive der Gerichtsmedizin – er bezweifelt das. Die fehlenden Leichenflecken, die viel zu blasse Haut und Blutspuren in der Unterhose sprechen deutlich gegen einen Unfall. Aber in seiner Position kann er nichts ausrichten – zumindest nicht offiziell.
Es gäbe noch wesentlich mehr Charaktere die wichtig sind. Zum Beispiel Pulaskis Tochter Jasmin, oder deren Freundin Nina, oder Flo, der neue Assistent von Evelyn, der ausgebildeter Polizist ist und nun Rechtswissenschaft studiert, aber davor auch schon Sanitäter war – ein Tausendsassa eben; oder für die Österreicher unter euch: ein Wunderwuzzi. Aber das alles würde zu weit führen, die Basics müssen reichen.
Ich sage es ganz ehrlich: ich habe null, also wirklich gar keine Erinnerung an die zwei Teile vor „Rachewinter“, und das, obwohl die Täter im Epilog sogar namentlich erwähnt werden – aber das ist auch nicht nötig, denn das Buch kann man auch guten Gewissens lesen, ohne „Rachesommer“ oder „Racheherbst“ gelesen zu haben. Und das Pendant zum Epilog, nämlich der Prolog, macht gleich direkt Bock aufs Buch. Wir haben Sex, Gewalt und Voyeurismus. Ich bin, wie schon oft geschrieben, kein großer Freund von Prologen, aber wenn man direkt danach einen Spannungsbogen hat, dann hat der Autor auch mich – und Gruber macht das wirklich mit einer Bravour.
Danach begegnen wir einem interessanten und in diesen Zeiten wirklich wichtigem Thema, nämlich Transsexualität. Andreas Gruber hat dem Krimisofa in einem Interview verraten, dass es in „Rachewinter“ ein neues „Thema (gibt), dass ich noch nicht bearbeitet habe“. Er hat dabei wirklich akribisch recherchiert, was man auch in der Danksagung merkt, und er bringt dem Leser dieses Thema gut, und auf eine Weise nahe, dass es jeder versteht, .
Was man merkt, ist, dass im Wiener Erzählstrang Lokalkolorit wesentlich präsenter ist, als im Leipziger Strang. Beim Sprachgebrauch herrscht allerdings Parität zwischen den zwei Städten – in Wien herrscht tendenziell österreichischer und in Leipzig deutscher Sprachgebrauch.
Insgesamt begegnet uns jene hohe Qualität, die wir von Gruber gewohnt sind. Wir haben Spannung von Anfang bis Ende, kantige, sympathische und weniger sympathische Charaktere – und am Ende haben wir einen ausführlichen und nicht unblutigen Showdown. Einzig etwas zu zufällig finde ich, dass Pulaski und Meyers so oft durch denselben Fall aufeinandertreffen – aber alles in allem ist „Rachewinter“ wesentlich besser als ich erwartet hätte. Einmal angefangen zu lesen kann man kaum aufhören zu lesen – das hört man oft und erlebt man selten, aber hier trifft es definitiv zu. Gruber legt mit jedem seiner Bücher die Messlatte noch höher.
Tl;dr: „Rachewinter“ von Andreas Gr