Kinder sind von sich aus unbefangen, wenn es um den Tod geht. Sie wollen alles wissen, was damit zu tun hat. Wie fühlt sich Sterben an? Was passiert dabei mit dem Körper? Wie funktioniert ein Krematorium und was genau macht eine Bestatterin? Vorher, nachher, mittendrin: "Radieschen von unten" zeigt umfassend alles, was rund um einen Tod geschieht. In einer wunderbaren Mischung aus Sachlichkeit und Herzlichkeit, tiefem Ernst und entlastenden Witzen geht es um spannende Rituale, kuriose Todesfälle, die Erlebnisse eines Friedhofsgärtners, die Trauer der Tiere und vieles mehr.
Nach ihren beliebten Büchern rund um Körper und Sexualität (u.a. "Klär mich auf!") widmen sich Katharina von der Gathen und Anke Kuhl erneut einem existenziellen Thema. Entstanden ist ein tröstliches, augenöffnendes Buch, das uns - egal welchen Alters - den Tod freundlich anschauen lässt.
Warmherzig, ehrlich und quietschlebendig - dieses Buch ist eine Wohltat!
Preise und Auszeichnungen:
Nominiert als "Bestes Wissenschaftsbuch des Jahres 2023" (Kategorie Juniorwissen)Auf der Deutschlandfunk-Bestenliste "Die besten 7" im November 2023Buch des Monats November der Jury der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur EMYS-Sachbuchpreisträger im November 2023
Nach ihren beliebten Büchern rund um Körper und Sexualität (u.a. "Klär mich auf!") widmen sich Katharina von der Gathen und Anke Kuhl erneut einem existenziellen Thema. Entstanden ist ein tröstliches, augenöffnendes Buch, das uns - egal welchen Alters - den Tod freundlich anschauen lässt.
Warmherzig, ehrlich und quietschlebendig - dieses Buch ist eine Wohltat!
Preise und Auszeichnungen:
Nominiert als "Bestes Wissenschaftsbuch des Jahres 2023" (Kategorie Juniorwissen)Auf der Deutschlandfunk-Bestenliste "Die besten 7" im November 2023Buch des Monats November der Jury der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur EMYS-Sachbuchpreisträger im November 2023
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Christine Knödler empfiehlt das Sachbuch für Kinder ab 8 von Katharina von der Gathen und Anke Kuhl allen Trauerklößen. Der Band befasst sich laut Rezensentin auf ebenso kenntnisreiche wie angstfreie Weise mit dem Thema Tod, stellt grundsätzliche Fragen (Wozu Sterben?) und lässt in Interviews echte Kenner des Fachs zu Wort kommen, Friedhofsgärtner, Pfleger, Bestatterinnen. Dass die Autorinnen Witz beweisen, wenn sie jungen Lesern Trauerbewältigungsstategien an die Hand geben oder Trauer- und Bestattungsrituale weltweit bestaunen, findet Knödler zusätzlich top.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2023Das letzte Abenteuer
Von wegen Fraß der Würmer: Das Sachbuch "Radieschen von unten" nähert sich dem Tod mit Respekt, Ehrlichkeit und Faszination.
Von Oliver Jungen
Sterben ist für Anfänger. Profi kann man in dieser Disziplin kaum werden: Es ist der eine Auftritt, für den es keine Generalprobe und keine Wiederholung gibt. Und doch ist ein guter Tod den Menschen seit Urzeiten wichtig. Die spätmittelalterliche "Ars moriendi" gehört unter den Lehren des vorbildlichen Abtretens schon zu den neueren. Die Relevanz des Themas erklärt sich von selbst: Gestorben wird rücksichtslos und überall, auch im Jugend- und sogar im Kinderbuch. Meist geht es um das Akzeptieren der Trauer beim Tod eines geliebten Menschen. Dass man dem klapprigen Gevatter manchmal besser mit Humor beikommt, zeigten vor drei Jahren Christian Y. Schmidt und Ulrike Haseloff mit ihrer so anarchischen wie einfühlsamen Kinderbuch-Satire "Der kleine Herr Tod": ein Sensenmann mit Burnout.
Noch einmal anders nähert sich das nun erschienene Buch "Radieschen von unten" dem Thema an. Es ist ein grundehrliches und hochsensibles Kindersachbuch über das Sterben, das diesen verstörend traurigen Vorgang als nicht minder spannendes, teils sogar kurioses biologisches Abenteuer vor Augen führt. Die Autorin Katharina von der Gathen und die Illustratorin Anke Kuhl sind nach mehreren erfolgreichen Büchern zum sehr vitalen Thema Sexualität bereits ein eingespieltes Team. Auch Sterben ist für die Verfasserinnen eindeutig ein Teil des Lebens (nicht des Jenseits), und zwar ein besonders wichtiger. Und weltlicher. Religiöse Vorstellungen über die Nachzeit kommen zwar vor ("Manche glauben, dass Gott oder Allah sie eines Tages wieder zum Leben erwecken wird"), aber die Darstellung läuft - anders als die christlich-erbauliche Ars moriendi - nicht teleologisch auf sie zu. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Herangehensweise rational aufgeklärt nennt.
Trauer ("wie die Liebe: ein großes Gefühl") und ihre Bewältigung spielen in dem ergreifend schön gestalteten Buch eine zentrale Rolle. An dieser Stelle kommen auch religiös inspirierte Riten ins Spiel; da dürfen neben der abendländischen Tradition mit Totenwaschung, Trauerrede und Leichenschmaus der mexikanische Dia de los Muertos oder die Aasgeierbestattung im Himalaja nicht fehlen. Genauso wichtig aber ist den Verfasserinnen der detailgenaue Blick auf verschiedene Todesarten (Verbluten, Ertrinken, Ersticken, Verbrennen, Schlaganfall) und den toten Körper an sich (Totenflecken, Totenstarre, kalte Haut, Aufbahrung). Selbst die Verwesung samt süßlich-fauligem Geruch kommt zur Sprache, ebenso die saugfähige Matratze im Sarg ("der tote Körper verliert Flüssigkeit"). Kinder mit ihrer ungestümen Neugierde dürften sich für solche nur auf den ersten Blick makabren Details brennend interessieren. Erklärt werden sie gleichermaßen in Text und Bild, wobei den Illustrationen Kuhls bei aller Realitätstreue immer auch ein tröstlicher, zugewandter Witz eignet.
Überhaupt sind die oft leicht komischen, manchmal launig kommentierten, aber stets würdevollen Illustrationen Kuhls zum guten Teil für die lichte Stimmung im Buch verantwortlich. Hinzu kommen einige Witzeseiten, die ebenfalls Entspannung von der bedrückenden Thematik bieten. Da spricht dann etwa ein Fremder auf dem Friedhof die Trauergäste an: "Wer ist denn der Tote?", und bekommt zur Antwort: "Ich glaube, der im Sarg." Zu lernen gibt es sicher für alle Alter etwas, beispielsweise, dass die ganze Würmer-Motivik auf einem Missverständnis beruht: "Kein einziger Wurm erreicht den Sarg und knabbert unter der Erde am Körper. Würmer leben nämlich nur in den oberen Schichten des Bodens", außerdem seien sie "strikte Vegetarier und Erdfresser". Und wer wusste schon, dass es mit Turritopsis dohrnii eine biologisch unsterbliche Qualle gibt, die ihre Zellen immer wieder erneuern kann? Welch ein Problem allgemeine Unsterblichkeit aber darstellte, erfährt man ebenfalls: Dann "gäbe es wahrscheinlich die Menschen schon lange nicht mehr".
Auch wenn jeder für sich allein stirbt, gibt es natürlich Profis im Umgang mit den Toten. Auch sie kommen hier umfangreich zu Wort: ein Krankenpfleger, Bestatterinnen, ein Palliativmediziner, eine Pfarrerin, ein Friedhofsgärtner und eine Trauerbegleiterin erzählen in Interviews kindgerecht von ihren Berufen und persönlichen Erfahrungen. So erfährt man, dass Tote massiert werden, um die Totenstarre zu lösen, oder dass man theoretisch auch nackt beerdigt werden dürfte, wohingegen es in Deutschland verboten ist, die Urne mit der Asche nach Hause zu nehmen.
Das Wichtigste ist wohl, anhand all der Geschichten und Details zu bemerken, wie liebevoll sich die Menschen ihrer Toten annehmen. Und dass Sterben auch jenseits allen Glaubens nicht einfach Verschwinden bedeutet: Einerseits ist da der Körper, der weiter zum Kreislauf des Lebens gehört, und andererseits gibt es die ritualisierten und die persönlichen Formen des Erinnerns. So wünscht man dem wackeren Tod am Ende des Buches vielleicht gar keinen Burnout mehr, weil verstanden wurde, dass es ohne ihn, mal abgesehen von Quallen, auch kein Leben gibt.
Katharina von der Gathen, Anke Kuhl: "Radieschen von unten".
Klett Kinderbuch, Leipzig 2023. 160 S., geb., 22,- Euro. Ab 8 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von wegen Fraß der Würmer: Das Sachbuch "Radieschen von unten" nähert sich dem Tod mit Respekt, Ehrlichkeit und Faszination.
Von Oliver Jungen
Sterben ist für Anfänger. Profi kann man in dieser Disziplin kaum werden: Es ist der eine Auftritt, für den es keine Generalprobe und keine Wiederholung gibt. Und doch ist ein guter Tod den Menschen seit Urzeiten wichtig. Die spätmittelalterliche "Ars moriendi" gehört unter den Lehren des vorbildlichen Abtretens schon zu den neueren. Die Relevanz des Themas erklärt sich von selbst: Gestorben wird rücksichtslos und überall, auch im Jugend- und sogar im Kinderbuch. Meist geht es um das Akzeptieren der Trauer beim Tod eines geliebten Menschen. Dass man dem klapprigen Gevatter manchmal besser mit Humor beikommt, zeigten vor drei Jahren Christian Y. Schmidt und Ulrike Haseloff mit ihrer so anarchischen wie einfühlsamen Kinderbuch-Satire "Der kleine Herr Tod": ein Sensenmann mit Burnout.
Noch einmal anders nähert sich das nun erschienene Buch "Radieschen von unten" dem Thema an. Es ist ein grundehrliches und hochsensibles Kindersachbuch über das Sterben, das diesen verstörend traurigen Vorgang als nicht minder spannendes, teils sogar kurioses biologisches Abenteuer vor Augen führt. Die Autorin Katharina von der Gathen und die Illustratorin Anke Kuhl sind nach mehreren erfolgreichen Büchern zum sehr vitalen Thema Sexualität bereits ein eingespieltes Team. Auch Sterben ist für die Verfasserinnen eindeutig ein Teil des Lebens (nicht des Jenseits), und zwar ein besonders wichtiger. Und weltlicher. Religiöse Vorstellungen über die Nachzeit kommen zwar vor ("Manche glauben, dass Gott oder Allah sie eines Tages wieder zum Leben erwecken wird"), aber die Darstellung läuft - anders als die christlich-erbauliche Ars moriendi - nicht teleologisch auf sie zu. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Herangehensweise rational aufgeklärt nennt.
Trauer ("wie die Liebe: ein großes Gefühl") und ihre Bewältigung spielen in dem ergreifend schön gestalteten Buch eine zentrale Rolle. An dieser Stelle kommen auch religiös inspirierte Riten ins Spiel; da dürfen neben der abendländischen Tradition mit Totenwaschung, Trauerrede und Leichenschmaus der mexikanische Dia de los Muertos oder die Aasgeierbestattung im Himalaja nicht fehlen. Genauso wichtig aber ist den Verfasserinnen der detailgenaue Blick auf verschiedene Todesarten (Verbluten, Ertrinken, Ersticken, Verbrennen, Schlaganfall) und den toten Körper an sich (Totenflecken, Totenstarre, kalte Haut, Aufbahrung). Selbst die Verwesung samt süßlich-fauligem Geruch kommt zur Sprache, ebenso die saugfähige Matratze im Sarg ("der tote Körper verliert Flüssigkeit"). Kinder mit ihrer ungestümen Neugierde dürften sich für solche nur auf den ersten Blick makabren Details brennend interessieren. Erklärt werden sie gleichermaßen in Text und Bild, wobei den Illustrationen Kuhls bei aller Realitätstreue immer auch ein tröstlicher, zugewandter Witz eignet.
Überhaupt sind die oft leicht komischen, manchmal launig kommentierten, aber stets würdevollen Illustrationen Kuhls zum guten Teil für die lichte Stimmung im Buch verantwortlich. Hinzu kommen einige Witzeseiten, die ebenfalls Entspannung von der bedrückenden Thematik bieten. Da spricht dann etwa ein Fremder auf dem Friedhof die Trauergäste an: "Wer ist denn der Tote?", und bekommt zur Antwort: "Ich glaube, der im Sarg." Zu lernen gibt es sicher für alle Alter etwas, beispielsweise, dass die ganze Würmer-Motivik auf einem Missverständnis beruht: "Kein einziger Wurm erreicht den Sarg und knabbert unter der Erde am Körper. Würmer leben nämlich nur in den oberen Schichten des Bodens", außerdem seien sie "strikte Vegetarier und Erdfresser". Und wer wusste schon, dass es mit Turritopsis dohrnii eine biologisch unsterbliche Qualle gibt, die ihre Zellen immer wieder erneuern kann? Welch ein Problem allgemeine Unsterblichkeit aber darstellte, erfährt man ebenfalls: Dann "gäbe es wahrscheinlich die Menschen schon lange nicht mehr".
Auch wenn jeder für sich allein stirbt, gibt es natürlich Profis im Umgang mit den Toten. Auch sie kommen hier umfangreich zu Wort: ein Krankenpfleger, Bestatterinnen, ein Palliativmediziner, eine Pfarrerin, ein Friedhofsgärtner und eine Trauerbegleiterin erzählen in Interviews kindgerecht von ihren Berufen und persönlichen Erfahrungen. So erfährt man, dass Tote massiert werden, um die Totenstarre zu lösen, oder dass man theoretisch auch nackt beerdigt werden dürfte, wohingegen es in Deutschland verboten ist, die Urne mit der Asche nach Hause zu nehmen.
Das Wichtigste ist wohl, anhand all der Geschichten und Details zu bemerken, wie liebevoll sich die Menschen ihrer Toten annehmen. Und dass Sterben auch jenseits allen Glaubens nicht einfach Verschwinden bedeutet: Einerseits ist da der Körper, der weiter zum Kreislauf des Lebens gehört, und andererseits gibt es die ritualisierten und die persönlichen Formen des Erinnerns. So wünscht man dem wackeren Tod am Ende des Buches vielleicht gar keinen Burnout mehr, weil verstanden wurde, dass es ohne ihn, mal abgesehen von Quallen, auch kein Leben gibt.
Katharina von der Gathen, Anke Kuhl: "Radieschen von unten".
Klett Kinderbuch, Leipzig 2023. 160 S., geb., 22,- Euro. Ab 8 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.03.2024Peng, du bist tot
Zupackend, unerschrocken und ja, auch witzig: Zwei Bücher für junge Leser wagen sich an das schwere Thema Sterben.
Wenn eine Gesellschaft über etwas nicht offen sprechen will, entwickelt sie Euphemismen. Im Fall von Sterben und Tod ist das so. Da danken die Menschen ab und gehen von uns. Dass jeder irgendwann sterben muss, wird hinter hübschen Worthülsen versteckt. Das Verb „abkratzen“ hingegen ist keine Beschönigung und dass es in „Radieschen von unten“ trotzdem vorkommt, zeigt schon, dass dieses Kindersachbuch etwas Besonderes ist. Die bildliche Ebene ist explizit: Den Auftakt macht ein tänzelndes Skelett-Ballett, auf der Buchrückseite ist der Sensenmann zu sehen, er mäht das Leben ab. Umschreibungen wie diese nutzen die Autorin Katharina von der Gathen und die Illustratorin Anke Kuhl als Türöffner in ihr Thema. Von Anfang bis Ende wird hier ein besonderer Ton angeschlagen: unverblümt, angstfrei und durch und durch lebendig.
Zum Sachbuch-Konzept des bewährten Duos gehört, jedes noch so unangenehme Thema lustvoll anzupacken und Fragen zu stellen. Das hat sich hinsichtlich Sexualität und Körperbewusstsein bewährt („Klär mich auf“, 2014) – beim Tabuthema Tod wird es bahnbrechend: Warum muss man überhaupt sterben? Kann Sterben auch schön sein? Was passiert danach? Drum herumgeredet wird nicht. Auch die Struktur des Buchs schafft Klarheit: Die fünf Teile heißen „Wenn das Leben aufhört“, „Wie geht sterben?“ „Beerdigen“, „Trauern“, „Mit den Toten leben“.
Zu allen Themen eröffnet „Radieschen von unten“ ein Gespräch. In Interviews kommen Menschen zu Wort, für die der Tod zum Alltag gehört. Mutter und Tochter, beide Bestatterinnen, berichten von ihrer Arbeit. Auch Pfleger, Arzt, Friedhofsgärtner, Pfarrerin, Sterbe- und Trauerbegleiter geben Antwort. Eine Witze-Seite beschließt den jeweiligen Teil: „Was ist grün und liegt im Sarg? Eine Sterbse.“ Das hilft Trauerklößen wieder auf die Sprünge, als Bewältigungsstrategie hat der Humor selbst Tradition. Auch andere Bräuche und Rituale sind versammelt. Bei manchen wird ein Fenster geöffnet, damit die Seele aus dem Körper und aus dem Zimmer des oder der Toten fliegen kann. In alten Bauernhäusern gibt es noch eigene „Seelenfenster“ dafür. Das ist eine schöne Vorstellung, die bis heute nichts von ihrer Tröstlichkeit verloren hat.
Denn „Radieschen von unten“ vermittelt nicht nur Fakten – es holt das Sterben und den Tod ins Leben hinein. Dass Kulturen, Religionen, Gesellschaften unterschiedlich damit umgehen, zeigen verschiedene Bestattungsrituale, Urnen- und Sarg-Galerien bilden die Bandbreite der Geschmäcker und Vorstellungen ab, und „Eine typische Beerdigung“ macht vor, wie das Abschiednehmen hierzulande abläuft. Das klärt auf und wappnet. Es ermöglicht den eigenen bewussten Umgang mit dem Lebensende. Am Ende des Buchs steht eine Bastelanleitung für eine Schädelmaske und ein Papier-Särglein, und im allerletzten Bild spielen zwei Geschwister Beerdigung. „Nicht lachen!“, schnauzt die große Schwester, während die kleine, rotgesichtig, fast platzt vor unterdrücktem Kichern.
Das ist eine Reminiszenz an eines der berühmtesten Kinderbücher zum Thema Tod und Sterben: „Die besten Beerdigungen der Welt“ des schwedischen Autors Ulf Nilsson, illustriert von Eva Eriksson hat 2006 die Kinderliteratur aufgemischt. Die drückt sich zwar ohnehin nicht vor dem Thema – im Gegenteil: Bilder- und Kinderbücher über den Tod gibt es zuhauf. In „Ente, Tod und Tulpe“ zeigte Wolf Erlbruch den Tod 2007 als freundlichen Gesellen in Kittelschürze. Von Anfang an ist er dabei, begleitet durchs Leben und durchs Sterben. Bei Nilsson gründen drei Kinder an einem langweiligen Tag ein Beerdigungsinstitut. Sie beerdigen tote Tiere, mit Trauerzug, kleiner Grabrede, Tränen. Einmal beobachten sie, wie eine Amsel stirbt. Der Tod rückt näher, aber weil sie ja Kinder sind, spielen sie am nächsten Tag einfach wieder etwas anderes. Zwischen Geschäftsidee, Kinderspiel und Lebensweisheit überzeugen das Poetische, Kindgemäße, das Zupackende, Unerschrockene, Witzige. Im Sachbuch für Kinder haben Katharina von der Gathen und Anke Kuhl nun nachgezogen.
Auch in der Jugendliteratur sind Sterben und Tod kein Tabu. Fast scheint es manchmal, als sähen Schriftsteller und Schriftstellerinnen das Thema Lebensende als Garant für literarische Wucht. Aus der sogenannten „Sick Lit“, die Krankheit zum Ausgangspunkt ihres Erzählens macht, kommen seit Langem jedes Jahr unzählige Titel auf den Markt. Wenn Jugendliche an Krebs sterben, wenn eine Mutter plötzlich nicht mehr da ist, steigt, so die Annahme, die Relevanz einer Geschichte, wird sie der Beliebigkeit enthoben. Aber natürlich stimmt das längst nicht immer. Der Schritt zu Sensationslust und Voyeurismus ist oft nur klein.
Der Jugendroman „Fürs Leben zu lang“ von Nikola Huppertz ist ganz klar nicht nur nach dem Motto „Endlichkeit sells“ geschrieben. Die Doppeldeutigkeit des Titels ist Programm: Mit ihren 1,83 überragt die Hauptfigur Magali Weill schon mit 13 Jahren alle, Tendenz: wachsend. Auch deshalb, glaubt Magali, ist sie noch immer ungeküsst. Ihr eigenes Lebens findet Magali fad, darum führt sie Tagebuch über andere. Über ihre ältere Schwester, die nur tut, was sie will und mit der Mutter im Dauerclinch liegt, während der Vater lautstark schweigt. Über ihre Nachbarn, deren Husky Magalis bester Freund ist. Über Joel Hummel, von dem sie so gern geküsst würde.
Einer wird in diesen Beobachtungen immer wichtiger: Der elegante Herr Krekeler will mit seinen 98 Jahren sterben. Er findet, dass er lang genug gelebt und genug erlebt hat. Magali will das nicht. Sie ersinnt Strategien, Herrn Krekeler im Leben zu halten: Spaziergänge mit Hund, zusammen Musik machen, reden, zuhören, sich erinnern. Mit dem Enkel von Herrn Krekeler freundet Magali sich an, mit dem Tod nicht. Der Abschied fällt schwer. Als die Jugendlichen nicht mehr weiterwissen, schicken sie eine Mail an einen Philosophen. „So schwer ist das gar nicht“, schreibt der zurück. „Ich glaube, das will euch der alte Herr eigentlich zeigen. Sterben ist ja ein Teil des Lebens. Und wenn er euch zeigt, wie Sterben geht, zeigt er euch auch, wie Leben geht. (…) Hört einfach in euch hinein. Dann wird das schon.“
Und das wird es. Auch wenn die Seite nach Herrn Krekelers Tod erst einmal komplett schwarz bleibt. Das gilt es auszuhalten: kein Leben ohne Tod, kein Tod ohne Leben. Nikola Huppertz’ Roman ist nicht reißerisch, sondern aufrichtig, betrachtet das Lebensende aus vielen Perspektiven. Er ist erzählte Philosophie. Weil die Autorin einflicht, was ihr wichtig ist, kommen Gedichte von Rimbaud und Reden von Seneca vor, Magali und Herr Krekeler spielen vierhändig Strawinsky. Wer war das noch mal? Das wird en passant erklärt: Musik, Literatur, Kunst, Lebensentwürfe, Liebeskonzepte, Freundschaft – sie alle sind Antworten auf den Tod. Die wichtigste ist: Lebe.
CHRISTINE KNÖDLER
Katharina von der Gathen: Radieschen von unten. Das bunte Buch über den Tod für neugierige Kinder. Mit Illustrationen von Anke Kuhl.
Klett Kinderbuch, Leipzig 2023. 160 S., 22 Euro. Ab acht Jahren.
In „Radieschen von unten“ berichtet der
Krankenpfleger Karl
(oben rechts) von seiner Arbeit mit Sterbenden.
Jedes Kapitel des
Kindersachbuchs endet mit einer Seite voller Witze.
Illustrationen: Anke Kuhl/
Klett Kinderbuch
Nikola Huppertz:
Fürs Leben zu lang.
Tulipan Verlag,
München 2023.
200 S., 16 Euro.
Ab zwölf Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Zupackend, unerschrocken und ja, auch witzig: Zwei Bücher für junge Leser wagen sich an das schwere Thema Sterben.
Wenn eine Gesellschaft über etwas nicht offen sprechen will, entwickelt sie Euphemismen. Im Fall von Sterben und Tod ist das so. Da danken die Menschen ab und gehen von uns. Dass jeder irgendwann sterben muss, wird hinter hübschen Worthülsen versteckt. Das Verb „abkratzen“ hingegen ist keine Beschönigung und dass es in „Radieschen von unten“ trotzdem vorkommt, zeigt schon, dass dieses Kindersachbuch etwas Besonderes ist. Die bildliche Ebene ist explizit: Den Auftakt macht ein tänzelndes Skelett-Ballett, auf der Buchrückseite ist der Sensenmann zu sehen, er mäht das Leben ab. Umschreibungen wie diese nutzen die Autorin Katharina von der Gathen und die Illustratorin Anke Kuhl als Türöffner in ihr Thema. Von Anfang bis Ende wird hier ein besonderer Ton angeschlagen: unverblümt, angstfrei und durch und durch lebendig.
Zum Sachbuch-Konzept des bewährten Duos gehört, jedes noch so unangenehme Thema lustvoll anzupacken und Fragen zu stellen. Das hat sich hinsichtlich Sexualität und Körperbewusstsein bewährt („Klär mich auf“, 2014) – beim Tabuthema Tod wird es bahnbrechend: Warum muss man überhaupt sterben? Kann Sterben auch schön sein? Was passiert danach? Drum herumgeredet wird nicht. Auch die Struktur des Buchs schafft Klarheit: Die fünf Teile heißen „Wenn das Leben aufhört“, „Wie geht sterben?“ „Beerdigen“, „Trauern“, „Mit den Toten leben“.
Zu allen Themen eröffnet „Radieschen von unten“ ein Gespräch. In Interviews kommen Menschen zu Wort, für die der Tod zum Alltag gehört. Mutter und Tochter, beide Bestatterinnen, berichten von ihrer Arbeit. Auch Pfleger, Arzt, Friedhofsgärtner, Pfarrerin, Sterbe- und Trauerbegleiter geben Antwort. Eine Witze-Seite beschließt den jeweiligen Teil: „Was ist grün und liegt im Sarg? Eine Sterbse.“ Das hilft Trauerklößen wieder auf die Sprünge, als Bewältigungsstrategie hat der Humor selbst Tradition. Auch andere Bräuche und Rituale sind versammelt. Bei manchen wird ein Fenster geöffnet, damit die Seele aus dem Körper und aus dem Zimmer des oder der Toten fliegen kann. In alten Bauernhäusern gibt es noch eigene „Seelenfenster“ dafür. Das ist eine schöne Vorstellung, die bis heute nichts von ihrer Tröstlichkeit verloren hat.
Denn „Radieschen von unten“ vermittelt nicht nur Fakten – es holt das Sterben und den Tod ins Leben hinein. Dass Kulturen, Religionen, Gesellschaften unterschiedlich damit umgehen, zeigen verschiedene Bestattungsrituale, Urnen- und Sarg-Galerien bilden die Bandbreite der Geschmäcker und Vorstellungen ab, und „Eine typische Beerdigung“ macht vor, wie das Abschiednehmen hierzulande abläuft. Das klärt auf und wappnet. Es ermöglicht den eigenen bewussten Umgang mit dem Lebensende. Am Ende des Buchs steht eine Bastelanleitung für eine Schädelmaske und ein Papier-Särglein, und im allerletzten Bild spielen zwei Geschwister Beerdigung. „Nicht lachen!“, schnauzt die große Schwester, während die kleine, rotgesichtig, fast platzt vor unterdrücktem Kichern.
Das ist eine Reminiszenz an eines der berühmtesten Kinderbücher zum Thema Tod und Sterben: „Die besten Beerdigungen der Welt“ des schwedischen Autors Ulf Nilsson, illustriert von Eva Eriksson hat 2006 die Kinderliteratur aufgemischt. Die drückt sich zwar ohnehin nicht vor dem Thema – im Gegenteil: Bilder- und Kinderbücher über den Tod gibt es zuhauf. In „Ente, Tod und Tulpe“ zeigte Wolf Erlbruch den Tod 2007 als freundlichen Gesellen in Kittelschürze. Von Anfang an ist er dabei, begleitet durchs Leben und durchs Sterben. Bei Nilsson gründen drei Kinder an einem langweiligen Tag ein Beerdigungsinstitut. Sie beerdigen tote Tiere, mit Trauerzug, kleiner Grabrede, Tränen. Einmal beobachten sie, wie eine Amsel stirbt. Der Tod rückt näher, aber weil sie ja Kinder sind, spielen sie am nächsten Tag einfach wieder etwas anderes. Zwischen Geschäftsidee, Kinderspiel und Lebensweisheit überzeugen das Poetische, Kindgemäße, das Zupackende, Unerschrockene, Witzige. Im Sachbuch für Kinder haben Katharina von der Gathen und Anke Kuhl nun nachgezogen.
Auch in der Jugendliteratur sind Sterben und Tod kein Tabu. Fast scheint es manchmal, als sähen Schriftsteller und Schriftstellerinnen das Thema Lebensende als Garant für literarische Wucht. Aus der sogenannten „Sick Lit“, die Krankheit zum Ausgangspunkt ihres Erzählens macht, kommen seit Langem jedes Jahr unzählige Titel auf den Markt. Wenn Jugendliche an Krebs sterben, wenn eine Mutter plötzlich nicht mehr da ist, steigt, so die Annahme, die Relevanz einer Geschichte, wird sie der Beliebigkeit enthoben. Aber natürlich stimmt das längst nicht immer. Der Schritt zu Sensationslust und Voyeurismus ist oft nur klein.
Der Jugendroman „Fürs Leben zu lang“ von Nikola Huppertz ist ganz klar nicht nur nach dem Motto „Endlichkeit sells“ geschrieben. Die Doppeldeutigkeit des Titels ist Programm: Mit ihren 1,83 überragt die Hauptfigur Magali Weill schon mit 13 Jahren alle, Tendenz: wachsend. Auch deshalb, glaubt Magali, ist sie noch immer ungeküsst. Ihr eigenes Lebens findet Magali fad, darum führt sie Tagebuch über andere. Über ihre ältere Schwester, die nur tut, was sie will und mit der Mutter im Dauerclinch liegt, während der Vater lautstark schweigt. Über ihre Nachbarn, deren Husky Magalis bester Freund ist. Über Joel Hummel, von dem sie so gern geküsst würde.
Einer wird in diesen Beobachtungen immer wichtiger: Der elegante Herr Krekeler will mit seinen 98 Jahren sterben. Er findet, dass er lang genug gelebt und genug erlebt hat. Magali will das nicht. Sie ersinnt Strategien, Herrn Krekeler im Leben zu halten: Spaziergänge mit Hund, zusammen Musik machen, reden, zuhören, sich erinnern. Mit dem Enkel von Herrn Krekeler freundet Magali sich an, mit dem Tod nicht. Der Abschied fällt schwer. Als die Jugendlichen nicht mehr weiterwissen, schicken sie eine Mail an einen Philosophen. „So schwer ist das gar nicht“, schreibt der zurück. „Ich glaube, das will euch der alte Herr eigentlich zeigen. Sterben ist ja ein Teil des Lebens. Und wenn er euch zeigt, wie Sterben geht, zeigt er euch auch, wie Leben geht. (…) Hört einfach in euch hinein. Dann wird das schon.“
Und das wird es. Auch wenn die Seite nach Herrn Krekelers Tod erst einmal komplett schwarz bleibt. Das gilt es auszuhalten: kein Leben ohne Tod, kein Tod ohne Leben. Nikola Huppertz’ Roman ist nicht reißerisch, sondern aufrichtig, betrachtet das Lebensende aus vielen Perspektiven. Er ist erzählte Philosophie. Weil die Autorin einflicht, was ihr wichtig ist, kommen Gedichte von Rimbaud und Reden von Seneca vor, Magali und Herr Krekeler spielen vierhändig Strawinsky. Wer war das noch mal? Das wird en passant erklärt: Musik, Literatur, Kunst, Lebensentwürfe, Liebeskonzepte, Freundschaft – sie alle sind Antworten auf den Tod. Die wichtigste ist: Lebe.
CHRISTINE KNÖDLER
Katharina von der Gathen: Radieschen von unten. Das bunte Buch über den Tod für neugierige Kinder. Mit Illustrationen von Anke Kuhl.
Klett Kinderbuch, Leipzig 2023. 160 S., 22 Euro. Ab acht Jahren.
In „Radieschen von unten“ berichtet der
Krankenpfleger Karl
(oben rechts) von seiner Arbeit mit Sterbenden.
Jedes Kapitel des
Kindersachbuchs endet mit einer Seite voller Witze.
Illustrationen: Anke Kuhl/
Klett Kinderbuch
Nikola Huppertz:
Fürs Leben zu lang.
Tulipan Verlag,
München 2023.
200 S., 16 Euro.
Ab zwölf Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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