Der Blick auf den radikalen Pietismus aus geschlechtergeschicht- licher Perspektive läßt diese protestantische Reformbewegung inneuem Licht erscheinen. Religiosität gehörte in der FrühenNeuzeit nicht zur privaten Lebensgestaltung. Die persönlicheBegegnung mit dem "Heiligen" führte vielmehr zu vielschichtigemöffentlichen Handeln und zu besonders von Frauen geprägter undgelebter Utopie. Radikalpietistische Religiosität enthieltAnsätze zur Überwindung der ständischen Gesellschaft, indemreligiöse Sozietäten quer zu tradierten Bindungen wieVerwandtschaft, Zunft, Universität, Bürgerschaft und AdelMenschen neu zueinander in Beziehung setzten. Deren politischeWirkung weist Barbara Hoffmann für stadt- und territorial-herrschaftliche Bereiche ebenso nach wie für die Ablösungstaatlicher Herrschaft aus kirchlich-theologischenLegitimationszusammenhängen.Autorin: Barbara Hoffmann hat in Kassel Geschichte und Theologiestudiert und arbeitet dort an der Erforschung politischerEinflußnahme von Frauen im frühneuzeitlichen Leipzig.