Ein vergnügliches Lesebuch rund um das Radio: Rainer Suckow erzählt in 60 unterhaltsamen Geschichten von prägenden Menschen und Ereignissen der Hörfunkgeschichte. Der zeitliche Bogen spannt sich dabei von den ersten Funkversuchen im 19. Jahrhundert bis zum digitalen Rundfunk in der heutigen Zeit. Es geht um verkannte Erfinder und erfolgreiche Visionäre, um technische Meisterleistungen und die Gründung von Radiosendern, um den ersten Piratensender der Welt, die Einführung des Autoradios und um vieles mehr.
»Das vergnügliche Buch macht Lust auf noch mehr Wissen.« Märkische Oderzeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2023Elogen auf Stalin gehörten dazu
Die Primetime liegt inzwischen in den frühen Morgenstunden: Rainer Suckow hat Geschichten aus hundert Jahren Radio zusammengetragen.
Um diesen schmalen Band würdigen zu können, ist es möglicherweise ganz hilfreich, ein höheres Lebensalter erreicht zu haben. Vertraute und im Idealfall auch vertrauenswürdige Stimmen aus unerreichbarer Ferne und in zuweilen sehr dürftiger Klangqualität zu hören ist den Menschen im Zeitalter des Livestreams fast so fern wie die Postkutsche. Wenn heute über Aktivitäten der Sonne geschrieben wird, geht es in der Regel um das Thema Klimawandel. Dass die Sonne aber auch den Empfang von Kurzwellensendungen maßgeblich - positiv wie negativ - beeinflussen kann, ist nicht mehr allgemein bekannt.
Wenn deshalb noch vor wenigen Jahrzehnten die großen Kurzwellensender in aller Welt einen "Wetterbericht" sendeten, ging es vielfach nicht um Regen oder Sturm, sondern um die Ausbreitungsbedingungen der Wellen, über die seit Ende der Zwanzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts alle maßgeblichen Mächte ihre Botschaften um die Welt schickten.
Den Anfang des großen Radio-Wettrüstens machte die Sowjetunion, die von 1929 an den Sender der Kommunistischen Internationale betrieb und erst Weltrevolution propagierte und sich dann in Stalin-Elogen erging. Fast nicht mehr vorstellbar ist auch, dass das Radio in den 1950er-Jahren das wichtigste Massenmedium war, was sich auch in der Programmgestaltung niederschlug. Die großen Unterhaltungssendungen standen zur heute so genannten "Primetime" am Abend auf dem Sendeplan. Erst der Siegeszug des Fernsehens und später des Internets führte dazu, dass für den Hörfunk die Primetime in die frühen Morgenstunden wanderte.
Die Wiege des Radios in Deutschland stand in Königs Wusterhausen in der Nähe Berlins. Heute gibt es dort ein Sender- und Funktechnikmuseum. Rainer Suckow, der Vorsitzende des Fördervereins des Museums, hat eine Reihe kurzweiliger Geschichten aus hundert Radiojahren zusammengetragen. Schnell wird klar, dass man es nicht mit einem durchkomponierten Text zu tun hat. Vielmehr wirkt das Buch wie ein Zettelkasten, dessen Einzelteile in mehr oder weniger zufälliger Reihenfolge zwischen Buchdeckel geraten sind.
Das ist dem Lesefluss in keiner Weise abträglich. Wer allerdings eine konzise und chronologisch aufgebaute Geschichte des Rundfunks sucht, wird hier nicht fündig werden. Der Autor ist Techniker. Entsprechend techniklastig sind viele der Geschichten. Dabei kann man aber auch als Laie eine Menge lernen, zumal er in sehr verständlichem Deutsch schreibt. Bei dem gewählten Aufbau wohl nicht zu vermeiden sind Wiederholungen. So taucht das "legendäre Weihnachtskonzert" von 1920 in vielen Geschichten immer wieder als Neuigkeit auf.
Was den Verlag, der sich in seiner Eigenwerbung ganz bescheiden "der Hauptstadtverlag" nennt, freilich veranlasst hat, Rechtschreib- und Grammatikfehler in beachtlicher Zahl durchgehen zu lassen, bleibt unverständlich. Beispielsweise darf man durchaus wissen, wie man "Voraussetzung" schreibt. Hier werden unterschiedliche Versionen angeboten, die aber allesamt falsch sind.
Bei der Aufzählung der regionalen Sendegesellschaften, die vor hundert Jahren nacheinander in Deutschland den Sendebetrieb aufnahmen, versäumt es der Autor, die Sender in Breslau und Königsberg (Ostpreußen) zu nennen. Beide Regionen gehören zwar nicht mehr zu Deutschland. Die Unterlassung ist trotzdem nicht recht nachvollziehbar, zumal die in Suckows Aufzählung gewählten Formulierungen Vollständigkeit suggerieren. Eine Petitesse ist im Vergleich dazu, dass er die BBC 1932 den "World Service" starten lässt, obwohl der "Empire Service" den neuen Namen erst in den 1960er-Jahren erhielt.
Dem Hörfunk geht es womöglich wie vielen anderen Medien, denen in unregelmäßigen Abständen das Totenglöcklein geläutet wird. Er stand praktisch von Anfang an unter dem Druck, mit technischen und anderen Veränderungen Schritt halten zu müssen. Aber es gibt ihn immer noch. Und ein Ende ist nicht abzusehen, was nicht nur für Nostalgiker eine durchaus gute Nachricht ist. PETER STURM
Rainer Suckow: "Radio!". Geschichten aus 100 Jahren Rundfunk.
BeBra Verlag, Berlin 2023. 192 S., Abb., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Primetime liegt inzwischen in den frühen Morgenstunden: Rainer Suckow hat Geschichten aus hundert Jahren Radio zusammengetragen.
Um diesen schmalen Band würdigen zu können, ist es möglicherweise ganz hilfreich, ein höheres Lebensalter erreicht zu haben. Vertraute und im Idealfall auch vertrauenswürdige Stimmen aus unerreichbarer Ferne und in zuweilen sehr dürftiger Klangqualität zu hören ist den Menschen im Zeitalter des Livestreams fast so fern wie die Postkutsche. Wenn heute über Aktivitäten der Sonne geschrieben wird, geht es in der Regel um das Thema Klimawandel. Dass die Sonne aber auch den Empfang von Kurzwellensendungen maßgeblich - positiv wie negativ - beeinflussen kann, ist nicht mehr allgemein bekannt.
Wenn deshalb noch vor wenigen Jahrzehnten die großen Kurzwellensender in aller Welt einen "Wetterbericht" sendeten, ging es vielfach nicht um Regen oder Sturm, sondern um die Ausbreitungsbedingungen der Wellen, über die seit Ende der Zwanzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts alle maßgeblichen Mächte ihre Botschaften um die Welt schickten.
Den Anfang des großen Radio-Wettrüstens machte die Sowjetunion, die von 1929 an den Sender der Kommunistischen Internationale betrieb und erst Weltrevolution propagierte und sich dann in Stalin-Elogen erging. Fast nicht mehr vorstellbar ist auch, dass das Radio in den 1950er-Jahren das wichtigste Massenmedium war, was sich auch in der Programmgestaltung niederschlug. Die großen Unterhaltungssendungen standen zur heute so genannten "Primetime" am Abend auf dem Sendeplan. Erst der Siegeszug des Fernsehens und später des Internets führte dazu, dass für den Hörfunk die Primetime in die frühen Morgenstunden wanderte.
Die Wiege des Radios in Deutschland stand in Königs Wusterhausen in der Nähe Berlins. Heute gibt es dort ein Sender- und Funktechnikmuseum. Rainer Suckow, der Vorsitzende des Fördervereins des Museums, hat eine Reihe kurzweiliger Geschichten aus hundert Radiojahren zusammengetragen. Schnell wird klar, dass man es nicht mit einem durchkomponierten Text zu tun hat. Vielmehr wirkt das Buch wie ein Zettelkasten, dessen Einzelteile in mehr oder weniger zufälliger Reihenfolge zwischen Buchdeckel geraten sind.
Das ist dem Lesefluss in keiner Weise abträglich. Wer allerdings eine konzise und chronologisch aufgebaute Geschichte des Rundfunks sucht, wird hier nicht fündig werden. Der Autor ist Techniker. Entsprechend techniklastig sind viele der Geschichten. Dabei kann man aber auch als Laie eine Menge lernen, zumal er in sehr verständlichem Deutsch schreibt. Bei dem gewählten Aufbau wohl nicht zu vermeiden sind Wiederholungen. So taucht das "legendäre Weihnachtskonzert" von 1920 in vielen Geschichten immer wieder als Neuigkeit auf.
Was den Verlag, der sich in seiner Eigenwerbung ganz bescheiden "der Hauptstadtverlag" nennt, freilich veranlasst hat, Rechtschreib- und Grammatikfehler in beachtlicher Zahl durchgehen zu lassen, bleibt unverständlich. Beispielsweise darf man durchaus wissen, wie man "Voraussetzung" schreibt. Hier werden unterschiedliche Versionen angeboten, die aber allesamt falsch sind.
Bei der Aufzählung der regionalen Sendegesellschaften, die vor hundert Jahren nacheinander in Deutschland den Sendebetrieb aufnahmen, versäumt es der Autor, die Sender in Breslau und Königsberg (Ostpreußen) zu nennen. Beide Regionen gehören zwar nicht mehr zu Deutschland. Die Unterlassung ist trotzdem nicht recht nachvollziehbar, zumal die in Suckows Aufzählung gewählten Formulierungen Vollständigkeit suggerieren. Eine Petitesse ist im Vergleich dazu, dass er die BBC 1932 den "World Service" starten lässt, obwohl der "Empire Service" den neuen Namen erst in den 1960er-Jahren erhielt.
Dem Hörfunk geht es womöglich wie vielen anderen Medien, denen in unregelmäßigen Abständen das Totenglöcklein geläutet wird. Er stand praktisch von Anfang an unter dem Druck, mit technischen und anderen Veränderungen Schritt halten zu müssen. Aber es gibt ihn immer noch. Und ein Ende ist nicht abzusehen, was nicht nur für Nostalgiker eine durchaus gute Nachricht ist. PETER STURM
Rainer Suckow: "Radio!". Geschichten aus 100 Jahren Rundfunk.
BeBra Verlag, Berlin 2023. 192 S., Abb., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ganz glücklich wird Rezensent Peter Sturm mit Rainer Suckows Anekdoten aus 100 Jahren Rundfunk nicht. So lernt Sturm allerhand neues über das Radio: Zum Beispiel, dass Kurzwellensendungen maßgeblich von der Sonne beeinflusst wurden. Generell kommen viele technische Details vor, die auch für Laien gut lesbar sind, schreibt Sturm. Aber: Die Struktur dieses Buchs ist nicht chronologisch, es werde eher Anekdote an Anekdote gepappt, was auf Dauer repetitiv werde. Wichtige Episoden in der Geschichte des Rundfunks kommen indes gar nicht vor, moniert der Rezensent. Dass sich in dem Buch zudem zahlreiche Rechtschreibfehler tummeln, lässt Sturm an der Qualität des Lektorats zweifeln. Ein Buch für Nostalgiker, andere sollten auf eine überarbeitete Fassung warten, schließt Sturm.
© Perlentaucher Medien GmbH
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