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4 Kundenbewertungen

Das vergessene Meisterwerk einer großen japanischen Autorin
Yuko Tsushima gewann in ihrer Heimat zahlreiche Preise, ihr Werk wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Mit 'Räume des Lichts'

Produktbeschreibung
Das vergessene Meisterwerk einer großen japanischen Autorin

Yuko Tsushima gewann in ihrer Heimat zahlreiche Preise, ihr Werk wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Mit 'Räume des Lichts'
Autorenporträt
Yuko Tsushima, geboren 1947, war eine der bedeutendsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Sie war die Tochter des Schriftstellers Osamu Dazai, der sich das Leben nahm, als sie ein Jahr alt war. Tsushima studierte englische Literatur, mit 24 Jahren veröffentlichte sie den gefeierten Erzählband Shaniku-sai (Karneval). Sie schrieb weitere Erzählungen und siebzehn Romane, für die sie vielfach ausgezeichnet wurde, u. a. mit dem Izumi Ky¿ka Preis für Literatur, dem Noma Literaturpreis, dem Yomiuri Preis und dem Tanizaki Preis. 1970 heiratete sie und gab ihre Arbeit auf, wenige Jahre später folgte die Scheidung. 1985 starb ihr Sohn im Alter von acht Jahren. Tsushimas Werk ist stark autobiografisch geprägt und handelt immer wieder vom Aufwachsen ohne Vater, Scheidung, dem Leben einer alleinerziehenden Mutter oder dem Tod des eigenen Kindes. Sie erkundet in ihrem Schreiben das Dasein von ausgegrenzten Menschen, meistens Frauen, die gegen den Druck der Gesellschaft und der Familie um ihre Unabhängigkeit kämpfen. Yuko Tsushima starb 2016 in Tokio.
Rezensionen
»Bemerkenswerte Literatur!« The New Yorker 20221102

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Steffen Gnam ist begeistert von der anhaltenden Strahlkraft von Yuko Tsushimas im Original 1979 erschienenen Roman. Die japanische Autorin erzählt hier in starker autobiografischer Prägung, so Gnam, vom schmerzlichen Emanzipationsprozess einer alleinerziehenden Mutter im Jahr von der Trennung bis zur Scheidung von ihrem Ehemann. Wie sozialkritisch "listig" und psychologisch feinsinnig Tsushima dabei die neue Lebenssituation ihrer Protagonistin zwischen patriarchalen Machtstrukturen und konservativen Belehrungen ausmisst und dabei davon erzählt, wie die Protagonistin die Beziehung zu ihrer dreijährigen Tochter abseits einer normativen Mutterrolle neu definiert, findet der Kritiker packend. Ein "tiefenscharfes" Stück feministischer Literatur, schwärmt Gnam, das sich an Jun'ichirō Tanizaki und Virginia Woolf orientiert und außerdem die "janusköpfige Moderne" in den Blick nimmt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2023

Wehmut und Wut
Yuko Tsushimas Scheidungsroman

"Wird meine Erschöpfung, wenn ich ihm irgendwann das erwachsene Kind übergebe, nur noch als ein Andenken übrig bleiben?" Die japanische Autorin Yuko Tsushima (1947 bis 2016) beleuchtet in ihrem feministisch grundierten, von listiger Sozialkritik geprägten Werk mit Vorliebe Alleinerziehende, Außenseiter, Randständige und Schattenexistenzen in ihrem von patriarchalen und kapitalistischen Irrlichtern geprägten Land.

Tsushimas Frühwerk wie auch der vorliegende, in Japan 1979 erschienene Roman ist stark autobiographisch gefärbt. Es verhandelt Topoi wie die fehlende Vaterfigur - ihr Vater, der berühmte Schriftsteller Osamu Dazai, beging Selbstmord, als sie ein Jahr alt war -, den Tod ihres geistig behinderten Bruders 1960 und ihre Scheidung 1976. Im Spätwerk erweitert sich die Sicht auf die planetarisch Unterprivilegierten und Unterdrückten infolge von Krieg, Kolonialismus oder Machenschaften der Industrie oder Atomwirtschaft.

"Räume des Lichts" ist die Rekonstruktion des ersten Jahres einer jungen Ich-Erzählerin als alleinerziehende Mutter von der Trennung bis zum Vollzug der Scheidung und das Psychogramm eines Scheidungskinds in zwölf Episoden. Der Roman zeichnet das Gefühlschaos und Emanzipationsprozesse beim Kampf um das Sorgerecht für die dreijährigen Tochter nach, zwischen Wehmut und Wut, Hoffnung auf Wiederannäherung und Desillusionierung ob des chauvinistischen Verhaltens des Noch-Ehemanns. Als literarische Einflüsse lassen sich Jun'ichiro Tanizakis "Lob des Schattens" oder "Ein Zimmer für sich allein" von Virginia Woolf ausmachen. Wie bei Woolf gereicht ein neues Habitat - in diesem Fall eine lichtdurchflutete Wohnung in der obersten Etage eines Bürohauses - zum Symbol der Emanzipation und Frauenbefreiung.

Als der Ehemann die Tochter zum Entsetzen der Protagonistin unangekündigt vom Kindergarten für einen Ausflug abholt, wird sie von den konservativ-moralinsauren Erzieherinnen belehrt, dass es das Schlimmste sei, wenn Kinder sich in einer "ungeklärten Situation" befänden. Notorisches Zuspätkommen bei der Abgabe der Tochter im Kindergarten und bei der Arbeit, vernachlässigte Mutterpflicht und Kneipenbesuche, während die Tochter schläft, bei andererseits intensivem gemeinsamen Erleben kleiner Freuden bezeugen kreatives Austarieren sozialer Rollen und tradierter Codes der Weiblichkeit.

Im schmerzlichen Emanzipationsprozess erkennt die Heldin die Unmöglichkeit einer Rückkehr zum Status quo ante. Tiefenscharf skizziert Tsushima die Gemengelage ihrer Erzählerin zwischen Ausgrenzung und Demütigungen, schlechtem Gewissen und Vertrauen auf einen Neubeginn. Erbe Tanizakis ist das Spiel mit Schattierungen des Lichts als Ausdruck einer janusköpfigen Moderne - die Schönheit des roten Lichts, das sie vom Hausdach aus bewunderte, rührt von der Explosion einer Chemiefabrik - und von im Sinnvakuum des Wirtschaftsprimats verlorenen Existenzen: "Die Klagen der einzelnen Schatten schwebten wie fahler Rauch im Raum", heißt es in einer Traumsequenz.

Zuletzt ist es die Heldin selbst, die die Termine bei der Schlichtungsstelle ("Ein Ort, an dem ich nicht sein sollte, und ein Ich, das hier nicht sein sollte") vereinbart, die Scheidung vorantreibt und die Initiative übernimmt. Sie erkennt, dass auch eine Mutter, die mit ihrer Tochter durch Pfützen springt und auf Normen pfeift, eine gute Mutter sein kann. Die Tochter wiederum beginnt, auch ein Elternteil als in sich vollwertig zu begreifen. Es ist die Erzählung einer Selbstfindung jenseits klassischer Weiblichkeit und patriarchaler Fixpunkte.

Nach einem Jahr, in dem sie resilient wird gegen Blicke, Sprüche und Mitleid von der falschen Seite, zieht die Ich-Erzählerin aus dem hellen Gebäude wieder aus. Sie kann es mit ihrer Tochter nun auch in einem düsteren Mietshaus aushalten: "Räume des Lichts" ist ein Beispiel für subtil aufbegehrende und im existenziellen Dunkel als Merkmal moderner Erschöpfung nachhaltig funkelnde Frauenliteratur. STEFFEN GNAM

Yuko Tsushima: "Räume des Lichts". Roman.

Aus dem Japanischen von Nora Bierich. Arche Literatur Verlag, Zürich 2023. 208 S., geb., 22,- Euro.

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