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Die Biographie Rahel Varnhagens, begonnen um 1930 in Berlin, fertiggestellt 1938 im Pariser Exil, veröffentlicht erst zwanzig Jahre später, zuerst auf Englisch, dann auf Deutsch.Hannah Arendts Biographie der Rahel Varnhagen - ein großer Abgesang auf jüdische Assimilation in Deutschland. Begonnen wurde das Buch am Ende der Weimarer Republik, als die Zeichen längst auf Sturm standen, fertig geschrieben 1938 im Pariser Exil. Erst zwanzig Jahre später wurde das Buch veröffentlicht, zuerst in englischer Übersetzung, dann auf deutsch. Im Nachlass ihres Lehrers und Freunds Karl Jaspers ist eine erste…mehr

Produktbeschreibung
Die Biographie Rahel Varnhagens, begonnen um 1930 in Berlin, fertiggestellt 1938 im Pariser Exil, veröffentlicht erst zwanzig Jahre später, zuerst auf Englisch, dann auf Deutsch.Hannah Arendts Biographie der Rahel Varnhagen - ein großer Abgesang auf jüdische Assimilation in Deutschland. Begonnen wurde das Buch am Ende der Weimarer Republik, als die Zeichen längst auf Sturm standen, fertig geschrieben 1938 im Pariser Exil. Erst zwanzig Jahre später wurde das Buch veröffentlicht, zuerst in englischer Übersetzung, dann auf deutsch. Im Nachlass ihres Lehrers und Freunds Karl Jaspers ist eine erste Fassung der Biographie aus dem Jahr 1933 überliefert, die in dieser Ausgabe erstmals veröffentlicht wird. Im Rückblick schreibt Arendt, neben der jüdischen Frage habe sie an Rahel Varnhagen interessiert, was die Denkerin aus der Zeit um 1800 unter Schicksal verstand: »Es hat ein jeder ein großes Schicksal, der da weiß, dass er eines hat.« Sie bezeichnet Rahel Varnhagen als ihre beste Freundin, die leider schon seit hundert Jahren tot sei.
Autorenporträt
Hannah Arendt (1906 -1975) gilt als eine der wichtigsten politischen Theoretikerinnen und Publizistinnen des 20. Jahrhunderts. Durch den Nationalsozialismus zur Emigration gezwungen, verfasste sie nach ihrer Ankunft in den USA ihre Werke sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Schriftsteller Michael Maar verbindet seine Besprechung von Hannah Arendts Buch über Rahel Varnhagen mit einer Hommage auf die vor zweihundertfünfzig Jahren geborene Salonnière, die er für ihre Originalität, ihre Wahrheitsliebe, ihren Esprit und ihr Herz bewundert und in der er ebenso ein Genie der Freundschaft wie eines der Feder erkennt, was sich in ihren unzähligen Briefen niederschlug. Arendt beendete ihr Buch über Rahel Varnhagen, das sie als Habilitationsschrift begonnen hatte, 1938 im Pariser Exil, wie Maar erklärt, erst 1959 erschien es auf Deutsch. Dieser Pioniertat sei zu verdanken, dass Rahel Varnhagen hierzulande nicht noch unbekannter geblieben sei. Doch Maar erkennt in dem Werk vor allem auch ein Zweigespräch unter zwei seelenverwandten Geistesriesinnen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2021

Vom Wagnis, verstanden zu werden
Heute vor 250 Jahren wurde Rahel Varnhagen geboren, und passend dazu erscheint Hannah Arendts Biographie der jüdischen Dichterin im Rahmen der Kritischen Ausgabe

Als Jüdin geboren zu sein sei ein Unglück, aber man könne sich ändern und es ungeschehen machen - glaubte die berühmte Salonnière Rahel Varnhagen von Ense. Und tatsächlich ist das Unglück der falschen Geburt, die man bekanntlich gerade nicht ungeschehen machen kann, ein roter Faden auch in der Biographie, die Hannah Arendt über diese berühmte Romantikerin geschrieben hat. Alle Umstände der Arbeit an dieser "Lebensgeschichte" - 1930 begonnen, 1957 auf Englisch und 1959 auf Deutsch erschienen - waren ihrerseits vom Unglück behaftet. Doch dazu später.

In Rahels Leben gab es offensichtlich noch eine zweite "Mitgift", nämlich die große Gabe des Verstehens, die Gabe zur Freundschaft, die ihrem Kampf gegen die "Schmach der Geburt" hilfreich beiseitestand. Erst spät erkannte sie, dass diese Differenz zur Gesellschaft eine Kraft gewesen war, und so räsonierte sie auf dem Totenbett, sie habe das Unglück, als Jüdin geboren zu sein, "um keinen Preis" missen mögen.

Heute vor 250 Jahren wurde Rahel Levin geboren und lebte eine ganze Weile unter dem Namen Rahel Robert, bevor sie 1814 den Diplomaten und Literaten Karl August Varnhagen von Ense heiratete. Sie war mit Goethe bekannt, und in ihrer "glanzvollsten Zeit" lud sie zum Tee in ihre Wohnung in unmittelbarer Nähe zum Berliner Gendarmenmarkt. Dort trafen sich alle Stände, Bürgerliche und Adelige, Frauen und Männer, Wissenschaftler, Künstler, Schauspieler und Diplomaten, und von jedem wurde "als Selbstverständliches verlangt, dass er ein Einzelner sei". Rahel pflegte den "Zauber" des Gesprächs - bei ihren Einladungen, in ihren persönlichen Begegnungen, in den Tagebuchaufzeichnungen ebenso wie in den Träumen, jenen Nachtseiten des Ichs; vor allem aber in ihren Briefen, die sie noch zu Lebzeiten zurückrufen, versammeln und in Druck bringen wollte. Sie leben aus der Direktheit der Gefühle, dem Primat des Privaten und der Verweigerung jeglicher "Schmeichelvisiten".

Allzu lang war die Geschichte der Rahel Varnhagen als Erfolgsgeschichte des deutsch-jüdischen Gesprächs gedeutet worden, und ihr Ehemann hatte aus seiner Veröffentlichung der Briefe und Tagebücher ("Buch des Andenkens") das Judenproblem weitgehend "eliminiert", wie schon Arendt bitter bemerkte. Jede Lektüre und jede Freundschaft hat ihre Zeit, und es war erst der bedrohlich wachsende Nationalsozialismus, der Hannah Arendt dazu brachte, ihre eigene Zugehörigkeit zum Judentum, die sie bislang als natürliche Gegebenheit angesehen hatte, als Politikum zu betrachten. Fortan orientierte sie ihr Leben und Denken ganz "von der Judenfrage her", und so wird Rahel Varnhagen ihre "wirklich beste Freundin, die nur leider schon hundert Jahre tot ist". An ihr und an dem Zionisten Kurt Blumenfeld "erzieht" sie sich zur Judenfrage. Und konstatiert, dass auch assimilierte Juden in Europa Außenseiter blieben; sie konnten aufsteigen, doch dies war mit Heuchelei, Lüge und Untertänigkeit erkauft: In einer im großen Ganzen judenfeindlichen Gesellschaft könne man sich nur assimilieren, wenn man sich an den Antisemitismus assimiliere. Heute, in Zeiten zunehmender identitärer Debatten, verdanken wir Arendts Biographie grandiose Einsichten. Sie zeigt die Varnhagen in ihrer tatsächlichen Verlassenheit.

Dem nun erschienenen zweiten Band der "Kritischen Gesamtausgabe" von Hannah Arendt entnimmt man, dass ein besonderes Wechselspiel von Glück und Unglück auch die Überlieferung dieser Forschungsarbeit prägte. Die Herausgeberinnen unter der diesmal alleinigen Leitung von Barbara Hahn, die seit Anfang der achtziger Jahre kontinuierlich auch die Schriften Rahel Varnhagens ediert, rekonstruieren auf 960 Seiten in dem großartig recherchierten, edierten und kommentierten Band auch den Krimi der Rettung dieser früh begonnenen Arbeit. Arendt, die ursprünglich ein Stipendium der Akademie für die Wissenschaft des Judentums beantragt hatte, wurde abgelehnt und an die allgemeine akademische Förderung verwiesen, als ob - welch eine Ironie der Geschichte! - das Thema den Sponsoren nicht spezifisch jüdisch genug schien. Das erste, noch unfertige Typoskript wurde Ende 1932 wohl kurz vor der Flucht aus Deutschland hastig zusammengeschrieben und im Koffer nach Paris mitgenommen, wo Arendt die Studie 1937/38 um- und weiterschrieb - den endgültigen Bankrott der Assimilation vor Augen.

Doch damit war die Rettungsgeschichte keineswegs zu Ende, denn auf ihrer Flucht nach New York im Jahr 1941 hatte Arendt kein Exemplar ihres Pariser Typoskripts im Gepäck, so dass erst nach 1945 ein offensichtlich noch aus Paris an Gershom Scholem gesandtes Exemplar auf Umwegen nach New York gelangte, wo Arendt allerdings die Frage der Publikation zunächst aufschob, bis 1957 im Rahmen der Gründung des Leo Baeck Instituts eine erste englische Ausgabe erschien. Dass der Piper Verlag 1959 bei der deutschsprachigen Ausgabe der "Rahel Varnhagen - The Life of a Jewess" das Wort "Jüdin" im Untertitel absichtlich vermied und nur "Eine Lebensgeschichte" auf dem Umschlag druckte, angeblich des Erfolgs wegen, wirft noch einmal ein deutliches Licht auf die Zustände in der entnazifizierten Bundesrepublik.

Im Nachhinein war Arendts Arbeit an der Biographie wohl ihr Valet an die Philosophie; die Erkenntnisse daraus grundierten ihre Neuanfänge als politische Theoretikerin in den Vereinigten Staaten. Ihre Auseinandersetzung mit Judenemanzipation, Pariabewusstsein und Heines "Enthusiasmus für die bürgerliche Gleichstellung" prägten nebenbei ihren Essay "Verborgene Tradition" ("Es handelt sich um die Tradition einer Minderheit unter den Juden, die keine Emporkömmlinge sein wollten und den Status des ,bewussten Paria' vorzogen"). Vor allem aber basiert auf diesen Arbeiten das Antisemitismus-Kapitel von "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft".

Zurück zum Gespräch, dessen Glück für Varnhagen wie für Arendt im Wagnis bestand, verstanden zu werden. Doch wo für die Dichterin der "Menschenhunger" im Vordergrund stand, entwickelt Hannah Arendt das Gespräch zu einer zentralen politischen Kategorie ihres Werkes. Im Gespräch handeln wir die Welt aus, denn um urteilen zu können, müssen wir uns von der privaten Bedingtheit der Meinungen befreien und bei möglichst vielen Standpunkten "Besuch machen". Im Austausch - dem Inter-Esse also, das im Gespräch zwischen den Menschen entsteht - stiftet sich seit der Gründung der Polis politischer Zusammenhalt.

Dieser Band der Kritischen Gesamtausgabe von Hannah Arendt ist in gewisser Weise kongenial, denn er ehrt die Jüdin Rahel Varnhagen, löst sie noch einmal aus der ihr zugeschriebenen "historischen" Rolle und macht sie durch Hannah Arendt auch für uns zu einer Zeitgenossin, mit der wir uns - man glaubt es nicht - in diesen Zeiten nicht zuletzt auch dank der beigefügten (teils unveröffentlichten) Briefe und Tagebucheinträge neu darüber auseinandersetzen können, was es heißen kann, das Schicksal der Herkunft nicht "missen" zu möchten.

MARIE LUISE KNOTT

Hannah Arendt: "Rahel Varnhagen - Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin". Kritische Gesamtausgabe, Band 2.

Hrsg. von B. Hahn, J. Egger und F. Wein. Wallstein Verlag, Göttingen 2021. 960 S., geb., 49,- [Euro].

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»Ein geniales Buch, das ein halbes Jahrhundert und ein ganzes Leben durchwandert hat, die Brüche '1933' und '1945' umspannt« (Insa Wilke, Süddeutsche Zeitung, 17.03.2021) »Es ist kein schillerndes Salonleben, das sich unter Arendts analytischem Blick entfaltet - eher ein schwankendes Frauenschicksal.« (Astrid Herbold, Der Tagesspiegel, 04.01.2021) »Wie aufregend und politisch versiert Fußnoten sein können - eine Edition als geistiges Aufputschmittel!« (Insa Wilke, SWR2, 26.02.2021) »Arendt schrieb gegen die Überlieferung an, gegen die Mythen und Vereinnahmungen.« (Hendrikje Schauer, taz am wochenende, 15./16.05.2021) »Hannah Arendt ist es zu verdanken, dass Rahel Varnhagen heute nicht noch unbekannter ist.« (Michael Maar, Süddeutsche Zeitung, 19.05.2021) »Heute, in Zeiten zunehmender identitärer Debatten, verdanken wir Arendts Biographie grandiose Einsichten.« (Marie Luise Knott, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.05.2021) »Das Buch ist eine Spurensuche ohne politische Korrektheit, von Gleich zu Gleich, von Denkerin zu Denkerin, schmerzlich und unerbittlich genau, tollkühn und von gnadenlosem Durchblick.» (Ulrike Edschmid, Süddeutsche Zeitung, 29.12.2021) »Der zweite Band der Hannah-Arendt-Werkausgabe (deutsch/englisch) ist ein Schmuckstück.« (Wilhelm Schwendemann, ZfBeg, Dezember 2021) »Das Verdienst der Werkausgabe ist, diese Rahel wieder ins Licht zu stellen, mit all ihren persönlichen Problemen, die aber in den Kampf um Anerkennung und gegen gesellschaftlichen Antisemitismus eingebettet waren.« (Wilhelm Schwendemann, ZfBeg, Dezember 2021) »Das Buch ist eine Spurensuche (...) von Denkerin zu Denkerin, schmerzlich und unerbittlich genau, tollkühn und mit gnadenlosem Durchblick.« (Ulrike Edschmid, Süddeutsche Zeitung, 29.12.2021) »von Barbara Hahn als exzellenter Kennerin verantwortete Edition führt (...) zu einem besseren Verständnis der Lebens Hannah Arendts.« (Peter Steinbach, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2022)…mehr