Produktdetails
- Verlag: Neue Zürcher Zeitung
- ISBN-13: 9783038233978
- ISBN-10: 3038233978
- Artikelnr.: 23465124
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2008Baumeister der Credit Suisse
Eine Bilanz des Wirkens von Rainer E. Gut
Wer die Vorgänge um die Schweizer Großbank UBS seit dem Sommer vergangenen Jahres verfolgt, wird sich zuweilen vielleicht daran erinnern, dass dreißig Jahre zuvor die heutige Credit Suisse im Feuer stand. Damals ging es allerdings nicht um schlechte Risikokontrolle, sondern um kriminelle Machenschaften. Die sogenannte "Chiasso-Krise" von 1977 erschütterte die damalige Schweizerische Kreditanstalt (SKA) zutiefst. Die Aufräumarbeiten in dieser Tessiner Filiale der Bank, deren Leiter Kundengelder im Umfang von 2,2 Milliarden Franken verdeckt in dubiose Anlagen geschleust hatte, brachten einen erst 44 Jahre alten Mann an die Spitze der Bank: Rainer E. Gut. Er sollte in der Folge zu einem der bedeutendsten, aber auch umstrittensten Manager der Schweiz werden.
Gut war Konzernchef bis 1983 und danach Verwaltungsratspräsident bis zu seinem altersbedingten Rücktritt im Jahr 2000. Fünf Jahre später zog er sich mit dem Abschied aus dem Präsidium des Verwaltungsrats von Nestlé ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Doch Gut hat die Öffentlichkeit sowieso nie gesucht, sondern gemieden. Erst jetzt liegt seine Biographie vor, verfasst vom Leiter des historischen Archivs der Credit Suisse. Damit ist klar, dass es sich bei diesem Buch nicht um eine kritische Abhandlung über das Wirken Guts handeln kann, sondern um eine Bestandsaufnahme, die immer wieder Züge einer Rechtfertigung annimmt.
In der Schweiz hat der Ruheständler Gut bis heute zahlreiche Kritiker. Sie würdigen zwar seine Stabilisierung der Bank nach dem Chiasso-Debakel und ihren Ausbau zur zweiten globalen Adresse der Schweiz neben der heutigen UBS. Aber sie nehmen Anstoß an der forcierten Amerikanisierung der Credit Suisse, die ihr im Investmentbanking eine jahrelange Malaise bescherte. Sie verweisen auf die Fehlentscheidung der Ernennung des McKinsey-Mannes Lukas Mühlemann zum Konzernchef ab 1997, dessen Amtszeit sich zu einem Trauerspiel entwickeln sollte, sowie auf Guts missglückten Versuch einer Fusion mit dem Konkurrenten Bankgesellschaft im Frühjahr 1996.
Das an sich richtige Konzept setzten bald danach andere in die Tat um. Im Dezember des darauffolgenden Jahres gaben die Bankgesellschaft in Zürich und der Bankverein in Basel ihr Zusammengehen bekannt. Der Bankverein hatte schon 1995 den ersten Gesprächsfaden geknüpft, was Gut jedoch verborgen blieb. Als UBS sollte das neue Institut der traditionsreichsten Schweizer Bank mit dem Gründungsjahr 1856 - eine Gründung des Industrietitanen Alfred Escher - fast ein Jahrzehnt lang den Rang ablaufen.
Vor der Ernennung Mühlemanns zum Vorstandsvorsitzenden der Credit Suisse stand der kurzfristige Abgang von dessen Vorgänger Josef Ackermann, was am Zürcher Paradeplatz eine notdürftige Zwischenlösung erzwang. Die Vermutung eines persönlichen Zerwürfnisses mit Gut liegt nahe. Ackermann ging danach zum Konkurrenten Deutsche Bank und wurde Nachfolger von Rolf E. Breuer. Autor Jung bezichtigt die damaligen Berichterstatter über den unerwarteten Abschied eines Journalismus "in Unkenntnis des wahren Sachverhalts". Das ist billige Polemik, denn die Beteiligten schweigen bis heute. Und gerade Gut hat schon in seiner aktiven Zeit allgemein wenig für die Aufklärung der Öffentlichkeit über Ziele und Motive seines Handelns getan. Diese Kritik klingt selbst in dem lesenswerten Geleitwort von Oswald Grübel an, des Vorstandsvorsitzenden zwischen 2003 und Frühjahr 2007.
Verdienste über die Bank hinaus erwarb sich der engagierte Katholik Gut, der zeitweise in den Vereinigten Staaten als Investmentbanker gearbeitet hatte, 1998 bei der Beilegung des Zerwürfnisses zwischen den Schweizer Großbanken und den jüdischen Organisationen über die "nachrichtenlosen Vermögen" im Zweiten Weltkrieg. Der Streit gipfelte in dem Vorwurf der Kumpanei mit dem Nazi-Regime, ein Vorwurf, den sich selbst die amerikanische Regierung zu eigen machte. Spät, aber nicht zu spät griff Gut in die Verhandlungen ein.
In der Darstellung Jungs gab er den entscheidenden Anstoß zum Entschädigungsfonds für die Holocaust-Opfer, der mit knapp 300 Millionen Franken ausgestattet wurde. In diesem Kapitel ebenso wie bei der Swissair, an deren missglücktem Rettungsversuch 2001 Gut gleichfalls beteiligt war, greift das Buch weit über die Bank hinaus und behandelt wichtige Aspekte der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Dies erhöht seinen Wert, wenngleich die Schlagseite zugunsten des Porträtierten auch hier zu spüren ist.
JÜRGEN DUNSCH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Bilanz des Wirkens von Rainer E. Gut
Wer die Vorgänge um die Schweizer Großbank UBS seit dem Sommer vergangenen Jahres verfolgt, wird sich zuweilen vielleicht daran erinnern, dass dreißig Jahre zuvor die heutige Credit Suisse im Feuer stand. Damals ging es allerdings nicht um schlechte Risikokontrolle, sondern um kriminelle Machenschaften. Die sogenannte "Chiasso-Krise" von 1977 erschütterte die damalige Schweizerische Kreditanstalt (SKA) zutiefst. Die Aufräumarbeiten in dieser Tessiner Filiale der Bank, deren Leiter Kundengelder im Umfang von 2,2 Milliarden Franken verdeckt in dubiose Anlagen geschleust hatte, brachten einen erst 44 Jahre alten Mann an die Spitze der Bank: Rainer E. Gut. Er sollte in der Folge zu einem der bedeutendsten, aber auch umstrittensten Manager der Schweiz werden.
Gut war Konzernchef bis 1983 und danach Verwaltungsratspräsident bis zu seinem altersbedingten Rücktritt im Jahr 2000. Fünf Jahre später zog er sich mit dem Abschied aus dem Präsidium des Verwaltungsrats von Nestlé ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Doch Gut hat die Öffentlichkeit sowieso nie gesucht, sondern gemieden. Erst jetzt liegt seine Biographie vor, verfasst vom Leiter des historischen Archivs der Credit Suisse. Damit ist klar, dass es sich bei diesem Buch nicht um eine kritische Abhandlung über das Wirken Guts handeln kann, sondern um eine Bestandsaufnahme, die immer wieder Züge einer Rechtfertigung annimmt.
In der Schweiz hat der Ruheständler Gut bis heute zahlreiche Kritiker. Sie würdigen zwar seine Stabilisierung der Bank nach dem Chiasso-Debakel und ihren Ausbau zur zweiten globalen Adresse der Schweiz neben der heutigen UBS. Aber sie nehmen Anstoß an der forcierten Amerikanisierung der Credit Suisse, die ihr im Investmentbanking eine jahrelange Malaise bescherte. Sie verweisen auf die Fehlentscheidung der Ernennung des McKinsey-Mannes Lukas Mühlemann zum Konzernchef ab 1997, dessen Amtszeit sich zu einem Trauerspiel entwickeln sollte, sowie auf Guts missglückten Versuch einer Fusion mit dem Konkurrenten Bankgesellschaft im Frühjahr 1996.
Das an sich richtige Konzept setzten bald danach andere in die Tat um. Im Dezember des darauffolgenden Jahres gaben die Bankgesellschaft in Zürich und der Bankverein in Basel ihr Zusammengehen bekannt. Der Bankverein hatte schon 1995 den ersten Gesprächsfaden geknüpft, was Gut jedoch verborgen blieb. Als UBS sollte das neue Institut der traditionsreichsten Schweizer Bank mit dem Gründungsjahr 1856 - eine Gründung des Industrietitanen Alfred Escher - fast ein Jahrzehnt lang den Rang ablaufen.
Vor der Ernennung Mühlemanns zum Vorstandsvorsitzenden der Credit Suisse stand der kurzfristige Abgang von dessen Vorgänger Josef Ackermann, was am Zürcher Paradeplatz eine notdürftige Zwischenlösung erzwang. Die Vermutung eines persönlichen Zerwürfnisses mit Gut liegt nahe. Ackermann ging danach zum Konkurrenten Deutsche Bank und wurde Nachfolger von Rolf E. Breuer. Autor Jung bezichtigt die damaligen Berichterstatter über den unerwarteten Abschied eines Journalismus "in Unkenntnis des wahren Sachverhalts". Das ist billige Polemik, denn die Beteiligten schweigen bis heute. Und gerade Gut hat schon in seiner aktiven Zeit allgemein wenig für die Aufklärung der Öffentlichkeit über Ziele und Motive seines Handelns getan. Diese Kritik klingt selbst in dem lesenswerten Geleitwort von Oswald Grübel an, des Vorstandsvorsitzenden zwischen 2003 und Frühjahr 2007.
Verdienste über die Bank hinaus erwarb sich der engagierte Katholik Gut, der zeitweise in den Vereinigten Staaten als Investmentbanker gearbeitet hatte, 1998 bei der Beilegung des Zerwürfnisses zwischen den Schweizer Großbanken und den jüdischen Organisationen über die "nachrichtenlosen Vermögen" im Zweiten Weltkrieg. Der Streit gipfelte in dem Vorwurf der Kumpanei mit dem Nazi-Regime, ein Vorwurf, den sich selbst die amerikanische Regierung zu eigen machte. Spät, aber nicht zu spät griff Gut in die Verhandlungen ein.
In der Darstellung Jungs gab er den entscheidenden Anstoß zum Entschädigungsfonds für die Holocaust-Opfer, der mit knapp 300 Millionen Franken ausgestattet wurde. In diesem Kapitel ebenso wie bei der Swissair, an deren missglücktem Rettungsversuch 2001 Gut gleichfalls beteiligt war, greift das Buch weit über die Bank hinaus und behandelt wichtige Aspekte der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Dies erhöht seinen Wert, wenngleich die Schlagseite zugunsten des Porträtierten auch hier zu spüren ist.
JÜRGEN DUNSCH
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