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Ziebritzkis Gedichte sind, was der Titel des Bandes vermeintlich bescheiden andeutet: Randerscheinungen. Sie versuchen nicht, sich aufdringlich in den Mittelpunkt zu schieben, und sprechen nicht von Dingen, denen allgemein zentrale Bedeutung zugebilligt wird. Statt dessen lassen sie aber mit eigentümlicher Kraft die Ränder in Erscheinung treten: Sie machen die Grenzen des Selbstverständlichen, des Gewöhnlichen erkennbar - sowohl die Grenzen der üblichen Wahrnehmung als auch die Grenzen des alltäglichen Interpretierens unserer Welt.

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Produktbeschreibung
Ziebritzkis Gedichte sind, was der Titel des Bandes vermeintlich bescheiden andeutet: Randerscheinungen. Sie versuchen nicht, sich aufdringlich in den Mittelpunkt zu schieben, und sprechen nicht von Dingen, denen allgemein zentrale Bedeutung zugebilligt wird. Statt dessen lassen sie aber mit eigentümlicher Kraft die Ränder in Erscheinung treten: Sie machen die Grenzen des Selbstverständlichen, des Gewöhnlichen erkennbar - sowohl die Grenzen der üblichen Wahrnehmung als auch die Grenzen des alltäglichen Interpretierens unserer Welt.
Autorenporträt
Dr. Henning Ziebritzki ist Pastor der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Goslar-Hahnenklee-Bockswiese.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.1998

Augustinus und das Nadelöhr
Henning Ziebritzkis Lyrikdebüt "Randerscheinungen"

Nur Lumpen seien bescheiden, hat jemand gemeint, der es sich leisten konnte. Wir sympathisieren eher mit dem Understatement. Darin versteckt sich immer noch genug Anspruch. So nimmt man einen Gedichtband, der sich "Randerscheinungen" betitelt, neugierig und erwartungsvoll in die Hand. Zumal hier - bei einem Autor des Jahrgangs 1961 - nicht das Label "junger Lyriker" auf mildernde Umstände plädiert und keine exotische Vita werbewirksam nachhilft. Mehr, als daß er in Goslar geboren ist, evangelische Theologie studiert und Gedichte und Essays in Zeitschriften veröffentlicht hat, erfahren wir über Henning Ziebritzki nicht. Seine Gedichte sollen für sich sprechen.

Sprechen sie denn? Singen sie gar? Ich habe da meine Zweifel. Ziebritzki ist ein kluger, gedankenvoller und belesener Mann. Das Reflexive erfordert freilich Feuer und Entschiedenheit, wenn es die Idee zum Scheinen bringen will. An dieser Kraft fehlt es den Gedichten. Sie suchen Eideshelfer allerorten - von Augustinus zu Borges oder Bobrowski -, aber wenn es zum Schwur kommt, fällt Mehltau auf die Formulierungen. Sie werden merkwürdig diffus und kaschieren das durch den Ton intellektueller Lässigkeit oder leerer Altklugheit.

So schlüpft der Autor gleich zu Anfang in die Pose des Weisen und beginnt sein "Lied aus China": "Ich mag die Arbeit im Garten, / der in Blüte und voll Unkraut steht, / Gedanken kommen beim Graben / und gehen in Rasen und Rosenbeet." Welche Gedanken das sind, erfahren wir nicht. Auch wenn der Poet von der Kaiserin von Japan träumt, fällt ihm nichts Präziseres ein: "Vergeblich mühte ich mich, /irgendein Wissen zu erinnern." Wo er endlich zur gedanklichen Pointe gelangt, ist sie eher pompös als stringent: "doch das Daimonion trifft wieder das Nadelöhr nicht."

Ziebritzki rettet sich in Reflexionen über Schrift und Schriftlichkeit - nur sind sie nicht originell, sondern bloß trendy: "Schriftlichkeit bleibt / ein begrenzter Fund" heißt ein Kapitel. Vor allem dort vergißt er oft, daß er ausgezogen war, Verse zu schreiben, und liefert pure Referatprosa: "Und jede Zeile läuft auf die leidige Frage des Augustinus zu, / quid sit memoria." Das mag bedenkenswert sein oder auch nicht, ist aber keine Poesie, kein Vers.

Wären bloß Prätention oder Dilettantismus am Werk, könnte man hier schließen. Ich glaube aber, daß in Ziebritzki ein Spätentwickler steckt, der das Zeug zum metaphysischen Poeten hat. Anzeichen dafür finden sich in "Resonanzen", einem Zyklus von Achtzeilern. Da ist es gelegentlich der Reim, der - im Sinne von Karl Kraus - das Ufer evoziert, wo die Gedanken landen, wenn sie einverstanden sind. In einem dieser Stücke fragt sich der Autor: "Ob ein Beginn wartet / im Körnchen, sprichwörtlich, / oder in Waffen, in Taten, / was weiß denn ich / vom Gesang ( . . .)". Solche Offenheit könnte Ziebritzki womöglich weiterführen. HARALD HARTUNG

Henning Ziebritzki: "Randerscheinungen". Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 90 S., br., 18,- DM.

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