Die Moderne erzählt sich selbst ihre Geschichte immer wieder: Seit die Religion überwunden ist, glaubt die angeblich aufgeklärte, humane, liberale Menschheit an den Fortschritt. Sie glaubt an Veränderung, an ihre Vervollkommnung und ihre Güte. Mit dem Aufkommen der modernen Wissenschaft weitete sich der Blick - eine Verbesserung schien jederzeit möglich. Das wachsende Wissen ermöglichte es dem Menschen, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, so das Credo des liberalen Humanismus. Ihn und alle Fortschrittsphantasien unterzieht John Gray in seiner Tour dHorizon einer grandiosen wie vernichtenden Kritik.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sehr elegant fertigt Gustav Seibt den schwarzen Prinzen der modernen britischen Philosophie ab. Sein Anti-Humanismus sei wuchtig, aber nicht gedankenreich, schreibt er. Wortreich beschwöre Gray die Schwärze des Universums, in das wir mit unserem Unglück, geboren zu sein, hineingeworfen sind. Den Fortschritt fertigt er ab wie nur einer, dem noch nie ohne Betäubung im Zahn gebohrt wurde. Alles ist Gray grässlich, glaubt man Seibts Resümee. Unter blühenden Frühlingswiesen sieht er nur das Gemetzel der Nahrung mordenden Tiere, und der Mensch ist in diesem Universum auch nur Marionette dunkler Triebe. Für Gray bleibt am Ende nur ein ermüdetes Arrangement mit dem Gegebenen, diagnostiziert Seibt, der Gray en passant auf ein paar Denkfehler aufmerksam macht, etwa den, dass der Mensch, anders als die Tiere, sich per Selbstrelativierung eines Besseren besinnen kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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