Ein sehr bewegendes Stück Zeitgeschichte über den Staat Moldau, verfasst von Tagebüchern.
Was wissen wir über den Staat Moldau? Wahrscheinlich geht es den meisten so wie mir, und müssen diese Frage mit: „so gut wie gar nichts“ beantworten.
Ion Postolache war zeitlebens Moldauer, auch wenn er in
seinem langen Leben (1918-2012) in ein und derselben Gegend in mehreren Staaten lebte, mehrere…mehrEin sehr bewegendes Stück Zeitgeschichte über den Staat Moldau, verfasst von Tagebüchern.
Was wissen wir über den Staat Moldau? Wahrscheinlich geht es den meisten so wie mir, und müssen diese Frage mit: „so gut wie gar nichts“ beantworten.
Ion Postolache war zeitlebens Moldauer, auch wenn er in seinem langen Leben (1918-2012) in ein und derselben Gegend in mehreren Staaten lebte, mehrere Sprachen und Schriften aufgezwungen bekam. Das Staatsgebiet war einst Bessarabien, Rumänien, UDSSR, moldawische SSR und nun Moldau. Irgendwann hielten lateinische Buchstaben Einzug, und ein oder zwei Generationen später war es wieder umgekehrt. Und das Spiel drehte sich und setzte sich fort.
Er erzählt uns sehr vieles über die geschichtliche Vergangenheit, vieles von seinem Großvater und Vater, die allesamt Landwirte in dem sehr fruchtbaren Land waren. Er hatte Tagebuch geführt, und somit ein Stück wertvolle Zeitgeschichte über dieses Land erhalten.
S.8: „Beobachtungen und Reflexionen einfacher Menschen, auch kleine und unbedeutende – es sind genau diese Geschichten, die dann das große Puzzle der Menschheit entscheidend formen.“ […] „Ein einfacher Bauernsohn war er, mein Großvater.“
S.9: „Wir wussten nicht, wer wir sind. Ich weiß es bis heute nicht, wenn ich ehrlich bin.“
Die politischen Geschehnisse und Zerwürfnisse, willkürliche Grenzziehungen, Verschleppungen, Enteignungen, alles am eigenen Leib erfahren, erzählt er ruhig. Meistens besonnen, geizte aber nicht an Kritik, obwohl die auch noch weit heftiger hätte ausfallen können, als geschildert.
Seine Eltern wurden grundlos in der stalinistischen Grausamkeit nach Sibirien verschleppt, während er das Glück hatte, in einem anderen Ort als Veterinär zu arbeiten. Und dabei hatten sie sogar noch so etwas als Glück dabei. Sie konnten sich in der Fremde so etwas Ähnliches wie eine neue Existenz aufbauen, trotz ihres Alters von sechzig Jahren und von Arbeit zerschundenen Körpern. Anderen erging es weit schlechter. Ihr aller Herz hing an der alten Heimat Moldau.
S.115: „ … die Sowjets waren schlimmer als die Barbaren, über die wir im Geschichtsunterricht gelernt hatten …“
Es ist bewegend, wie Postolache alles erzählt, viel Wissen über Land und Leute mit uns teilt und uns ein äußerst lebensnahes Bild des Landes Moldau über eine Zeitspanne von bald 200 Jahren präsentiert.
Mir hat das Buch, das weder Roman noch Sachbuch ist, äußerst gut gefallen und hinterließ einen tiefen Eindruck. Sehr gerne gebe ich eine ganz große Leseempfehlung für dieses brillante Stück Zeitgeschichte aus Moldau. Lest es, denn lesen bildet – und in diesem Fall stimmt es mehr denn je.