Hat die Scharia eine Geschichte? Und welche gesellschaftliche Rolle spielt das Rechtsdenken (fiqh) im Islam? Hierauf bietet dieses Buch fundierte Antworten aufgrund neuer Fakten und Fragestellungen. Die chronologisch ausgerichtete Grundlagenforschung des Autors in Bereichen der Rechtsregeln, juristischer Hermeneutik und Rechtsurkunden ermöglicht eine Revision bisheriger Überzeugungen vom islamischen Recht. Die umfassende Synthese stellt das Juristenrecht aus dogmatischer sowie anwendungsbezogener Sicht zudem in den Rahmen historischer Rechtsordnungen seit der Frühzeit bis zu den Umbrüchen im 19. Jahrhundert. Nachgezeichnet wird die Entwicklung von Institutionen (Rechtsschulen), Regelverständnis (furu-Kasuistik) und Legitimation (usul al-fiqh) durch Rechtsgelehrte. Die Wandlung "islamischen Rechts" vom Kalifatsrecht zum Juristenrecht und dessen schariatischer Phase ab dem 13. Jahrhundert sind Ausdruck der gewandelten Bedeutung des Rechtsdenkens für die Praxis. Die juristische Ausgestaltung des Offenbarungsrechts, die auch in Theologie und Philosophie hineingriff, widerspricht der Vorstellung des prophetischen Vorbilds (Sunna) als alleinige Richtschnur im Frühislam - und damit Teilen des heutigen Verständnisses von "Scharia".