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Produktdetails
  • Haufe Schriftenreihe zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung
  • Verlag: Haufe-Lexware
  • 1998.
  • Seitenzahl: 356
  • Deutsch
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 424g
  • ISBN-13: 9783448036749
  • ISBN-10: 3448036749
  • Artikelnr.: 07395708
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.1996

Streitbar für die Diktatur
Hermann Klenner bekommt eine Festschrift

Recht und Ideologie. Festschrift für Hermann Klenner zum 70. Geburtstag. Haufe-Schriftenreihe zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, herausgegeben von Gerhard Haney, Werner Maihofer und Gerhard Sprenger. Rudolf Haufe Verlag, Freiburg und Berlin 1996. 552 Seiten, 98,- Mark.

Ein Jurist aus der ehemaligen DDR, Hermann Klenner, erhält zu seinem 70. Geburtstag eine Festschrift, herausgegeben von einem ostwestlich zusammengesetzten Gremium, darunter ein ehemaliger Bundesjustizminister. Interessante Beiträge sind darin, in denen über Recht und Gerechtigkeit nachgedacht wird, man macht sich Gedanken über Inhalt und Geltung der Menschenrechte, der Begriff der Ideologie wird um und um gewälzt. Kritische, aber auch nostalgische Blicke werden auf die DDR geworfen, und gelegentlich findet das probate Mittel Anwendung, den Ankläger anzuklagen.

Im Vorwort wird der Jubilar vorgestellt. Seltsam unkonkret. Er sei "stets streitbar" gewesen, sein Denken sei, "wie konnte es anders sein, immer auch in Gedanken gefaßte Zeit", dieses Denken nahm "teil an den herrschenden Gegensätzen, . . . stets von sozialer Verantwortung getragen", und dabei seien natürlich "Irrtümer und Holzwege" unvermeidlich gewesen.

Hermann Klenner war ein prominenter Mann, der auch international berühmt war und ist. Zu seinem Renommee hatte auch beigetragen, daß er gelegentlich mit seiner Partei, der SED, Schwierigkeiten hatte. Er mußte sogar eine zweijährige Amtszeit als Dorfbürgermeister einschalten und hatte andere berufliche Hürden zu überwinden. In seinen Schriften zeigte er eine gewisse Respektlosigkeit, und gelegentlich wurde er sogar als bunter Vogel tituliert. Im ihn umgebenden DDR-Grau war das einerseits nicht so schwierig, andererseits war das durchaus auch mit gewissen Risiken verbunden. Bemerkenswert waren seine große Belesenheit und sein späterer wissenschaftlicher Standpunkt, der dem Recht, anders als es Primitivmarxisten wollten, eine eigenständige und das staatliche Handeln begrenzende Funktion zuwies.

Beileibe war er aber kein ernsthafter Oppositioneller. Abgesehen davon, daß er vor der Enquête-Kommission des Bundestages über die DDR-Geschichte mit anzuerkennender Offenheit bekannte, daß er vor 1961 ja mit Leichtigkeit mittels einer Nahverkehrs-Fahrkarte in den Westen hätte gehen können, aber Ulbricht bewußt Adenauer vorgezogen habe, also die Parteidiktatur der parlamentarischen Demokratie, verdient sein internationales Wirken als Vertreter der DDR in Sachen Menschenrechte besondere Aufmerksamkeit. Auch publizistisch war er mit dieser Thematik hervorgetreten, und aus allem ergibt sich, daß er, streitbar, die westlichen Menschenrechtspositionen scharf angriff und die These vertrat, in Wirklichkeit seien die Menschenrechte im real existierenden Sozialismus gewahrt. Die oppositionellen Menschenrechtskämpfer in Osteuropa dürften das anders gesehen haben, und es ist schade, daß das Vorwort so einfach darüber hinweggeht.

Seit einigen Jahren ist aber auch ein nichtöffentliches streitbares Wirken des Jubilars bekanntgeworden. Guntolf Herzberg und jüngst Isolde Stark haben in Vorträgen und Artikeln darauf hingewiesen, daß Hermann Klenner viele Jahre lang und sogar noch nach dem Umbruch als Informeller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit unter dem Decknamen Klee zahlreiche Aufträge erfolgreich erledigt hat. Sie betrafen DDR-interne Angelegenheiten, sie bezogen sich aber vor allen Dingen auf seine zahlreichen Westkontakte. Während des Zusammenbruchs der DDR wurde er als vermeintlich Oppositioneller zum Vorsitzenden des Runden Tisches der Akademie der Wissenschaften der DDR gewählt, ohne daß die ihn Wählenden wußten, daß seine Tätigkeit dort in enger Abstimmung mit der Staatssicherheit geschah. Er selber hatte dem Ministerium schriftlich angeraten, es müsse "das MfS die Bedingungen absichern, unter denen der Umwälzungsprozeß in einer Richtung erfolgen kann, wie es unserer marxistisch-leninistischen Konzeption entspricht".

Angesichts dieser zum Teil längst öffentlich ausgesprochenen Sachverhalte ist es schwer zu verstehen, wieso ein Herausgebergremium unter den Bedingungen einer offenen Gesellschaft glaubt, sie mit undeutlichen Formulierungen übertünchen zu können. Bei kleineren Spitzeln und Mitläufern kann man die Dinge jedenfalls öffentlich auf sich beruhen lassen. Bei einem nicht unbedeutenden Gelehrten ist es aber doch ein ernsthaftes Problem, wie sich dessen wissenschaftliche Leistungen mit einer bewußten Entscheidung für eine totalitäre Diktatur vertragen, eine Entscheidung, die berufliche Unzuträglichkeiten in Kauf nimmt und sich sogar bis zu ausgedehnter Spitzeltätigkeit treiben läßt.

Ein Beitrag der Festschrift behandelt allerdings ein ähnliches Thema, weniger nachdenklich als voller selbstgewisser Anklage. Er handelt von dem Verhalten eines Juristen nach dem Sturz einer anderen totalitären Diktatur, der er sich zeitweise und in unentschuldbarer Intensität verschrieben hatte. Der Beitrag bemängelt bei ihm das Fehlen "selbstkritischer Bemerkungen mit Blick auf die legitimatorische Funktion seiner Schriften", und er tadelt eine "Wahrnehmungssperre für die Frage der Überwindung der einstigen Komplizenrolle". Gemeint ist natürlich Carl Schmitt, aber genau das so gekennzeichnete Verhalten ist es, was, wenn nicht Klenner selber, so doch die ihn Ehrenden hätten berücksichtigen müssen. Im übrigen hinkt natürlich der Vergleich beträchtlich. Abgesehen vom krassen Niveauunterschied der wissenschaftlichen Leistung beider Juristen, kann man Carl Schmitt gewiß viel vorwerfen, eines jedoch nicht: Er war kein geheimer Informant des Regimes. WOLFGANG SCHULLER

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