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Der Mord an Walter Lübcke markiert eine weitere Eskalationsstufe des rechten Terrorismus in Deutschland. Er ist weder als Zufall noch als Einzelfall erklärbar, sondern zeigt wie unter einem Brennglas die gegenwärtige Dynamik dieses Terrors. Denn dahinter steht eine Geschichte der Radikalisierung, die sich gut an den Biografien der Mörder von rechts und ihren Taten zeigen lässt. Martín Steinhagen erzählt die Geschichte des Opfers, des Täters, der Tat und beleuchtet das gesellschaftliche Klima, im dem das Attentat möglich wurde. Zugleich legt er Strategie, Taktik und Tradition des…mehr

Produktbeschreibung
Der Mord an Walter Lübcke markiert eine weitere Eskalationsstufe des rechten Terrorismus in Deutschland. Er ist weder als Zufall noch als Einzelfall erklärbar, sondern zeigt wie unter einem Brennglas die gegenwärtige Dynamik dieses Terrors. Denn dahinter steht eine Geschichte der Radikalisierung, die sich gut an den Biografien der Mörder von rechts und ihren Taten zeigen lässt.
Martín Steinhagen erzählt die Geschichte des Opfers, des Täters, der Tat und beleuchtet das gesellschaftliche Klima, im dem das Attentat möglich wurde. Zugleich legt er Strategie, Taktik und Tradition des Rechtsterrorismus in Deutschland offen - und die wachsende, sich wandelnde Bedrohung von rechts. Das erste Buch über den politischen Mord an Walter Lübcke und seine Wurzeln im neuen Rechtsextremismus

Autorenporträt
Martin Steinhagen ist freier Journalist. Er recherchiert seit Jahren zu Ursprung und Gegenwart der radikalen und militanten Rechten, darunter der NSU. Gemeinsam mit dem Investigativ-Ressort der ZEIT hat er seit Juni 2019 über den Mord an Walter Lübcke berichtet und den Prozess beobachtet. Er hat Politikwissenschaft und Philosophie in Frankfurt, New York und Tübingen studiert und war nach seinem Volontariat bei der Frankfurter Rundschau dort Politik-Redakteur.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Marlene Grunert findet bei Martin Steinhagen sowohl die nötige Empathie mit den Opfern rechtsextremer Taten als auch eine differenzierte wie nüchterne Betrachtung rechtsextremer Gewalt seit 1952 und eine analytische Erkundung dessen, wie Taten auf gesellschaftliche Stimmungen und Hetze folgen. Ausgehend von dem Mord an Walter Lübcke und dem folgenden Prozess bietet der Autor Grunert ein Panorama rechten Terrors in Deutschland und seiner Strukturen, eine gründliche Recherche zur Rolle des Verfassungsschutzes und eine Augen öffnende Kontextualisierung des Lübcke-Mordes.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2021

Heraus aus der Nische
Präzise Einblicke in die Strukturen des organisierten Rechtsextremismus

Inzwischen besteht über die gegenwärtige Gefahr des Rechtsextremismus Konsens. Höchste Stellen sprechen, spätestens seit Hanau, in Superlativen. Vom "rechten Bereich" gehe derzeit "die höchste Bedrohung für die Sicherheit in unserem Lande aus", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer nach den Morden. Der Verfassungsschutz teilt diese Einschätzung, ebenso der oberste Ermittler, Generalbundesanwalt Peter Frank.

In historischer Hinsicht dürften vielen die rechtsextremen Gewalttaten der Neunzigerjahre noch präsent sein, die pogromartigen Zusammenrottungen, die Angriffe und Brandstiftungen. Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln sind zu Chiffren dieser Zeit geworden. Der Rechtsterrorismus, der länger zurückliegt, ist dagegen kaum bekannt, geschweige denn im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Dabei sind die Kontinuitäten evident.

Umso wichtiger ist die Analyse, die der Journalist Martín Steinhagen nun vorgelegt hat. Im Mittelpunkt seines Buchs "Rechter Terror" steht der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Steinhagen, der den Prozess am Oberlandesgericht Frankfurt verfolgt hat, nimmt die Tat zum Anlass für ein umfassendes Panorama. Sein Buch ist weit mehr als das, was großen Strafprozessen häufig folgt, mehr als eine ausführliche Zusammenstellung gesammelter Gerichtsreportagen.

Eine Passage zu Beginn illustriert die Linien, um die es Steinhagen geht. Er schildert Aufruhr im Hessischen Landtag. Eine bewaffnete rechtsextreme Gruppe ist ausgehoben worden, Waffenverstecke, Todeslisten und fragwürdige Verbindungen zu Sicherheitsbehörden wurden bekannt. Die Gleichgesinnten trainierten in einer umgebauten Garage das Schießen; in ganz Deutschland sind sie vernetzt. Die Gruppe bereitete sich darauf vor, die Bundeswehr zu unterwandern, an einem Tag X sollten politische Gegner mit Waffengewalt angegriffen werden. Auf den Feindeslisten stehen ungefähr 80 Sozialdemokraten, daneben etwa der Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur. Im Landtag hat der Ministerpräsident volle Aufklärung versprochen, ein Untersuchungsausschuss soll kommen. Es ist das Jahr 1952.

Der "Technische Dienst" des in Frankfurt gegründeten "Bundes Deutscher Jugend" war damals aufgeflogen, eine der ersten rechtsextremistischen Organisationen, die es in der Bundesrepublik gab. Rückblickend muss man sagen: eine von vielen. Steinhagen veranschaulicht, dass schon die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik Vorläufer und Vorbilder für den Rechtsterrorismus unserer Zeit hervorgebracht haben. Das gilt sowohl in Bezug auf Ideologien und Strukturen als auch mit Blick auf die Strategie der Gewalt.

Mindestens 24 Menschen fielen dem Rechtsterrorismus laut Barbara Manthe bis 1990 zum Opfer, 40 Gruppen und Alleintäter lassen sich dem Spektrum bis dahin zuordnen. Die Historikerin ist eine von vielen Fachleuten, mit denen Steinhagen gesprochen hat. Manthe erforscht an der Universität Bielefeld den deutschen Rechtsterrorismus von 1945 bis 1990, den selbst die Geschichtswissenschaft erst seit einigen Jahren systematisch in den Blick nimmt.

Sie erklärt das bisherige Versäumnis einerseits damit, dass viele Historiker bis zur Selbstenttarnung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" die Einschätzung der Sicherheitsbehörden geteilt hätten, wonach es sich beim Rechtsterrorismus um ein Nischenphänomen handele. Außerdem habe sich die Geschichtswissenschaft aus guten Gründen lange auf die Erforschung des historischen Nationalsozialismus konzentriert. Den Diskurs um Innere Sicherheit und zeitgenössischen Terrorismus habe dann die "Rote Armee Fraktion" geprägt, auch Jahrzehnte nach dem "Deutschen Herbst" 1977. Manthe beobachtet außerdem die Tendenz, die Geschichte der Bundesrepublik als Erfolgsgeschichte der Demokratisierung zu erzählen.

Bei Steinhagen steht auch ein zu enger Begriff von "Terrorismus" in der Kritik. Dieser habe sich in einer Weise an der Gefährdung der staatlichen Ordnung orientiert, die Angriffe auf Minderheiten nicht in den Fokus nahm. Der Kritik ist zuzustimmen, inzwischen hat sich zum Glück etwas getan.

Die Thesen des Autors sind nicht neu; in den vergangenen Jahren sind einige Bücher zum Rechtsextremismus und zum Versagen deutscher Sicherheitsbehörden erschienen. Dieses sticht aber heraus. Auf der Grundlage ausführlicher Recherchen fasst Steinhagen nicht nur die Erkenntnisse zum Mord an Walter Lübcke zusammen und gewährt aufschlussreiche Einsichten in die Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes. Seine große Leistung besteht in der Kontextualisierung der Tat.

Er setzt die Biografie des Mörders Stephan Ernst immer wieder in Beziehung zu den Dynamiken der rechten Szene, aber auch zu gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Die Zusammenschau ist aufschlussreich. Der Leser bekommt präzise Einblicke in den gegenwärtigen Rechtsextremismus, seine Tradition, seine (natürlich) bestens vernetzten Protagonisten und seine über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen.

Der Autor geht auch den Dingen präzise auf den Grund, die schon oft phrasenhaft im Raum standen, etwa dem Satz: "Aus Worten werden Taten." Er liefert eine genaue Analyse dessen, was in den Jahren vor dem Mord online geschah, wie die dortige Stimmung in der realen Welt böse Früchte trug und welche Wirkung gesellschaftliches Klima auf diejenigen haben kann, die zu Gewalttaten tendenziell bereit sind.

Das alles schildert Steinhagen nüchtern und ohne Pathos. Wo es nötig ist, bleibt Raum für Differenzierungen. Und an den entscheidenden Stellen ist der Ton einfühlsam - dort, wo es um die Opfer und ihre Hinterbliebenen geht.

MARLENE GRUNERT

Martín Steinhagen: Rechter Terror. Der Mord an Walter Lübcke und die Strategie der Gewalt.

Rowohlt Polaris Verlag, Berlin 2021. 304 S., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Stellenweise fesselt das Sachbuch wie ein Krimi." Hessische Niedersächsische Allgemeine