Über fremdenfeindliche Gewalttaten, neonazistische Aufmärsche und rechtsextremistische Aktivitäten wird tagtäglich in den Medien berichtet. Das vorliegende Buch gibt eine zusammenfassende Einführung in die Geschichte und Gegenwart des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Es informiert über den ganzen Komplex rechtsextremistischer Erscheinungsformen und diskutiert die Ursachen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.1999Fein gewiegt
Das Wichtigste über Rechtsextremismus ohne packende These
Armin Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Beck'sche Reihe 2112. C. H. Beck Verlag, München 1999. 124 Seiten, 14,80 Mark.
Das Wichtigste über den Rechtsextremismus, seine Geschichte in der Bundesrepublik Deutschland, über das Wahlverhalten rechtsextremistischer Wähler und über seine Ursprünge will der Autor, Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, in diesem kleinen Band zusammenfassen. Als weltanschauliche Gemeinsamkeiten des Rechtsextremismus sieht er die Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, eine Ideologie der Ungleichheit, Antipluralismus und Autoritarismus - Schlüsselbegriffe sind nach seiner Ansicht "Rasse" und "Nation". Allerdings bleibt der Autor hier im Ungefähren - auf Hitler, Mussolini oder andere Vorbilder geht er nicht ein, auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit Blick auf den Kommunismus werden nicht diskutiert.
Überzeugender ist die knappe Darstellung der Entwicklung des rechtsextremen Parteienlagers in der Bundesrepublik. Pfahl-Traughber unterscheidet hier die erste Welle mit den Erfolgen der "Sozialistischen Reichspartei" Anfang der fünfziger Jahre (sie wurde im Herbst 1952 verboten) und die zweite Welle mit den Wahlerfolgen der NPD in den sechziger Jahren - 1966 bis 1968 konnte sie in sieben Landesparlamente einziehen, scheiterte aber mit 4,3 Prozent bei der Bundestagswahl 1969. Die dritte Welle, die immer noch andauere, sieht Pfahl-Traughber in den Wahlerfolgen der DVU und der Republikaner seit Ende der achtziger Jahre. Der NPD misst der Autor gegenwärtig als Wahlpartei wenig Bedeutung zu, aber als eine Kraft, die - insbesondere über die Jugendorganisation JN - junge Rechtsextreme organisieren könne, sei sie wichtig. Die NPD löst in jüngster Zeit auch die Grenzen zwischen den rechtsextremen Parteien und der Neonazi-Szene auf, deren Geschichte in den siebziger und achtziger Jahren (hier scharte sie sich vor allem um den verstorbenen Michael Kühnen) der Autor gesondert beschreibt. Auch die fremdenfeindliche Skinhead-Szene, die es seit den achtziger Jahren in der Bundesrepublik und auch in der DDR gab, wird kurz erwähnt.
Die Motive, rechtsextreme Parteien zu wählen, erschöpfen sich nach Ansicht des Autors nicht im unpolitischen Protest von Opfern der Modernisierung. Vielmehr müssten, so schreibt Pfahl-Traughber in Übereinstimmung mit dem Mainzer Wahlforscher Falter, ein rechtsextremes Weltbild, Protest und Politikverdrossenheit zusammenkommen. Wie aber kommt es zu rechtsextremistischen Einstellungen? Pfahl-Traughber diskutiert verschiedene Erklärungsansätze: psychologische (Resultat autoritärer Erziehung), soziale (Modernisierungsopfer suchen nach Orientierung), politische (Schuld ist die politische Kultur eines Landes).
Der Autor findet alle Erklärungsansätze für sich genommen wenig überzeugend und plädiert - wen wundert's - für eine differenzierte Gewichtung der verschiedenen Ansätze, wobei er jedoch selbst nichts Neues präsentiert. Auch was die Perspektiven des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik angeht, will sich Pfahl-Traughber lieber nicht festlegen: Zur Etablierung einer rechtsextremen Partei, die über ein Stammwählerpotential von mehr als fünf Prozent verfügte, werde es in nächster Zukunft nicht kommen, zumal es keine integrierende Führungsfigur für die rechtsextreme Parteienlandschaft gebe. Doch könne sich eine "informelle Gewaltkultur" von Jugendlichen rechtsextremer Prägung entwickeln, wie man sie in den neuen Ländern beobachte. Hierüber hätte man gern mehr erfahren. Da die Politik der ansteigenden Arbeitslosigkeit, den Folgen der Globalisierung, dem sozialen Niedergang und der Krise des Sozialstaates weitgehend tatenlos zusehe, wachse ein "rechtsextremistisch mobilisierbares Potential weiterhin an", schreibt Pfahl-Traughber schließlich mit nahezu klassenkämpferischem Unterton. "Dramatisierende Einschätzungen" sollten daraus aber dennoch nicht abgeleitet werden. Für eine wirklich interessante Darstellung ist der Band dann doch etwas zu ausgewogen.
MARKUS WEHNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Wichtigste über Rechtsextremismus ohne packende These
Armin Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Beck'sche Reihe 2112. C. H. Beck Verlag, München 1999. 124 Seiten, 14,80 Mark.
Das Wichtigste über den Rechtsextremismus, seine Geschichte in der Bundesrepublik Deutschland, über das Wahlverhalten rechtsextremistischer Wähler und über seine Ursprünge will der Autor, Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, in diesem kleinen Band zusammenfassen. Als weltanschauliche Gemeinsamkeiten des Rechtsextremismus sieht er die Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, eine Ideologie der Ungleichheit, Antipluralismus und Autoritarismus - Schlüsselbegriffe sind nach seiner Ansicht "Rasse" und "Nation". Allerdings bleibt der Autor hier im Ungefähren - auf Hitler, Mussolini oder andere Vorbilder geht er nicht ein, auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit Blick auf den Kommunismus werden nicht diskutiert.
Überzeugender ist die knappe Darstellung der Entwicklung des rechtsextremen Parteienlagers in der Bundesrepublik. Pfahl-Traughber unterscheidet hier die erste Welle mit den Erfolgen der "Sozialistischen Reichspartei" Anfang der fünfziger Jahre (sie wurde im Herbst 1952 verboten) und die zweite Welle mit den Wahlerfolgen der NPD in den sechziger Jahren - 1966 bis 1968 konnte sie in sieben Landesparlamente einziehen, scheiterte aber mit 4,3 Prozent bei der Bundestagswahl 1969. Die dritte Welle, die immer noch andauere, sieht Pfahl-Traughber in den Wahlerfolgen der DVU und der Republikaner seit Ende der achtziger Jahre. Der NPD misst der Autor gegenwärtig als Wahlpartei wenig Bedeutung zu, aber als eine Kraft, die - insbesondere über die Jugendorganisation JN - junge Rechtsextreme organisieren könne, sei sie wichtig. Die NPD löst in jüngster Zeit auch die Grenzen zwischen den rechtsextremen Parteien und der Neonazi-Szene auf, deren Geschichte in den siebziger und achtziger Jahren (hier scharte sie sich vor allem um den verstorbenen Michael Kühnen) der Autor gesondert beschreibt. Auch die fremdenfeindliche Skinhead-Szene, die es seit den achtziger Jahren in der Bundesrepublik und auch in der DDR gab, wird kurz erwähnt.
Die Motive, rechtsextreme Parteien zu wählen, erschöpfen sich nach Ansicht des Autors nicht im unpolitischen Protest von Opfern der Modernisierung. Vielmehr müssten, so schreibt Pfahl-Traughber in Übereinstimmung mit dem Mainzer Wahlforscher Falter, ein rechtsextremes Weltbild, Protest und Politikverdrossenheit zusammenkommen. Wie aber kommt es zu rechtsextremistischen Einstellungen? Pfahl-Traughber diskutiert verschiedene Erklärungsansätze: psychologische (Resultat autoritärer Erziehung), soziale (Modernisierungsopfer suchen nach Orientierung), politische (Schuld ist die politische Kultur eines Landes).
Der Autor findet alle Erklärungsansätze für sich genommen wenig überzeugend und plädiert - wen wundert's - für eine differenzierte Gewichtung der verschiedenen Ansätze, wobei er jedoch selbst nichts Neues präsentiert. Auch was die Perspektiven des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik angeht, will sich Pfahl-Traughber lieber nicht festlegen: Zur Etablierung einer rechtsextremen Partei, die über ein Stammwählerpotential von mehr als fünf Prozent verfügte, werde es in nächster Zukunft nicht kommen, zumal es keine integrierende Führungsfigur für die rechtsextreme Parteienlandschaft gebe. Doch könne sich eine "informelle Gewaltkultur" von Jugendlichen rechtsextremer Prägung entwickeln, wie man sie in den neuen Ländern beobachte. Hierüber hätte man gern mehr erfahren. Da die Politik der ansteigenden Arbeitslosigkeit, den Folgen der Globalisierung, dem sozialen Niedergang und der Krise des Sozialstaates weitgehend tatenlos zusehe, wachse ein "rechtsextremistisch mobilisierbares Potential weiterhin an", schreibt Pfahl-Traughber schließlich mit nahezu klassenkämpferischem Unterton. "Dramatisierende Einschätzungen" sollten daraus aber dennoch nicht abgeleitet werden. Für eine wirklich interessante Darstellung ist der Band dann doch etwas zu ausgewogen.
MARKUS WEHNER
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