Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Ethnologie / Volkskunde, Note: 1,0, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Jahr 2007 ging ein Foto um die ganze Welt. Es zeigt das elfjährige afghanische Mädchen Ghulam - am Tag ihrer Heirat mit einem 30 Jahre älteren Mann. Prämiert als "UNICEF-Foto des Jahres 2007" soll es auf einen großen gesellschaftlichen Missstand aufmerksam machen: Noch heute werden im ländlichen Afghanistan ca. 40% aller Mädchen unter einem Alter von 13 Jahren (zwangs-)verheiratet, obwohl das gesetzliche Mindestalter bei 16 Jahren liegt. Es ergibt sich daher die Frage, warum dieses Phänomen der so genannten Kinderheiraten weiterhin existiert. Wieso besitzt das afghanische staatliche Recht scheinbar nicht ausreichend Autorität; weshalb werden die Internationalen Menschenrechte in diesem Punkt einfach ignoriert? Woher erfahren solche Praktiken ihre Legitimation?Im Folgenden werde ich versuchen, auf diese Fragen eine Antwort zu finden. Dabei wende ich das Konzept "Rechtpluralismus" an, um die Gesetzes- und Rechtssituation in Afghanistan zu untersuchen. Dieser Terminus beschreibt den Zustand der Koexistenz und Überlagerung verschiedener Ordnungen innerhalb eines geographischen oder sozialen Raums. Laut Benda-Beckmann entsteht Rechtspluralismus dort, wo dynamische Prozesse das gesellschaftliche Zusammenleben nachhaltig verändern. Afghanistan ist wie kein anderes Land während der vergangenen 30 Jahre einem Wandel unterworfen -ausgelöst durch einen seit nunmehr 30 Jahren fortbestehenden Bürgerkrieg. Durch die damit verbundenen, zahlreichen Machtverschiebungen erfuhr Afghanistan diverse Transformationen seines Rechtssystems Als Konsequenz können dort heute vier unterschiedliche Quellen des Rechts identifiziert werden: Das staatliche Recht, das religiöse (in diesem Fall das islamische) Recht, das traditionelle Gewohnheitsrecht und das Internationale Recht.Nachdem ich im Rahmen meiner Untersuchung zunächst das analytische Konzept "Rechtspluralismus" vorstelle, werde ich darauf aufbauend die einzelnen Rechtsformen darstellen, voneinander abgrenzen und erste problematische Dichotomien aufzeigen. Dies werde ich anschließend anhand eines ausgewählten Beispieles aus dem Bereich des Familienrechts veranschaulichen, dabei erwies sich insbesondere der MPI-Bericht als sehr hilfreich.
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