Die Rechtstheorie befasst sich mit dem theoretischen Aufbau der Rechtsordnung und ihrer Rechtssätze sowie der Methodik zur Gewinnung rechtlicher Erkenntnisse.
Der Autor stellt auch die zentralen rechtsphilosophischen Ansätze dar und vermittelt das methodische Rüstzeug für die konkrete Anwendung des geltenden Rechts.
Damit umfasst der verständlich und zum Mitdenken anregende Band auch eine Methodenlehre, deren Beherrschung für jeden Umgang mit jedem Rechtsgebiet unerlässlich ist.
Vorteile auf einen Blick
- Darstellung von Rechtstheorie und juristischer Methodenlehre in einem Band
- behandelt umfassend die wesentlichen Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze
Zur Neuauflage
Für die 9. Auflage sind neue Literatur und Rechtsprechung bis Juni 2016 berücksichtigt. Inhaltlicher Schwerpunkte der Neuauflage sind europarechtliche Einflüsse auf die Rechtsanwendung sowie die Vertiefung der Kritik an einer zunehmenden Kompetenzüberschreitung der Gerichte, namentlich durch das BVerfG.
Zielgruppe
Für Studierende und rechtspolitisch Interessierte.
Der Autor stellt auch die zentralen rechtsphilosophischen Ansätze dar und vermittelt das methodische Rüstzeug für die konkrete Anwendung des geltenden Rechts.
Damit umfasst der verständlich und zum Mitdenken anregende Band auch eine Methodenlehre, deren Beherrschung für jeden Umgang mit jedem Rechtsgebiet unerlässlich ist.
Vorteile auf einen Blick
- Darstellung von Rechtstheorie und juristischer Methodenlehre in einem Band
- behandelt umfassend die wesentlichen Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze
Zur Neuauflage
Für die 9. Auflage sind neue Literatur und Rechtsprechung bis Juni 2016 berücksichtigt. Inhaltlicher Schwerpunkte der Neuauflage sind europarechtliche Einflüsse auf die Rechtsanwendung sowie die Vertiefung der Kritik an einer zunehmenden Kompetenzüberschreitung der Gerichte, namentlich durch das BVerfG.
Zielgruppe
Für Studierende und rechtspolitisch Interessierte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2016Überall Sozialisten
Wenn Recht zu Unrecht wird - etwa im Mietrecht
Der Autor Moritz von Uslar berichtete kürzlich in der "Zeit", wie er Anna Müller, Tochter des verstorbenen Dramatikers Heiner Müller, nach dem Sozialismus fragt: Wie stehe sie dazu? Uslar beschreibt die Reaktion der 23 Jahre alten Frau: Gelächter. Freude. Und ihre Gegenfrage: "Darf ich dazu auch gar nicht stehen?" Der Studentin der Kulturwissenschaften in Frankfurt/Oder fällt zum Sozialismus nichts mehr ein.
Ist das gut oder gefährlich? Gut, weil der Irrweg der Planwirtschaft niemanden mehr interessiert, und gleichzeitig gefährlich, weil man wissen sollte, von wem man sich nicht verführen lassen darf. Gleiches gilt für den noch weiter zurückliegenden nationalen Sozialismus, der eine singuläre Katastrophe war. Auch wenn es sich die Pokémon-Go-Generation nur schwer vorstellen kann: die Epochen der beiden deutschen Diktaturen liegen nicht lange zurück. Wirtschaftliche und bürgerliche Freiheiten wurden nicht nur 1848 oder 1989 erkämpft, sondern müssen täglich verteidigt werden.
Dabei spielt das Recht eine große Rolle und mehr noch als die Rechtsetzung vor allem seine Auslegung und Anwendung. Deshalb ist die Kontrolle der Gerichte so wichtig: Der Weg in einen roten oder braunen Sozialismus kann schleichend beschritten werden - oft mit gutem Willen, aber immer mit katastrophalen Folgen. Aus diesem Grund sollte man erkennen, wenn sich freiheitliches Recht zu einem die Freiheit einschränkenden Unrecht zu wandeln beginnt.
Der Tübinger Zivilrechtler Jan Schröder hat nun eine kurze und informative Schrift zur juristischen Methodenlehre im NS-Staat und in der DDR vorgelegt. Darin zeigt Schröder, wie sich die beiden diktatorischen Rechtssysteme ähnelten: "In ihren Wesenszügen stimmt die Rechtstheorie des sozialistischen Staates mit der des nationalsozialistischen überein. Der Wille des Diktators (Führers, Partei) ist maßgeblich, wenn man diesen kennt, sonst kommt es auf die offizielle Weltanschauung (völkisches Prinzip, Marxismus-Leninismus) an." Mögliche Widersprüche werden aufgelöst durch die Fiktion, dass der Diktator als "Geschäftsführer des Volksgeists" (NS) oder kraft überlegener wissenschaftlicher Einsicht (DDR) immer auch das ideologisch Richtige trifft.
Ein Beispiel dafür ist das Landwirtschaftsrecht im SED-Staat. Hier wurde besonders energisch versucht, kollektivistische Ziele gegen den Gesetzeswortlaut zu verwirklichen. Nach dem "Musterstatut für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) Typ III" konnte ein Mitglied nach Abschluss der Ernte aus dem Kollektiv austreten, wenn nicht die Mitgliederversammlung einem früheren Austritt zustimmte. Das Oberste Gericht der DDR entschied jedoch, dass die Mitgliederversammlung auch einem Austritt nach der Ernte widersprechen kann.
Ein Mitglied könne überhaupt nur "aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen aus der Genossenschaft ausscheiden", wurde 1963 verkündet - ein Urteil, dem Gregor Gysi in seiner Dissertation aus dem Jahre 1975 zustimmte. Ein weiteres Beispiel ist das Vertragsrecht. Dort gingen die Gerichte gerne zugunsten des vermeintlich sozial Schwächeren über den Wortlaut von Paragraphen hinaus.
Nach dem Zivilgesetzbuch der DDR musste ein Vermieter seinem Mieter die Kosten "notwendiger Reparaturen" erstatten. Das wendete das Bezirksgericht Suhl auch auf die Kosten für einen Herd an, den ein Mieter in eine (ohne Herd) gemietete Wohnung stellte. Weniger großzügig gegenüber Mietern waren die Gerichte allerdings dann, wenn auf der anderen Seite ein sozialistisches Kollektiv stand. Hier konnte gegen den Wortlaut und damit gegen den Mieter entschieden werden.
Der Doyen der juristischen Unrechtsforschung, Bernd Rüthers, hat die unbegrenzte Auslegung in den Rechtssystemen der beiden deutschen Diktaturen umfassend untersucht. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er gegen ähnliche Entwicklungen heutzutage polemisiert. Denn immer wieder überschreiten Gerichte die Wortlautgrenze von Gesetzesnormen. "Deutschland wandelt sich von einem Gesetzesstaat zu einem Richterstaat", resümierte Rüthers vor einigen Jahren in dieser Zeitung.
Doch wann verlässt ein Gericht den noch zulässigen Boden der Rechtsauslegung und Rechtsfindung und begibt sich auf gefährliche Pfade? Im 4. Kapitel ihrer Rechtstheorie beschreiben Bernd Rüthers, Christian Fischer und Axel Birk diese Grenze: "Es ist ein beträchtlicher Unterschied für die Funktionsweise von Justiz und Recht, ob ein Gericht sagt, diese meine Entscheidung folgt objektiv aus dem Gesetz, oder ob es eingesteht: Das Gesetz regelt diese Frage nicht. Aus unserer Sicht besteht eine Lücke. Sie ist nach Ansicht des Gerichts rechtspolitisch im Sinne der getroffenen Entscheidung zu schließen." Das bedeutet den Verzicht auf einen scheinwissenschaftlichen Objektivitätsanspruch. In der DDR wäre diese Offenheit undenkbar gewesen - dort wurden Lücken im Gesetz wegen des Dogmas der "sozialistischen Gesetzlichkeit" nur ungern eingestanden.
Im Nationalsozialismus wurden Lücken "objektiv" durch das sogenannte Volksempfinden geschlossen. Die deutschen Diktaturen waren das Zeitalter der Scheinargumente. Deshalb ist es so wichtig, dass junge Menschen die Rechtsanwendung immer wieder hinterfragen - kritisch, aber nicht anmaßend; im wissenschaftlichen und politischen Diskurs, aber nicht alarmierend-übertreibend. Dazu kann die Schrift von Schröder eine ebenso große Hilfe sein wie das vortreffliche Werk von Rüthers, Fischer und Birk: das in vielerlei Hinsicht wichtigste Lehrbuch zum Recht, das es in Deutschland gibt. Es ist flüssig geschrieben und deshalb auch der Kulturwissenschaftsstudentin Anna Müller mit Freude zu empfehlen.
JOCHEN ZENTHÖFER
Jan Schröder: Rechtswissenschaft in Diktaturen. Verlag C.H. Beck, München 2016. 146 Seiten. 39 Euro.
Bernd Rüthers, Christian Fischer und Axel Birk: Rechtstheorie. Mit juristischer Methodenlehre. Verlag C.H. Beck, 8. Auflage 2015. 610 Seiten. 32,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn Recht zu Unrecht wird - etwa im Mietrecht
Der Autor Moritz von Uslar berichtete kürzlich in der "Zeit", wie er Anna Müller, Tochter des verstorbenen Dramatikers Heiner Müller, nach dem Sozialismus fragt: Wie stehe sie dazu? Uslar beschreibt die Reaktion der 23 Jahre alten Frau: Gelächter. Freude. Und ihre Gegenfrage: "Darf ich dazu auch gar nicht stehen?" Der Studentin der Kulturwissenschaften in Frankfurt/Oder fällt zum Sozialismus nichts mehr ein.
Ist das gut oder gefährlich? Gut, weil der Irrweg der Planwirtschaft niemanden mehr interessiert, und gleichzeitig gefährlich, weil man wissen sollte, von wem man sich nicht verführen lassen darf. Gleiches gilt für den noch weiter zurückliegenden nationalen Sozialismus, der eine singuläre Katastrophe war. Auch wenn es sich die Pokémon-Go-Generation nur schwer vorstellen kann: die Epochen der beiden deutschen Diktaturen liegen nicht lange zurück. Wirtschaftliche und bürgerliche Freiheiten wurden nicht nur 1848 oder 1989 erkämpft, sondern müssen täglich verteidigt werden.
Dabei spielt das Recht eine große Rolle und mehr noch als die Rechtsetzung vor allem seine Auslegung und Anwendung. Deshalb ist die Kontrolle der Gerichte so wichtig: Der Weg in einen roten oder braunen Sozialismus kann schleichend beschritten werden - oft mit gutem Willen, aber immer mit katastrophalen Folgen. Aus diesem Grund sollte man erkennen, wenn sich freiheitliches Recht zu einem die Freiheit einschränkenden Unrecht zu wandeln beginnt.
Der Tübinger Zivilrechtler Jan Schröder hat nun eine kurze und informative Schrift zur juristischen Methodenlehre im NS-Staat und in der DDR vorgelegt. Darin zeigt Schröder, wie sich die beiden diktatorischen Rechtssysteme ähnelten: "In ihren Wesenszügen stimmt die Rechtstheorie des sozialistischen Staates mit der des nationalsozialistischen überein. Der Wille des Diktators (Führers, Partei) ist maßgeblich, wenn man diesen kennt, sonst kommt es auf die offizielle Weltanschauung (völkisches Prinzip, Marxismus-Leninismus) an." Mögliche Widersprüche werden aufgelöst durch die Fiktion, dass der Diktator als "Geschäftsführer des Volksgeists" (NS) oder kraft überlegener wissenschaftlicher Einsicht (DDR) immer auch das ideologisch Richtige trifft.
Ein Beispiel dafür ist das Landwirtschaftsrecht im SED-Staat. Hier wurde besonders energisch versucht, kollektivistische Ziele gegen den Gesetzeswortlaut zu verwirklichen. Nach dem "Musterstatut für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) Typ III" konnte ein Mitglied nach Abschluss der Ernte aus dem Kollektiv austreten, wenn nicht die Mitgliederversammlung einem früheren Austritt zustimmte. Das Oberste Gericht der DDR entschied jedoch, dass die Mitgliederversammlung auch einem Austritt nach der Ernte widersprechen kann.
Ein Mitglied könne überhaupt nur "aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen aus der Genossenschaft ausscheiden", wurde 1963 verkündet - ein Urteil, dem Gregor Gysi in seiner Dissertation aus dem Jahre 1975 zustimmte. Ein weiteres Beispiel ist das Vertragsrecht. Dort gingen die Gerichte gerne zugunsten des vermeintlich sozial Schwächeren über den Wortlaut von Paragraphen hinaus.
Nach dem Zivilgesetzbuch der DDR musste ein Vermieter seinem Mieter die Kosten "notwendiger Reparaturen" erstatten. Das wendete das Bezirksgericht Suhl auch auf die Kosten für einen Herd an, den ein Mieter in eine (ohne Herd) gemietete Wohnung stellte. Weniger großzügig gegenüber Mietern waren die Gerichte allerdings dann, wenn auf der anderen Seite ein sozialistisches Kollektiv stand. Hier konnte gegen den Wortlaut und damit gegen den Mieter entschieden werden.
Der Doyen der juristischen Unrechtsforschung, Bernd Rüthers, hat die unbegrenzte Auslegung in den Rechtssystemen der beiden deutschen Diktaturen umfassend untersucht. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er gegen ähnliche Entwicklungen heutzutage polemisiert. Denn immer wieder überschreiten Gerichte die Wortlautgrenze von Gesetzesnormen. "Deutschland wandelt sich von einem Gesetzesstaat zu einem Richterstaat", resümierte Rüthers vor einigen Jahren in dieser Zeitung.
Doch wann verlässt ein Gericht den noch zulässigen Boden der Rechtsauslegung und Rechtsfindung und begibt sich auf gefährliche Pfade? Im 4. Kapitel ihrer Rechtstheorie beschreiben Bernd Rüthers, Christian Fischer und Axel Birk diese Grenze: "Es ist ein beträchtlicher Unterschied für die Funktionsweise von Justiz und Recht, ob ein Gericht sagt, diese meine Entscheidung folgt objektiv aus dem Gesetz, oder ob es eingesteht: Das Gesetz regelt diese Frage nicht. Aus unserer Sicht besteht eine Lücke. Sie ist nach Ansicht des Gerichts rechtspolitisch im Sinne der getroffenen Entscheidung zu schließen." Das bedeutet den Verzicht auf einen scheinwissenschaftlichen Objektivitätsanspruch. In der DDR wäre diese Offenheit undenkbar gewesen - dort wurden Lücken im Gesetz wegen des Dogmas der "sozialistischen Gesetzlichkeit" nur ungern eingestanden.
Im Nationalsozialismus wurden Lücken "objektiv" durch das sogenannte Volksempfinden geschlossen. Die deutschen Diktaturen waren das Zeitalter der Scheinargumente. Deshalb ist es so wichtig, dass junge Menschen die Rechtsanwendung immer wieder hinterfragen - kritisch, aber nicht anmaßend; im wissenschaftlichen und politischen Diskurs, aber nicht alarmierend-übertreibend. Dazu kann die Schrift von Schröder eine ebenso große Hilfe sein wie das vortreffliche Werk von Rüthers, Fischer und Birk: das in vielerlei Hinsicht wichtigste Lehrbuch zum Recht, das es in Deutschland gibt. Es ist flüssig geschrieben und deshalb auch der Kulturwissenschaftsstudentin Anna Müller mit Freude zu empfehlen.
JOCHEN ZENTHÖFER
Jan Schröder: Rechtswissenschaft in Diktaturen. Verlag C.H. Beck, München 2016. 146 Seiten. 39 Euro.
Bernd Rüthers, Christian Fischer und Axel Birk: Rechtstheorie. Mit juristischer Methodenlehre. Verlag C.H. Beck, 8. Auflage 2015. 610 Seiten. 32,90 Euro.
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