In der Mediävistik werden die Formen und Verfahren mittelalterlicher Konfliktbewältigung zunehmend aus der Perspektive der daran beteiligten Personen beleuchtet, um größere Sensibilität für die Wahrnehmungs- und Handlungsbedingungen in mittelalterlichen Gesellschaften zu gewinnen. Die Beiträge des Bandes betrachten mittelalterliche Rechtsverfahren und Konfliktlösungsformen in ihrem gesellschaftlichen, schriftkulturellen und politischen Kontext und arbeiten die von den Akteuren in der konkreten Konfliktsituation gewählten Handlungsstrategien heraus. Die gerichtlich und außergerichtlich verfolgten Strategien reichen von ad hoc entwickelten, sukzessiv angewandten Lösungen über die Berufung auf allgemeine Normen, die Ausnutzung von Spielräumen und die Einschaltung von Vermittlern bis hin zur Anwendung nackter Gewalt. Vor dem Hintergrund dieser Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten wird das komplexe Wechselverhältnis deutlich, in welchem rechtliches Denken, zweckrationales Handeln, soziale Lebenswelt und Öffentlichkeit im Mittelalter zueinander standen.