Produktdetails
- Verlag: Harper Collins
- ISBN-13: 9780061567582
- Artikelnr.: 23184584
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2008Ein Leben für Pakistans Wiedergeburt
Wie die ermordete Benazir Bhutto sich sah / Von Hans-Christian Rößler
ISLAMABAD, 18. Februar
Bis wenige Tage vor ihrem Tod soll Benazir Bhutto an dem Manuskript gearbeitet haben. Keine zwei Monate nach dem Tode der früheren pakistanischen Ministerpräsidentin, die als Oppositionsführerin im Wahlkampf am 27. Dezember 2007 in Rawalpindi einem Anschlag erlag, ist das Buch "Versöhnung" erschienen. Ihr amerikanischer Verlag schaffte es, das Werk wenige Tage vor der Parlamentswahl auf den Markt zu bringen. Trotz oder vielleicht gerade wegen des Todes ihrer Vorsitzenden gab sich die Pakistanische Volkspartei (PPP) am Montag siegesgewiss.
Von dem Glauben, dass sie - mit der PPP - in Pakistan eine historische Mission zu erfüllen habe, war Benazir Bhutto bis zu der letzten Wahlkampfveranstaltung in Rawalpindi erfüllt, wo ein Selbstmordattentäter auf sie wartete. In ihrem bisher nur auf Englisch veröffentlichten Buch lässt sie keinen Zweifel daran, dass ihr Lebensweg und "der lange Weg Pakistans zurück zur Demokratie" dasselbe seien. Ihre Rückkehr aus dem Exil im Oktober 2007 verstand sie als einen "Katalysator für den Wandel". Benazir Bhutto wollte die "Ära der Renaissance" Pakistans Wirklichkeit werden lassen, die ihr 1979 hingerichteter Vater begonnen habe, wie sie schreibt.
Dass diese Wiedergeburt so lange auf sich warten ließ, lag nach ihrer Ansicht stets an anderen: Von Kritik an sich selbst und der eigenen Familie ist auf den 321 Seiten nichts zu lesen, stattdessen von ihrem Kampf, der ihr in der Tat vor allem anfangs viel abverlangte: Militärdiktator Zia-ul-Haq steckte sie ins Gefängnis, das zeitweise aus einem Käfig in der sengenden Wüstensonne bestand. Kaum war sie zum ersten Mal Ministerpräsidentin, formierte sich eine "Achse aus dem (pakistanischen Geheimdienst) ISI und Dschihadisten", wie es sie nannte. Die habe ihr nach dem Leben getrachtet und sie mit allen Mitteln aus dem Amt jagen wollen, weil sie für Demokratie eingetreten sei. Diffamierung und Korruptionsvorwürfe, besonders gegen ihren Ehemann Asif Ali Zardari, hätten von Anfang an dazugehört.
Sie selbst ist sich keiner Schuld daran bewusst, dass sie nach nicht einmal zwei Jahren im Amt abgelöst wurde. Und mit keinem Wort geht sie darauf ein, dass europäische Staatsanwälte immer noch wegen Geldwäsche gegen ihre Familie ermitteln. Das "Wall Street Journal" schätzte im vergangenen Sommer, dass ihr Clan sich während ihrer beiden Amtszeiten um hundert Millionen oder auch um bis zu eineinhalb Milliarden Dollar bereichert habe.
Frau Bhutto stellt sich dagegen als kompromisslose Kämpferin für Frauenrechte und einen gerechten Islam dar. Von 2006 an war sie jedoch bereit, mit Präsident Musharraf über ihre Rückkehr nach Pakistan zu verhandeln. Sie hielt das für gerechtfertigt, weil ihr Land mit Hilfe ihrer Partei endlich aus dem "Kreislauf der Diktatur ausbrechen" könne. Zwei Mal hatte sie vor ihrer Heimkehr in Abu Dhabi selbst mit ihm gesprochen und darauf beharrt, dass Musharraf wenigstens als Armeechef zurücktrete. Genaueres über die Verhandlungen verrät sie nicht. Umso detaillierter schildert sie, wie sehr sie sich von Musharraf schon am Tag ihrer Heimkehr verlassen und verraten fühlte. Seine Leute hätten Namen und Telefonnummern derjenigen gekannt, die sie töten wollten, sowie deren Unterstützer aus dem Machtapparat. Sie hätten aber nichts unternommen. Unter den vier Gruppen der Attentäter sei auch Omar Bin Ladin, einer der Söhne des Al-Qaida-Gründers, gewesen; einer der Täter habe versucht, ein mit einer Bombe versehenes Kleinkind zuzureichen.
Nur wenige Seiten des Buches, bei dessen Abfassung ihr inoffizieller Sprecher in Amerika, Mark Siegel, sie offenbar sehr unterstützte, handeln von ihren letzten Lebensmonaten. Der größte Teil befasst sich mit dem, was der Titel ankündigt: "Versöhnung: Islam, Demokratie und der Westen". Versehen mit langen Zitaten aus dem Koran, aber auch von Samuel Huntington und Ayaan Ali Hirsi, macht sie einen schnellen Ritt durch Demokratie- und Religionsgeschichte, um zu zeigen, dass aus ihrer Sicht der Islam sehr wohl mit Demokratie, Frauenemanzipation und Fortschritt zu versöhnen sei. Doch dafür müssten alle noch viel tun, auch der Westen, von dem sie sich einen Marshallplan für die islamische Welt wünscht. Anders als in den autobiographischen Passagen sind in diesen Kapiteln auch kritische Töne gegenüber der eigenen Gemeinschaft zu hören. So beklagt sie die "mangelnde Bereitschaft in der muslimischen Welt, den Blick nach innen zu richten und herauszufinden, wo wir vielleicht selbst in die Irre gehen".
Benazir Bhutto: Reconciliation - Islam, Democracy, and the West. Harper Collins. New York, 2008. 336 Seiten, 27,95 Dollar
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie die ermordete Benazir Bhutto sich sah / Von Hans-Christian Rößler
ISLAMABAD, 18. Februar
Bis wenige Tage vor ihrem Tod soll Benazir Bhutto an dem Manuskript gearbeitet haben. Keine zwei Monate nach dem Tode der früheren pakistanischen Ministerpräsidentin, die als Oppositionsführerin im Wahlkampf am 27. Dezember 2007 in Rawalpindi einem Anschlag erlag, ist das Buch "Versöhnung" erschienen. Ihr amerikanischer Verlag schaffte es, das Werk wenige Tage vor der Parlamentswahl auf den Markt zu bringen. Trotz oder vielleicht gerade wegen des Todes ihrer Vorsitzenden gab sich die Pakistanische Volkspartei (PPP) am Montag siegesgewiss.
Von dem Glauben, dass sie - mit der PPP - in Pakistan eine historische Mission zu erfüllen habe, war Benazir Bhutto bis zu der letzten Wahlkampfveranstaltung in Rawalpindi erfüllt, wo ein Selbstmordattentäter auf sie wartete. In ihrem bisher nur auf Englisch veröffentlichten Buch lässt sie keinen Zweifel daran, dass ihr Lebensweg und "der lange Weg Pakistans zurück zur Demokratie" dasselbe seien. Ihre Rückkehr aus dem Exil im Oktober 2007 verstand sie als einen "Katalysator für den Wandel". Benazir Bhutto wollte die "Ära der Renaissance" Pakistans Wirklichkeit werden lassen, die ihr 1979 hingerichteter Vater begonnen habe, wie sie schreibt.
Dass diese Wiedergeburt so lange auf sich warten ließ, lag nach ihrer Ansicht stets an anderen: Von Kritik an sich selbst und der eigenen Familie ist auf den 321 Seiten nichts zu lesen, stattdessen von ihrem Kampf, der ihr in der Tat vor allem anfangs viel abverlangte: Militärdiktator Zia-ul-Haq steckte sie ins Gefängnis, das zeitweise aus einem Käfig in der sengenden Wüstensonne bestand. Kaum war sie zum ersten Mal Ministerpräsidentin, formierte sich eine "Achse aus dem (pakistanischen Geheimdienst) ISI und Dschihadisten", wie es sie nannte. Die habe ihr nach dem Leben getrachtet und sie mit allen Mitteln aus dem Amt jagen wollen, weil sie für Demokratie eingetreten sei. Diffamierung und Korruptionsvorwürfe, besonders gegen ihren Ehemann Asif Ali Zardari, hätten von Anfang an dazugehört.
Sie selbst ist sich keiner Schuld daran bewusst, dass sie nach nicht einmal zwei Jahren im Amt abgelöst wurde. Und mit keinem Wort geht sie darauf ein, dass europäische Staatsanwälte immer noch wegen Geldwäsche gegen ihre Familie ermitteln. Das "Wall Street Journal" schätzte im vergangenen Sommer, dass ihr Clan sich während ihrer beiden Amtszeiten um hundert Millionen oder auch um bis zu eineinhalb Milliarden Dollar bereichert habe.
Frau Bhutto stellt sich dagegen als kompromisslose Kämpferin für Frauenrechte und einen gerechten Islam dar. Von 2006 an war sie jedoch bereit, mit Präsident Musharraf über ihre Rückkehr nach Pakistan zu verhandeln. Sie hielt das für gerechtfertigt, weil ihr Land mit Hilfe ihrer Partei endlich aus dem "Kreislauf der Diktatur ausbrechen" könne. Zwei Mal hatte sie vor ihrer Heimkehr in Abu Dhabi selbst mit ihm gesprochen und darauf beharrt, dass Musharraf wenigstens als Armeechef zurücktrete. Genaueres über die Verhandlungen verrät sie nicht. Umso detaillierter schildert sie, wie sehr sie sich von Musharraf schon am Tag ihrer Heimkehr verlassen und verraten fühlte. Seine Leute hätten Namen und Telefonnummern derjenigen gekannt, die sie töten wollten, sowie deren Unterstützer aus dem Machtapparat. Sie hätten aber nichts unternommen. Unter den vier Gruppen der Attentäter sei auch Omar Bin Ladin, einer der Söhne des Al-Qaida-Gründers, gewesen; einer der Täter habe versucht, ein mit einer Bombe versehenes Kleinkind zuzureichen.
Nur wenige Seiten des Buches, bei dessen Abfassung ihr inoffizieller Sprecher in Amerika, Mark Siegel, sie offenbar sehr unterstützte, handeln von ihren letzten Lebensmonaten. Der größte Teil befasst sich mit dem, was der Titel ankündigt: "Versöhnung: Islam, Demokratie und der Westen". Versehen mit langen Zitaten aus dem Koran, aber auch von Samuel Huntington und Ayaan Ali Hirsi, macht sie einen schnellen Ritt durch Demokratie- und Religionsgeschichte, um zu zeigen, dass aus ihrer Sicht der Islam sehr wohl mit Demokratie, Frauenemanzipation und Fortschritt zu versöhnen sei. Doch dafür müssten alle noch viel tun, auch der Westen, von dem sie sich einen Marshallplan für die islamische Welt wünscht. Anders als in den autobiographischen Passagen sind in diesen Kapiteln auch kritische Töne gegenüber der eigenen Gemeinschaft zu hören. So beklagt sie die "mangelnde Bereitschaft in der muslimischen Welt, den Blick nach innen zu richten und herauszufinden, wo wir vielleicht selbst in die Irre gehen".
Benazir Bhutto: Reconciliation - Islam, Democracy, and the West. Harper Collins. New York, 2008. 336 Seiten, 27,95 Dollar
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