Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2013Engländer verstehen
Im Jahr 1915 kehrte Mohandas K. Gandhi aus Südafrika nach Indien zurück. Eine Dekade später hatte er sich als führender Kopf der nationalistischen Bewegung gegen die britische Kolonialherrschaft etabliert. Der Mahatma war jedoch keineswegs der Erste, der sich in Indien für politische Freiheit und soziale Reformen starkmachte. Wie Christopher Bayly in seiner glänzenden Studie zeigt, begannen Inder bereits hundert Jahre vor Gandhi über Wege demokratischer Veränderungen zu debattieren. Die ersten indischen Liberalen zeigten großes Interesse an der Welt außerhalb des Subkontinents. Sie hatten Denker wie John Locke, John Stuart Mill und Jeremy Bentham rezipiert und sich mit den Kämpfen um Bürgerrechte in Europa und Lateinamerika vertraut gemacht. Indische Intellektuelle nutzten früh die Sprache der britischen Kolonialherren, um sich Ideen und Konzepte anzueignen, die, so Bayly, "weit über den unmittelbaren Inkubus kolonialer Herrschaft hinausgingen". Einer der "Helden" des Buches ist Rammohon Roy (1772-1833), ein kosmopolitisch ausgerichteter bengalischer Gelehrter und Dichter, dessen Bestreben es war, "eine indische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft von Grund auf zu entwickeln". Der in Cambridge lehrende Südasien-Spezialist Bayly, auch hierzulande bekannt geworden mit "Die Geburt der modernen Welt", einer Globalgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, zeigt mustergültig die Möglichkeiten einer "global intellectual history" auf. (Christopher A. Bayly: "Recovering Liberties". Indian Thought in the Age of Liberalism and Empire. Cambridge University Press, Cambridge 2012. 393 S., br., 24,79 [Euro].) eck
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Im Jahr 1915 kehrte Mohandas K. Gandhi aus Südafrika nach Indien zurück. Eine Dekade später hatte er sich als führender Kopf der nationalistischen Bewegung gegen die britische Kolonialherrschaft etabliert. Der Mahatma war jedoch keineswegs der Erste, der sich in Indien für politische Freiheit und soziale Reformen starkmachte. Wie Christopher Bayly in seiner glänzenden Studie zeigt, begannen Inder bereits hundert Jahre vor Gandhi über Wege demokratischer Veränderungen zu debattieren. Die ersten indischen Liberalen zeigten großes Interesse an der Welt außerhalb des Subkontinents. Sie hatten Denker wie John Locke, John Stuart Mill und Jeremy Bentham rezipiert und sich mit den Kämpfen um Bürgerrechte in Europa und Lateinamerika vertraut gemacht. Indische Intellektuelle nutzten früh die Sprache der britischen Kolonialherren, um sich Ideen und Konzepte anzueignen, die, so Bayly, "weit über den unmittelbaren Inkubus kolonialer Herrschaft hinausgingen". Einer der "Helden" des Buches ist Rammohon Roy (1772-1833), ein kosmopolitisch ausgerichteter bengalischer Gelehrter und Dichter, dessen Bestreben es war, "eine indische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft von Grund auf zu entwickeln". Der in Cambridge lehrende Südasien-Spezialist Bayly, auch hierzulande bekannt geworden mit "Die Geburt der modernen Welt", einer Globalgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, zeigt mustergültig die Möglichkeiten einer "global intellectual history" auf. (Christopher A. Bayly: "Recovering Liberties". Indian Thought in the Age of Liberalism and Empire. Cambridge University Press, Cambridge 2012. 393 S., br., 24,79 [Euro].) eck
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