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Paul Sauer porträtiert im vorliegenden Band König Wilhelm I., der fast ein halbes Jahrhundert an der Spitze des Landes Württemberg stand. Er beschreibt dabei die Entstehung eines modernen Staatswesens und das Leben bei Hof vor eineinhalb Jahrhunderten.

Produktbeschreibung
Paul Sauer porträtiert im vorliegenden Band König Wilhelm I., der fast ein halbes Jahrhundert an der Spitze des Landes Württemberg stand. Er beschreibt dabei die Entstehung eines modernen Staatswesens und das Leben bei Hof vor eineinhalb Jahrhunderten.
Autorenporträt
Professor Dr. Paul Sauer ist einer der angesehensten Landeshistoriker Baden-Württembergs. 1931 geboren, studierte er Geschichte, Germanistik, Anglistik und Philosophie an den Universitäten Tübingen und Freiburg im Breisgau. 1956 promovierte Sauer in Freiburg zum Dr. phil., danach trat er in den Archivdienst des Landes Baden-Württemberg ein. Er war am Staatsarchiv Sigmaringen, am Generallandesarchiv Karlsruhe und über 25 Jahre lang am Hauptstaatsarchiv Stuttgart tätig - zuletzt als stellvertretender Direktor -, bevor er 1986 die Leitung des Stuttgarter Stadtarchivs übernahm. 1996 trat er in den Ruhestand. Er verstarb am 17. Juli 2010 in Stuttgart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.02.1998

Wilhelm der Vielgeliebte
Zeitlebens für das Wohl seines Landes: Paul Sauer huldigt dem Musterkönig von Württemberg

König Wilhelm könnte sich zufrieden zeigen: "Der Geschichte unseres alten Landes Württemberg und seines Regentenhauses neue Freunde zu gewinnen", das ist der Wunsch seines vorerst letzten Biographen. Mehr als hundertdreißig Jahre nach dem Ableben des "humanen Regenten", der "die Zügel fest in der Hand" hielt und sich stets um die "Hebung des Volkswohlstandes" kümmerte, erzählt Paul Sauer eine Geschichte, die auch den alten Freunden wohl gefallen dürfte. Das anfangs durchaus spannend geschriebene, insgesamt flüssig lesbare Buch behandelt das in der Tat spannungsreiche Leben Wilhelms I. Der 1781 geborene Prinz nahm an den napoleonischen Kriegen teil, mal auf der Seite des Kaisers der Franzosen, mal auf der Gegenseite. 1816 bestieg er den Thron des kleinen Königreichs im deutschen Südwesten.

Trotz der teilweise scharfen Gegensätze zwischen alten und neuen Landesteilen, zwischen Standesherren und Monarch sowie zwischen württembergischer Einzelstaatlichkeit und Deutschem Bund gelang es, 1819 eine Verfassung einzuführen, die - einzigartig im deutschen Konstitutionalismus - auf einem Vertrag zwischen den Ständen und dem König beruhte. Das schützte diejenigen, welche die politischen Rechte der Volksvertretung und der einzelnen Bürger gegenüber dem Staat erweitern wollten, nicht vor Überwachung, Verfolgung oder Unterdrückung. Die liberalen und demokratischen Kräfte des Landes, aber auch die sozialen Probleme machten sich im Vormärz und dann 1848/ 49 deutlich bemerkbar. In der Endphase der Revolution verschärfte der Umzug des nationalen Rumpfparlaments nach Stuttgart gewissermaßen von außen die Auseinandersetzungen, so daß der König kurzzeitig daran dachte, abzudanken und das Land zu verlassen.

Doch die staatliche Macht siegte auch in Württemberg, wenngleich die "Bewältigung" der Revolution aufgrund des Widerstands durch den mehrfach aufgelösten Landtag keineswegs "glatt" verlief. Im Streit um die deutsche Einheit vertrat Wilhelm I. immer wieder die Triasidee, also einen engeren Zusammenschluß der deutschen Königreiche, die eine Art Gegengewicht zu Preußen und Österreich bilden sollten. Das schloß für diesen Territorialfürsten eine Erweiterung Württembergs auf Kosten kleinerer Nachbarstaaten ein. Sein begehrlicher Blick richtete sich hier besonders auf Baden, den "Tummelplatz aller Revolutionsmänner". Die Politik des Königs plazierte sein Land, das sich geographisch bereits durch die Nähe zu Frankreich, dynastisch durch die Verbindung mit Rußland in einem doppelten europäischen Kräftefeld befand, damit auch im deutschen Rahmen in ein zweipoliges Spannungsfeld zwischen den dort führenden Mächten und den minderen Fürsten Deutschlands. Die Lösung dieses Konflikts erlebte Wilhelm I. nicht mehr, er verstarb 1864.

Eine so von Gegensätzen geprägte Situation macht neugierig auf die Biographie des württembergischen Monarchen. Leider wird man von Sauers Darstellung weitgehend enttäuscht. Weder das schlichte Interesse an einer bemerkenswerten Lebensgeschichte findet ausreichend Befriedigung noch das wissenschaftliche Verlangen nach Erkenntnis. Am ehesten fesseln noch die ersten ein- bis zweihundert Seiten, die chronologisch bis 1819 reichen. Danach springt die Beschreibung zeitlich immer wieder, ohne daß ein systematischer Gesichtspunkt gedanklichen Halt erlaubt. Man gewinnt gelegentlich den Eindruck, als arbeite der Autor ein allgemeines Handbuch zur Geschichte Württembergs ab. Das ist merkwürdig für eine Biographie, bietet sich doch, wenn man keinen anderen Zugang wählt, zumindest die erlebte Geschichte der Hauptfigur als roter Faden an. Doch der "Held" tritt auf eigenartige Weise in den Hintergrund, obwohl er zugleich immer präsent erscheint.

Am Beginn des Buches werden manche der vielen Konfliktlinien, zwischen denen sich das Leben des jungen Prinzen und Königs bewegte, gut erkennbar vorgeführt. Prägend wirkte der intensive Vater-Sohn-Konflikt. Dieser erreichte seinen Höhepunkt in den Jahren 1803 bis 1805, als Wilhelm zum landflüchtigen Erbprinzen wurde, der sich in Paris aufhielt und allem Anschein nach bereit war, seine Geliebte aus bürgerlichem Hause, Therese von Abel, zu heiraten. Dabei ging es um mehr als private Gefühle. Die Auserwählte war die Tochter des Landschaftskonsulenten von Abel, eines der gefährlichsten Widersacher des regierenden Fürsten in der Ständevertretung. Die Landstände nutzten den Streit politisch aus und verschärften ihn dadurch, daß sie dem abwesenden, potentiellen Nachfolger 1804 zusammen mit einem Darlehen eine Apanage bewilligten, damit dieser sein aufwendiges Leben in der französischen Hauptstadt bezahlen konnte. Der Vater, Kurfürst Friedrich, war verständlicherweise außer sich. Napoleon hingegen, in dessen Bann sich der Sohn befand, besaß ein lebendes Pfand, das er für seine Zwecke im Rahmen des Dritten Koalitionskrieges gegen Österreich und Rußland einsetzen konnte.

Strukturelle und persönliche Konflikte in einer Erbmonarchie, dynastische Ansprüche und private Bedürfnisse, politische Kämpfe im Rahmen der Ständeverfassung und die große Politik der europäischen Kabinette kreuzten sich so im Leben des jungen Prinzen. Das Bestreben Sauers, ihn von Anfang an als "verantwortungsbewußt denkenden" Fürsten zu schildern, der "zeitlebens" nur für das "Wohl seines Landes" handelte, wirkt in diesen Passagen mehr als aufgesetzt. Offenbar fließen hier wie anderswo in diesem Buch zeitgenössische Zuschreibungen, wie ein Prinz sein sollte, in die urteilende Beschreibung ein. Die quellenkritische Unterscheidung zwischen Ist- und Sollzustand übersieht der Biograph fast durchgängig. Topoi vom "fürsorglichen Landesvater" und dem ihm "huldigenden Volk" durchziehen die Argumentation des Autors - gar nicht zu reden von dem "Hang zu schönen Frauen", mit dem eine geschiedene Ehe, der Tod der zweiten Gattin und die Verbitterung der dritten entschuldigt werden.

Wie Sauer die für eine Biographie zentrale Frage nach dem Verhältnis von Person und Umwelt beantworten möchte, offenbart sich in der Behauptung: "Die stetige und bemerkenswerte wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung Württembergs in den Jahren 1816 bis 1864 muß zu einem guten Teil Wilhelm zugeschrieben werden." Nicht einmal der staatlichen Bürokratie wird in diesem Werk historiographisch Eigenleben zugestanden, geschweige denn der Wirtschaft oder gar der Gesellschaft, wäre es auch nur in der Gestalt hervorragender Unternehmerpersönlichkeiten. In der Darstellung Sauers wird jeder Kontext, in dem der König auftaucht, von diesem bestimmt. Das macht den Monarchen zwar allgegenwärtig, läßt aber am Urteil des Autors zweifeln.

Daß andere vielleicht den König für ihre Zwecke benutzten, daß er nicht nur durchs Ländle reiste, um "seine Kenntnisse auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet zu vertiefen", sondern daß diese Art der monarchischen Repräsentation im neunzehnten Jahrhundert Teil der Herrschaftstechnik gewesen sein könnte, solche Ideen liegen seinem Biographen fern. Gegen eine Biographie, die den aktiven Helden bei der Bewältigung der ihn umgebenden Probleme zum Ansatz wählt, hätten sich zwar methodische Einwände vorbringen lassen, doch wäre ihr als schlüssiger Erzählung zumindest auch kurzweiliger Wert zu bescheinigen gewesen. Nur sehr eingeschränkt möchte ich letzteres für Sauers Werk tun. Das hat einen Vorteil: Dieses Buch muß nicht die letzte Biographie Wilhelms I. bleiben. JOHANNES PAULMANN

Paul Sauer: "Reformer auf dem Königsthron". Wilhelm I. von Württemberg. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1997. 640 S., 54 Abb., geb., 58,- Mark.

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