Als der Hamburger Schriftsteller Leon sein Traumhaus am Rande eines ostdeutschen Moores findet, scheint alles bereit für eine glückliche Idylle. Aber das Moor und der Morast menschlicher Beziehungen sind tückisch. So, wie die Schneckenplage und der unablässige Regen die Grundmauern des Hauses angreifen, so durchdringen Gleichgültigkeit und Kälte Leon und seine Ehe. Ein zugelaufener Hund und die erotischen Verwirrungen um die herbe Kay und ihre nimmersatte, fette Schwester Isadora beschleunigen den Zerfall... Karen Duves erster Roman ist wie das Moor, in dem er spielt: erbarmungslos und wunderschön, doppelbödig, unberechenbar und voller schillernder Details.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.1999Landauf, landunter
Durchnässendes Humorbestreben: Karen Duves "Regenroman"
Es tropft, regnet, näßt, Kröten laufen über den Weg, man versinkt im Morast oder Moor, es regnet immer noch, es trieft aus allen Ritzen, nun kommen Nacktschnecken hinzu, Regenwürmer auch, Wasserleichen natürlich, in denen man mit Stöcken herumstochert, bis der Regen zu stark wird, schließlich dicke Frauen, die aussehen wie Kröten und sich auch so benehmen. Und wenn man aus der Tür geht, regnet es immer noch. Zumindest dem Titel von Karen Duves Buch kann man eine gewisse Plausibilität nicht absprechen: Es heißt "Regenroman". Ansonsten kann man dem Buch aber eigentlich alles absprechen. "Ich halte viel von Handwerk", so hat die Autorin zu Protokoll gegeben, "konnte mich aber nicht daran halten."
Duve, Jahrgang 1961, hat für ihr literarisches Schaffen in den letzten Jahren den "Preis für junge Prosa Arnsberg", den Literaturpreis der Zeitschrift "Brigitte", dann den "Gratwanderpreis" des "Playboy" und schließlich den Volker-Hage-Fräuleinwunder-Preis sowie den Elke-Heidenreich-Wonneschauer-Preis erhalten. Niemand sollte sich verleiten lassen, davon auf die literarische Qualität des "Regenromans" rückzuschließen.
Die Geschichte des Versagers Leon, der sich vom Vorschuß für eine Zuhälter-Biographie ein durchgeweichtes Haus im Moor kauft, um dort mit seiner bulimiekranken Ehefrau ein Landunter-Leben zu führen, bis die Ehe, die Bandscheibe und die Moral baden gehen, ist von einer großen, ermüdenden Ödnis. Die Ideen, das Humorbestreben, das Ekelbestreben näßen überall durch. Auch was feine Beobachtung des Geschlechterkampfes sein will, wirkt wie eine Schlammschlacht; was Erotik vorgibt, bleibt eher ein Wet-T-Shirt-Wettbewerb. Die ständig vorbeischleimenden Schnecken schließlich taugen angesichts ihres Tempolimits naturgemäß nicht zum running gag.
Auch der Regen hat in diesem "Regenroman" gar keinen Sinn, er plattert nur permanent von oben herunter, als sei das alleine schon sehr originell. Wo die Tatsache, daß es Bindfäden regnet, der einzige konsequente Handlungsstrang ist, wächst von Seite zu Seite die Gewißheit, daß es sich bei diesem Buch nicht um einen Roman handelt, sondern um einen irreparablen Wasserschaden. FLORIAN ILLIES
Karen Duve: "Regenroman". Roman. Eichborn Verlag, Berlin 1999. 304 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Durchnässendes Humorbestreben: Karen Duves "Regenroman"
Es tropft, regnet, näßt, Kröten laufen über den Weg, man versinkt im Morast oder Moor, es regnet immer noch, es trieft aus allen Ritzen, nun kommen Nacktschnecken hinzu, Regenwürmer auch, Wasserleichen natürlich, in denen man mit Stöcken herumstochert, bis der Regen zu stark wird, schließlich dicke Frauen, die aussehen wie Kröten und sich auch so benehmen. Und wenn man aus der Tür geht, regnet es immer noch. Zumindest dem Titel von Karen Duves Buch kann man eine gewisse Plausibilität nicht absprechen: Es heißt "Regenroman". Ansonsten kann man dem Buch aber eigentlich alles absprechen. "Ich halte viel von Handwerk", so hat die Autorin zu Protokoll gegeben, "konnte mich aber nicht daran halten."
Duve, Jahrgang 1961, hat für ihr literarisches Schaffen in den letzten Jahren den "Preis für junge Prosa Arnsberg", den Literaturpreis der Zeitschrift "Brigitte", dann den "Gratwanderpreis" des "Playboy" und schließlich den Volker-Hage-Fräuleinwunder-Preis sowie den Elke-Heidenreich-Wonneschauer-Preis erhalten. Niemand sollte sich verleiten lassen, davon auf die literarische Qualität des "Regenromans" rückzuschließen.
Die Geschichte des Versagers Leon, der sich vom Vorschuß für eine Zuhälter-Biographie ein durchgeweichtes Haus im Moor kauft, um dort mit seiner bulimiekranken Ehefrau ein Landunter-Leben zu führen, bis die Ehe, die Bandscheibe und die Moral baden gehen, ist von einer großen, ermüdenden Ödnis. Die Ideen, das Humorbestreben, das Ekelbestreben näßen überall durch. Auch was feine Beobachtung des Geschlechterkampfes sein will, wirkt wie eine Schlammschlacht; was Erotik vorgibt, bleibt eher ein Wet-T-Shirt-Wettbewerb. Die ständig vorbeischleimenden Schnecken schließlich taugen angesichts ihres Tempolimits naturgemäß nicht zum running gag.
Auch der Regen hat in diesem "Regenroman" gar keinen Sinn, er plattert nur permanent von oben herunter, als sei das alleine schon sehr originell. Wo die Tatsache, daß es Bindfäden regnet, der einzige konsequente Handlungsstrang ist, wächst von Seite zu Seite die Gewißheit, daß es sich bei diesem Buch nicht um einen Roman handelt, sondern um einen irreparablen Wasserschaden. FLORIAN ILLIES
Karen Duve: "Regenroman". Roman. Eichborn Verlag, Berlin 1999. 304 S., geb., 36,- DM.
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