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Das Theater arbeitet daran, sich selbst abzuschaffen. Berserkerhaft werden literarische Vorlagen zertrümmert und dem Publikum dann brockenweise hingeworfen. "Wirklichkeitsnah" will man sein und spricht damit dem Zuschauer jegliches Abstraktionsvermögen ab. "Regisseurstheater" nennt Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier solche Versuche, das Stück dem kurzlebigen Einfall, dem Zeitgeist zu opfern.
Während das Theatralische sich auf der Bühne verflüchtigt, dominiert es zunehmend Politik und Medien, wo Betroffenheit inszeniert und das Denken durch (Mit-)Fühlen ersetzt wird.
Seit vier
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Produktbeschreibung
Das Theater arbeitet daran, sich selbst abzuschaffen. Berserkerhaft werden literarische Vorlagen zertrümmert und dem Publikum dann brockenweise hingeworfen. "Wirklichkeitsnah" will man sein und spricht damit dem Zuschauer jegliches Abstraktionsvermögen ab. "Regisseurstheater" nennt Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier solche Versuche, das Stück dem kurzlebigen Einfall, dem Zeitgeist zu opfern.

Während das Theatralische sich auf der Bühne verflüchtigt, dominiert es zunehmend Politik und Medien, wo Betroffenheit inszeniert und das Denken durch (Mit-)Fühlen ersetzt wird.

Seit vier Jahrzehnten begleitet und kommentiert der Autor das Treiben auf deutschsprachigen Bühnen. Wie so viele verzweifelt er regelmäßig daran. Aber wie kaum ein anderer lässt er sich auch vom Zauber, den das Theater zu entfalten vermag, mitreißen und spart in diesem Essay folglich keinesfalls jene Glücksmomente aus, die ihm seine Begeisterungsfähigkeit erhalten.
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Autorenporträt
Stadelmaier, Gerhard
Gerhard Stadelmaier, Jahrgang 1950, studierte Germanistik und Geschichte an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Bis 2015 war er leitender Redakteur für Theater und Theaterkritik bei der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Von 2002-2008 hatte er eine Professur für Theaterkritik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main inne. Zuletzt sind von ihm erschienen: »Parkett, Reihe 6, Mitte. Meine Theatergeschichte« (2010) und »Liebeserklärungen. Große Schauspieler, große Figuren« (2012).

Hamilton, Anne
Anne Hamilton arbeitet als Lektorin und Herausgeberin für den zu Klampen Verlag. Dort gab sie »Lufthunde« (2008), »Zur Zukunft des Abendlandes« (2009), »Finderglück« (2010), »Islam und Toleranz« (2011), »Das Elend des Kulturalismus« (2011), »Faulheit« (2012), »Verehrte Denker« (2012), "Wie sich das Bürgertum in Form hält« (2012), »Goethes Autorität« (2013), »Gegen den Strom« (2013), »Die City« (2013), »Humor« (2014), »Beckett bei Karl Valentin« (2014), »Architektur« (2014), »Die Invasion der Barbaren« (2014), »Beschädigte Schönheit« (2014), »Im Reformhaus« (2015), »Sinnliche Vernunft« (2015), »Alle meine Kleider« (2015), »Am Zauberfluss« (2015), »Regisseurstheater« (2016), »Fälschungen, Verwandlungen« (2016), »Der Oligarch« (2016), »Die Niederlage der politischen Vernunft« (2017), »Scham« (2017), »Der Scheich« (2018), »Rüpel und Rebell« (2018), »Was vom Adel blieb« (2018), »Kulturpessimismus« (2018), »Der Osten« (2019) und »Unsere Wünsche« (2019) heraus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2016

GERHARD STADELMAIER, ehemaliger Theaterkritiker und -redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, außerdem Erfinder des Begriffs "Regisseurstheater", polemisiert in seinem neuen Essayband wider die Regisseurstaten und -untaten des Zeitgeists: auf den Bühnen der Politik, der Medien und natürlich des Theaters. Denn während das Theater fleißig an seiner Abschaffung arbeitet, theatralisieren sich Medien und Politik immer mehr in Inszenierungen von allerlei Betroffenheit. Das erträgt der kritische Betrachter Gerhard Stadelmaier nur mit viel Humor, noch mehr Sarkasmus - und mit der lustvollen Liebe zu den paar wenigen Regie-Inseln der Seligen. (Gerhard Stadelmaier: "Regisseurstheater". Auf den Bühnen des Zeitgeists. Reihe zu Klampen Essay. Hrsg. von Anne Hamilton. Zu Klampen Verlag, Springe 2016. 136 S., geb., 16,- [Euro].)

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Erst einmal zollt Christine Dössel dem FAZ-Granden der Theaterkritik Gerhard Stadelmaier ausgiebig Respekt. Stadelmaier gehört in die Riege der ganz Großen, findet die Rezensentin,und als größter Kritiker des Zeitgeist-Theaters war er ein wichtiger Dorn im Fleisch des reibungslosen Betriebs, so Dössel. Stadelmaiers neues Buch "Regisseurstheater" aber fällt für die Rezensentin unangenehm aus der Reihe. Die witzige Bosheit ist humorloser Boshaftigkeit gewichen, die mit dem einzigen und wohlfeilen Maßstab des eigenen Geschmacks auf Castorf und Co. eindrischt, kritisiert Dössel, die angesichts dieser Vorlage schon gespannt ist auf den angekündigten Folgeband, der mit dem Zeitungswesen abrechnen soll.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.06.2016

Wutgeheul und Wunderbude
Die Kritiker-Institution Gerhard Stadelmaier rechnet mit dem „Regisseurstheater“ ab
Der letzten Sommer in Pension gegangene Gerhard Stadelmaier war als Kritiker und Theaterredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) eine Institution. Mit der glühenden Leidenschaft eines Liebhabers begleitete er das deutschsprachige Bühnengeschehen als oberster Apologet und Wächter der großen Spielkiste und Wunderbude Theater. Gleichzeitig war er ein grimmiger Verächter all der in seinen Augen schänderischen Un- und Abarten dieser beglückenden, „Hirn und Herz und Bewusstsein erweiternden“, „dichtung- und dichterstürmenden“ Menschenverzauberungskunst im modernen Projekt- und Regietheater.
  So hemmungslos, wie Stadelmaier lieben, schwärmen und sich begeistern konnte, etwa für die Inszenierungen einer Andrea Breth, eines Dieter Dorn oder Luc Bondy, so fulminant konnte er auch hassen und verdammen und sich mit donnernder Sprachgewalt auf jene stürzen, die das Regietheaterfeld mal wieder mit läppischen „Zeitgeistereien“ beackerten. Besonders missratene Abende vernichtete er im süffisanten Kurzkritiken-Handstreich auf nur zwanzig, dreißig Zeilen. Touché!
  Man musste nicht Stadelmaiers Meinung teilen, um seine Kritiken gerne zu lesen. Sie waren einfach toll geschrieben, leidenschaftlich, geistreich, gewitzt – sehr im Geiste Alfred Kerrs, der einst die Kritik zur gleichberechtigten literarischen Gattung erhob. Erst jüngst wurde Stadelmaier für die „beispielhafte sprachliche Gestalt seiner journalistischen Texte“ mit dem Deutschen Sprachpreis 2016 ausgezeichnet.
  Auch in dem kleinen Band „Regisseurstheater“, mit dem Stadelmaier sich aus dem Ruhestand heraus noch einmal grundsätzlich mit einem Blick auf die „Bühnen des Zeitgeists“ zu Wort meldet, funkelt sie, diese Sprachqualität. Da ist jedes Wort – und jedes Wortspiel – wohl platziert, es gibt schöne, seltene Konjunktive wie „hülfe“ oder „bewürfe“ und saftige Beschimpfungen im bewährten Stadelmaier-Furor. Da ist von der „großen Betrügerin Aktualität“ die Rede, vom „Auskotzen der Gegenwart“ in einem ewigen „Präsentismus“, von den „Zeitgeisthändlern“, die nichts anderes seien als „die Dealer des Augenblicks“. Ihr Diktum: „Plötzlichkeit!“
  Indem das Theater sich immer mehr dem Zeitgeist ergibt und möglichst viel Wirklichkeit auf die Bühne holt, schafft es sich selbst ab, so Stadelmaiers Grundthese. Dagegen hält das einst dem Theater vorbehaltene Gefühl der „Rührung“ Einzug in Politik und Medien, zelebriert in Mahnwachen und Betroffenheitsritualen. Bevor er ans Bühnen-Eingemachte selbst geht, watscht der Autor erst mal Angela Merkels Flüchtlingspolitik im Herbst 2015 ab und bringt ihr „Wir schaffen das!“ in eine krude Opposition zu Lessings Nathan. Beide seien sozusagen Stiefgeschwister: „Nathan ein zeitloses, das den Fremden mühevoll als Nächsten erkennt“, die Kanzlerin hingegen „ein zeitgeistiges, das die Fremden mühelos zu Nächsten erklärt“. Autsch.
  Der rasenden Welt stellt Stadelmaier die „Würde des Altmodischen“ gegenüber, den „Stehenbleiber“ als „seltenes Exemplar und kostbare Erscheinung“. Womit Stadelmaier sich natürlich auch selbst beschreibt: der letzte Mohikaner in einer Zeitgeisterwelt voller Mitläufer. Und wenn er von den „konsequent aussterbenden Großkritikern à la Reich-Ranicki oder Joachim Kaiser“ spricht, dann muss man natürlich auch ihn in diese Ahnengalerie einreihen.
  So apodiktisch gegen die Entwicklungen im heutigen Theater wie Stadelmaier stellt sich kein anderer Kritiker. Er hat dies in seinen Rezensionen immer schon getan, hat das gute alte Literaturtheater gegen Dekonstruktion, „Bearbeiteritis“ und die „Seuche“ der Romanadaptionen verteidigt. Alles bekannt und benannt. Aber so zur Polemik verdichtet und aggressiv aufgeladen wie in diesem Buch, kommt Stadelmaiers Geschimpfe doch sehr kulturkonservativ und reaktionär und der Autor als notorischer Rechthaber – ein bisschen auch als beleidigte Leberwurst – rüber.
  Was ist das eigentlich, das „Regisseurstheater“? Stadelmaier meldet darauf das Urheberrecht an: „Ich darf diesen Begriff verwenden, denn ich habe ihn erfunden. Er ist seitdem in der Welt und beginnt langsam, aber sicher den Begriff des ,Regietheaters‘ auch in der öffentlichen Debatte zu ersetzen.“ Also dann erst mal: Gratulation!
  Das „Regisseurstheater“ ist laut Stadelmaier „das pure Zeitgeisttheater“ à la Castorf und Epigonen (deren Sündenregister in dem Essay aufgelistet wird). Der Regisseur erhebt sich darin selber zum A und O allen Geschehens, zum Schöpfer, zum Gott. Er macht, was er will, inszeniert seine Privatmarotten, das, was ihm „durch die Rübe rauscht“, kreist dabei monoman nur um sich selber, „nicht um ein Größeres, Höheres, Tieferes, Wahnsinnigeres, Absurderes, Witzigeres, ein Drama halt“, wie Stadelmaier klagt. Entsprechend bescheinigt er dieser Art von Theater „Text- und Menschenverachtung“, spricht von „Barbarei“, „Beliebigkeit“, „Ödnis“, „Gewalt“. Die Anwürfe sind einigermaßen heftig.
  Stadelmaier verwendet den Begriff „Regisseurstheater“, um aus dem Dilemma herauszukommen, dass ja eigentlich jedes Theater irgendwie Regietheater ist. Das muss selbst er einräumen. Stadelmaier macht Exkurse ans Weimarer Hoftheater zu Goethe und Schiller und nach Meiningen, wo Herzog Georg II. sich um 1866 als Ur-Typus des Regisseurs profilierte. Er beklagt die Auswirkungen von Bertolt Brechts Verfremdungseffekt und beschreibt, wie sich Peter Stein vom Zeitgeist-Saulus der 68er-Generation zu einem Regie-Paulus „im Monumentalgebirge des Unzeitgemäßen“ wandelte. Denn natürlich gibt es neben der „Sauce aus Gleichgültigkeit, Geschrei, Getobe und Dauerwahnsinn“ auch gutes Regietheater, Stadelmaier bringt Beispiele von Kortner, Zadek, Marthaler, Thalheimer, selbst von Oliver Reese. Regietheater ist dann gut, wenn Stadelmaier es gut findet. So einfach ist das.
  „Regisseurstheater“ aber ist per definitionem schlecht. Es verkennt, so Stadelmaier, den „strukturellen Witz“ des Theaters: dass es uns etwas vorspielt. Dass es nicht das Leben ist, sondern „verdichtetes Leben“. Theater, das sich mit dem Leben verwechsle, „schändet die Phantasie“. So geifert Stadelmaier erstaunlich unwitzig vor sich hin. Seine Wut geht so weit, dass er dieser Art Theater die öffentlichen Subventionen entziehen möchte, sind ja Steuergelder. Allerdings seien die Zuschauer selber schuld. Solange wir das alles hinnähmen, hätten wir nichts anderes verdient. Neben dem Theater nennt Stadelmaier die Zeitung als die größte „Zeitgeistmaschine“. Näheres dazu wird im Herbst zu erfahren sein, wenn sein Zeitungsroman „Umbruch“ erscheint.
CHRISTINE DÖSSEL
        
Gerhard Stadelmaier: Regisseurstheater. Auf den Bühnen des Zeitgeists. Hrsg. von Anne Hamilton. Zu Klampen Verlag, Springe 2016. 136 S., 16 Euro.
So geballt in einem Band,
kommt das Geschimpfe
doch sehr reaktionär rüber
Liebhaber und wortgewaltiger Donnergott: Gerhard Stadelmaier.
Foto: Verlag
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