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Österreich diente zwischen 1933 und 1938 als Refugium für deutsche Emigranten, die vor dem Nationalsozialismus flohen. Vorliegende Studie untersucht auf breiter Quellengrundlage erstmals Österreichs Bedeutung als Exilland und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Emigrationsforschung. Darüber hinaus versteht sich diese Arbeit auch als ideengeschichtliche Analyse: Sie erforscht in gruppenbiographischen Längsschnittanalysen, wie politische Deutungsmuster von der Weimarer Republik über Flucht und Exil bis zur Remigration in die Bundesrepublik fortlebten oder unter dem Eindruck der äußeren…mehr

Produktbeschreibung
Österreich diente zwischen 1933 und 1938 als Refugium für deutsche Emigranten, die vor dem Nationalsozialismus flohen. Vorliegende Studie untersucht auf breiter Quellengrundlage erstmals Österreichs Bedeutung als Exilland und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Emigrationsforschung. Darüber hinaus versteht sich diese Arbeit auch als ideengeschichtliche Analyse: Sie erforscht in gruppenbiographischen Längsschnittanalysen, wie politische Deutungsmuster von der Weimarer Republik über Flucht und Exil bis zur Remigration in die Bundesrepublik fortlebten oder unter dem Eindruck der äußeren Brüche einem Transformationsprozess unterlagen. So werden langfristige ideelle Traditionslinien zwischen Weimarer Republik, Exil und Nachkriegszeit herausgearbeitet. Im Mittelpunkt stehen die Vertreter der katholischen und konservativen Emigration, die im katholischen "Ständestaat" eine kongeniale Operationsbasis vorfanden. Zwei Leitideen, die sich eng mit dem Exilland Österreich verbanden, rücken ins Zentrum der Betrachtung: zum einen Visionen eines mitteleuropäischen "Reiches", zum anderen Vorstellungen von einer "ständischen Ordnung" als Ergänzung oder Alternative zum Parlamentarismus. Weil sich diese Ideen mit österreichischen konservativen Denkmustern vermengten, gelang es mehreren politischen Emigranten, in der publizistischen Landschaft des "Ständestaates" eine bedeutsame Rolle zu spielen.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2007

Vielerlei Reich
Das deutsche politische Exil in Österreich 1933 bis 1938

Katholische, konservative und radikalkonservative Emigranten bevorzugten zu Beginn des "Dritten Reiches" als Zielland besonders Österrreich, wo sich eine autoritäre Regierung nach einem ständestaatlichen Modell mit antiliberaler und antimarxistischer Tendenz ausrichtete. Mit dieser politischen Idee setzten sie sich auseinander und knüpften dabei an eigene Überlegungen an, die bereits in der Weimarer Republik zur Überwindung der Krise diskutiert worden waren. Der Nachbarstaat Österreich versuchte stärker als die meisten übrigen Staaten Europas, Emigranten von seinen Grenzen fernzuhalten; schließlich weigerte sich die Wiener Regierung, mit den Vertretern des Völkerbunds über die deutschen Exilanten zu verhandeln. Dies traf vor allem Juden und Mitglieder der Arbeiterbewegung.

Bei der Wahl des Fluchtziels Österreich spielte bei den katholischen und konservativen Emigranten neben der Sprache auch das politische System eine Rolle. Mit der Partizipation berufsständischer Selbstverwaltungsorgane am staatlichen Leben hatte sich selbst die Sozialdemokratie - hier in Form von "Kammern der Arbeit" und "Wirtschaftsräten" - auseinandergesetzt. Allerdings gab es zwei Varianten: Einerseits konnten diese Kammern eher als Ergänzung zum parlamentarischen System dienen und waren dann demokratisch zusammengesetzt, andererseits konnten sie dieses ersetzen, wobei deren Mitglieder vom Staat ernannt werden sollten. In katholischen Kreisen, basierend auf der christlichen Soziallehre, tauchten beide Varianten mit Übergängen auf, während bei radikalen Konservativen eher die autoritäre Richtung vorherrschte und in Richtung des italienischen Faschismus tendierte.

Vor allem Emigranten aus dem katholischen Lager, die autoritären Modellen zuneigten, gewannen in Österreich einen gewissen Einfluss. Nach 1936 wandten sich jedoch einige wieder von der Wiener Regierung ab, weil Österreich allmählich zu einem Unterdrückungsstaat mutierte und Kanzler Kurt von Schuschnigg im Zuge seiner Annäherung an Deutschland die publizistische Tätigkeit der Emigranten einschränkte. Bei den Vorstellungen über ein zukünftiges Reich orientierten sich einige katholische Politiker am mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich als idealer Ordnungsform. Die einen verstanden es als Reich deutscher Nation in Mitteleuropa unter Einschluss Österreichs, die anderen als übernationales und friedensschaffendes Gebilde. Bei den Letztgenannten spielte auch eine antipreußische Einstellung eine Rolle. Für sie stand Österreich im Mittelpunkt: eine föderale Donaumonarchie als Brücke zwischen Ost und West - langfristig sogar mit einem Habsburger an der Spitze. Außer Acht ließen sie sowohl die ablehnende Haltung in den Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns gegen solche territorialen Wunschbilder als auch die tiefe Abneigung gegen eine Restauration des verhassten Herrschergeschlechts.

Die Donaumonarchie-Ansichten fanden in der österreichischen Regierung durchaus Widerhall. Die nationaldeutschen Überlegungen der katholischen Emigranten zusammen mit ständestaatlichen Ideen führten sogar zu vorübergehenden Kooperationsversuchen mit den radikalen Konservativen, wobei sich die gemeinsame Basis beider - die Gegnerschaft zum nationalsozialistischen Deutschland - als nicht tragfähig erwies. Vor allem die Renegaten unter den ehemaligen NSDAP-Anhängern gaben bei den zunehmenden Erfolgen Hitlers ihren Widerstand allmählich auf und strebten sogar eine Verständigung an. Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich 1938 schloss sich ein Teil der deutschen Emigranten - vor allem diejenigen, die eine österreichorientierte Reichsidee vertraten - österreichischen Gruppen an und fand nach 1945 ihre politische Heimat in der Zweiten Republik. Die Autorin schließt mit ihrer Arbeit über das Exil katholischer und konservativer Kreise in Österreich eine wichtige Lücke in der Forschung und regt zu vergleichenden Studien in anderen Ländern an.

FRANZ-JOSEF KOS

Elke Seefried: Reich und Stände. Ideen und Wirken des deutschen politischen Exils in Österreich 1933-1938. Droste Verlag, Düsseldorf 2006. 594 S., 69,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Konservative und katholische Emigranten aus dem Dritten Reich wählten bevorzugt das konservative Österreich als Ort ihres Exils. Viele von ihnen suchten dabei die Nähe zur Politik, ja, strebten sogar nach Einfluss auf die Entwicklung des politischen Systems. Die Vorstellungen reichten dabei von einer Wiederherstellung des Heiligen Römischen Reichs bis zur Wiedereinsetzung des Habsburgischen Herrschergeschlechts. Freilich war die  Gruppe der Emigranten nicht einheitlich. Manche der einstigen NSDAP-Renegaten suchten beim sich abzeichnenden Erfolg Hitlers die Versöhnung mit dem Nazi-Regime. Der Rezensent Franz-Josef Kos beschränkt sich weitgehend aufs Referat, stellt am Ende aber fest, dass die Autorin mit diesem Band eine "wichtige Lücke in der Forschung" schließt.

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