Das neue Buch von Sahra Wagenknecht»Es ist Zeit, sich vom Kapitalismus abzuwenden«, sagt Sahra Wagenknecht. Denn der Kapitalismus ist längst nicht mehr so innovativ, wie er sich gibt. Bei der Lösung der großen Zukunftsfragen - von einer klimaverträglichen Energiewende bis zu nachhaltiger Kreislaufproduktion - kommen wir seit Jahrzehnten kaum voran. Für die Mehrheit wird das Leben nicht besser, sondern härter.Es ist Zeit für eine kreative, innovative Wirtschaft mit kleinteiligen Strukturen, mehr Wettbewerb und funktionierenden Märkten, statt eines Wirtschaftsfeudalismus, in dem Leistung immer weniger zählt, Herkunft und Erbe dagegen immer wichtiger werden.Sahra Wagenknecht fordert- eine andere Verfassung des Wirtschaftseigentums,- die Demokratisierung des Zugangs zu Kapital und- die Entflechtung riesiger Konzerne, deren Macht fairen Wettbewerb und Demokratie zerstört.- Talent und echte Leistung zu belohnen und Gründer mit guten Ideen ungeachtet ihrer Herkunft zu fördern.Mit ihrem Buch eröffnet Wagenknecht eine politische Diskussion über neue Eigentumsformen und die vergessenen Ideale der Aufklärung. Sie legt eine scharfsinnige Analyse der bestehenden Wirtschaftsordnung vor und zeigt Schritte in ein demokratisch gestaltetes Gemeinwesen, das niemandem mehr erlaubt, sich zulasten anderer zu bereichern.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Markus Günther kann nur staunen, wie souverän Sahra Wagenknecht fast sämtliche Fehler des Politikerbuches vermeidet. Keine Eitelkeiten, kein Geprahle mit eigenen politischen Erfolgen, meint Günther. Stattdessen stößt er auf Sachkenntnis, analytische Schärfe, einen gut lesbaren (mutmaßlich selbst verfassten) Stil, kluge Beobachtungen und ideenreiche, fundierte Argumente, wenn es darum geht, unsere Wirtschaftsordnung zu erläutern, ökonomische Denkschulen vorzustellen und dem Leser die Verbindungen von Kapital, Waren, Arbeit und Mensch verstehbar zu machen. Als Kompliment ordnet der Rezensent ein, dass er der Autorin mitunter gern widersprechen würde. Etwa, wenn sie Rot-Grün von 1998 die wachsende Ungerechtigkeit im Land in die Schuhe schieben möchte. Ein gelungenes Propädeutikum der deutschen Wirtschaft, das laut Günther gar nicht durchweg klassisch links argumentiert und, für den Rezensenten überraschend, nationalstaatliche Lösungen propagiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.03.2016Die Entfremdeten
Sahra Wagenknecht beschreibt die Welten der Real- und der Finanzökonomie und entwickelt ihre Idee vom Kapitalismus.
Die Analyse ist links – aber nicht nur. Der Politikerin geht es auch um die Marktwirtschaft und die Rettung der Demokratie
VON PETER GAUWEILER
Das Buch „Reichtum ohne Gier – Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten“ ist wirklich gut geschrieben. Die Autorin beherrscht die Kunst des klaren Denkens und kennt sich über den Unterschied von Haben und Nichthaben auch in der Praxis aus. Nicht nur als promovierte Ökonomin. Ich habe diese Frau viele Jahre im Deutschen Bundestag erlebt und weiß, dass sie – bei aller Linkheit – mit Haltung und geradem Rücken etwas retten will, was uns allen wichtig ist: Marktwirtschaft und Demokratie.
Ausgerechnet Sahra Wagenknecht wird mancher sagen – sie entstammt doch der Ursuppe des Marxismus-Leninismus, der das Gegenteil von alledem verkörperte. Das kann schon sein. Aber auf der anderen Seite hat sich die bei der Wende 19-jährige Abiturientin, von Ostberlin übrigens wegen Insubordination mit einem Studienverbot belegt, seit ihrem ersten Auftauchen in der deutschen Politik vor mehr als 20 Jahren ein Verständnis des Wertekanons der bundesrepublikanischen Gründerväter erarbeitet, das manchen geborenen BRDler erblassen lassen könnte. Unsere Autorin kennt – wie schon in ihren vorhergehenden Schriften gut nachlesbar – ihren Ludwig Erhard, und zitiert ihn voller Respekt. Diesmal bei der Darstellung seines Ausgangspunkts – Erhards Text über den Nationalökonomen Franz Oppenheimer: „Er erkannte den Kapitalismus als das Prinzip, das zur Ungleichheit führt, ja, das die Ungleichheit geradezu statuiert, obwohl ihm gewiss nichts ferner lag als eine öde Gleichmacherei. Auf der anderen Seite verabscheute er den Kommunismus, weil er zwangsläufig zu Unfreiheit führt. Es müsse einen Weg geben – einen dritten Weg –, der eine glückliche Synthese, einen Ausweg bedeutet.“
Die goldenen Jahre der frühen Bundesrepublik beschreibt sie heute so: „Erstmals zeigte in den Industrieländern die persönliche Wohlstandskurve für alle Schichten nach oben. Die Ungleichheit wurde geringer, die Armut ebenso, eine breite Mittelschicht entstand und über mehrere Jahrzehnte schien das Wachstum von Produktion und Konsum keine Grenze mehr zu kennen.“ Dem kann man so wenig widersprechen wie ihrer Diagnose, dass diese positive Phase von Marktwirtschaft und Demokratie in der Mitte Europas inzwischen Geschichte ist.
Eine der wichtigsten Ursachen für den Abstieg sieht Wagenknecht in der sich seither – vor allem seit der globalen Wende 1990 – entwickelten Asymmetrie zwischen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft. Letztere von Manhattan, der Wall Street sowie der Londoner Börse verordnet, verformt, außer Rand und Band gebracht und um sich selbst rasend. „Lag der jährliche Umsatz mit Finanzderivaten 1986 bei weniger als 50 Billionen Dollar, setzt das globale Wettcasino heute Jahr für Jahr Derivate im Wert von 1500 Billionen um. Allein in den 20 Jahren zwischen 1990 und 2010, in denen sich die Weltwirtschaft verdreifachte, hat sich die Finanzwirtschaft mehr als verdreihundertfacht.“
Fast im gleichen Atemzug erinnert sie uns daran, was davor war: „In der Zeit zwischen 1945 und 1971 gab es keine einzige nennenswerte Bankenkrise. Niemand vermisste all die Derivate, Verbriefungen und sonstigen Finanzinnovationen, über deren existenzielle volkswirtschaftliche Bedeutung uns die Finanzlobby heute Lügenmärchen erzählt.“ Diesen heutigen Vorrang einer entfremdeten Finanzwirtschaft nennt sie „Kapitalismus“. Das legitimiert ein bisschen den parteipolitischen Standort, wird linke Leser erfreuen und Nichtlinke irritieren. Weil für Letztere das Vorhandensein von „Kapital“ grundsätzlich eher gut ist als sein Fehlen, und Unternehmer und Kapitalgeber einander bedürfen wie die Henne und das Ei. Dass diese neue angelsächsische Finanzwirtschaft – das völlig entpersonalisierte Investmentbanking – mittlerweile aber zu einer tödlichen Gefahr für das freie Unternehmertum wurde, ist auf der anderen Seite freilich völlig unbestreitbar und dass – so heißt es im Text wörtlich – „echte Unternehmer“ dieser Finanzwirtschaft nicht bedürfen, auch.
In gewisser Weise ist dieses Buch in „Pflicht“ und „Kür“ gegliedert. Die Kür bietet ein unmissverständliches Plädoyer für den „historisch entstandenen Staat mit seinen verschiedenen Ebenen“ und gegen die „arrogante EU-Kommission“. Das liest sich ganz ausgezeichnet, ebenso die Warnungen vor den Demokratiedefiziten der immer riesigeren supranationalen Einheiten. Wagenknecht schließt in dieses Demokratiedefizit ausdrücklich das Europäische Parlament ein („. . . viel zu fern, viel zu wenig erfahrbar und der Lebensrealität der Bevölkerung in den einzelnen Ländern viel zu stark entfremdet“). Eindrucksvoll auch die furiose Abrechnung mit allen Übeln, die sich der globale Managerkapitalismus, insbesondere die Finanzwirtschaft, geleistet hat und was er sich seit Bill Clinton, Tony Blair und der Herrschaft der Rot-Grünen in Deutschland sogar gesetzlich alles herausnehmen darf. Hedgefonds, Europäische Zentralbank, das EU-Gemeinschaftsgeld und die „Euro-Rettung“ inklusive. „Entweder man kappt die Basis ihrer Macht – ihre Fähigkeit, nahezu unlimitiert Geld zu erzeugen und sagenhafte Gewinne damit zu machen –, dieses Geld in realwirtschaftlich sinnlose oder sogar schädliche Kanäle zu lenken, oder man hat verloren.“ Weil es aber dann doch ein paar Unterschiede zu den klassischen Marktwirtschaftlern geben muss – im letzten Kapitel des Buchs kommt endlich die „Pflicht“ zu ihrem Recht, die naturgemäß eine linke sein muss: „Eigentum neu denken“ heißt die Überschrift, was ein bisschen bedrohlich klingt, auch wenn es bloß um Vorschläge wie „Mitarbeitergesellschaften“ geht und „Gemeinwohlgesellschaften“. Ein gewisser Diskussionsbedarf mit Sahra Wagenknecht besteht aus der Sicht eines konservativen Lesers auch noch in Sachen Erben und Vererben und Generationenfolge als Wert. Was eine familiäre Nachhaltigkeit für die Unternehmenskultur und die Arbeitnehmerkultur unseres Landes im Positiven bedeutet, wird meist erst dann erkannt, wenn es zu spät ist: wenn wieder ein Familienunternehmen in die Hände der Investmentbanker geraten, zerschlagen und filetiert ist.
Die aktuelle Pointe der Geschichte besteht gegenwärtig ja darin, dass der neue verschärfte Erbschaftsteuerentwurf für große Familienunternehmen in Deutschland ein Förderprogramm für die globalen Kapitalgesellschaften bewirken wird, die bekanntlich nirgends auf der Welt Erbschaftsteuer zahlen und durch die jetzt fiskalisch veranlassten Zwangsverkäufe weiter gemästet werden dürften. Dieser Gesetzesentwurf stammt aber nicht von der Linken, schon gar nicht von Sahra Wagenknecht, sondern aus dem Hause Schäuble. Hier waltet ein Unsegen.
Damit also etwas kritisiert ist: Man könnte diesen letzten Teil des Buches statt „Pflicht“ auch „das Schiff des Theseus“ nennen. In memoriam Umberto Eco, weil dieser sein letztes Projekt ja so taufte, um deutlich zu machen, dass ein bestimmtes Vorhaben immer dasselbe bleibt, auch wenn es nach und nach in all seinen Bestandteilen ausgetauscht worden ist. That‘s the left.
Aber um nicht missverstanden zu werden: Auch dieser Teil des Textes ist klar und informativ verfasst und enthält sogar wichtige Aussagen über die „Legitimität von Privateigentum“ und „Eigentum als Menschenrecht“. Alles in unvergleichbar bessererzogener und -gesetzter Form als wir Westler es von unseren alten 68ern mit ihrem undurchdachten Schmaddertum gewohnt waren. Comrade Sahras Buch ist also selbst da besser, wo es noch wirklich links ist.
Das übergreifende Fazit zu diesem Werk nahm vor mehr als 60 Jahren der Augsburger Staatsbayer Bert Brecht schon vorweg, als er sagte: „Es geht auch anders, doch so geht es auch.“
Peter Gauweiler ist Anwalt, Publizist und ehemaliger CSU-Bundestagsabgeordneter.
Die Autorin plädiert
unmissverständlich für den
„historisch entstandenen Staat“
Beim Thema Erben und Vererben
besteht beim konservativen Leser
durchaus Diskussionsbedarf
Im Regen: Szene vom Zürcher Paradeplatz, einem Zentrum der internationalen Geldhäuser.
Foto: Visum
Sahra Wagenknecht:
Reichtum ohne Gier. Wie wir
uns vor dem Kapitalismus
retten. Campus-Verlag
Frankfurt 2016,
292 Seiten, 19,95 Euro.
E-Book: 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Sahra Wagenknecht beschreibt die Welten der Real- und der Finanzökonomie und entwickelt ihre Idee vom Kapitalismus.
Die Analyse ist links – aber nicht nur. Der Politikerin geht es auch um die Marktwirtschaft und die Rettung der Demokratie
VON PETER GAUWEILER
Das Buch „Reichtum ohne Gier – Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten“ ist wirklich gut geschrieben. Die Autorin beherrscht die Kunst des klaren Denkens und kennt sich über den Unterschied von Haben und Nichthaben auch in der Praxis aus. Nicht nur als promovierte Ökonomin. Ich habe diese Frau viele Jahre im Deutschen Bundestag erlebt und weiß, dass sie – bei aller Linkheit – mit Haltung und geradem Rücken etwas retten will, was uns allen wichtig ist: Marktwirtschaft und Demokratie.
Ausgerechnet Sahra Wagenknecht wird mancher sagen – sie entstammt doch der Ursuppe des Marxismus-Leninismus, der das Gegenteil von alledem verkörperte. Das kann schon sein. Aber auf der anderen Seite hat sich die bei der Wende 19-jährige Abiturientin, von Ostberlin übrigens wegen Insubordination mit einem Studienverbot belegt, seit ihrem ersten Auftauchen in der deutschen Politik vor mehr als 20 Jahren ein Verständnis des Wertekanons der bundesrepublikanischen Gründerväter erarbeitet, das manchen geborenen BRDler erblassen lassen könnte. Unsere Autorin kennt – wie schon in ihren vorhergehenden Schriften gut nachlesbar – ihren Ludwig Erhard, und zitiert ihn voller Respekt. Diesmal bei der Darstellung seines Ausgangspunkts – Erhards Text über den Nationalökonomen Franz Oppenheimer: „Er erkannte den Kapitalismus als das Prinzip, das zur Ungleichheit führt, ja, das die Ungleichheit geradezu statuiert, obwohl ihm gewiss nichts ferner lag als eine öde Gleichmacherei. Auf der anderen Seite verabscheute er den Kommunismus, weil er zwangsläufig zu Unfreiheit führt. Es müsse einen Weg geben – einen dritten Weg –, der eine glückliche Synthese, einen Ausweg bedeutet.“
Die goldenen Jahre der frühen Bundesrepublik beschreibt sie heute so: „Erstmals zeigte in den Industrieländern die persönliche Wohlstandskurve für alle Schichten nach oben. Die Ungleichheit wurde geringer, die Armut ebenso, eine breite Mittelschicht entstand und über mehrere Jahrzehnte schien das Wachstum von Produktion und Konsum keine Grenze mehr zu kennen.“ Dem kann man so wenig widersprechen wie ihrer Diagnose, dass diese positive Phase von Marktwirtschaft und Demokratie in der Mitte Europas inzwischen Geschichte ist.
Eine der wichtigsten Ursachen für den Abstieg sieht Wagenknecht in der sich seither – vor allem seit der globalen Wende 1990 – entwickelten Asymmetrie zwischen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft. Letztere von Manhattan, der Wall Street sowie der Londoner Börse verordnet, verformt, außer Rand und Band gebracht und um sich selbst rasend. „Lag der jährliche Umsatz mit Finanzderivaten 1986 bei weniger als 50 Billionen Dollar, setzt das globale Wettcasino heute Jahr für Jahr Derivate im Wert von 1500 Billionen um. Allein in den 20 Jahren zwischen 1990 und 2010, in denen sich die Weltwirtschaft verdreifachte, hat sich die Finanzwirtschaft mehr als verdreihundertfacht.“
Fast im gleichen Atemzug erinnert sie uns daran, was davor war: „In der Zeit zwischen 1945 und 1971 gab es keine einzige nennenswerte Bankenkrise. Niemand vermisste all die Derivate, Verbriefungen und sonstigen Finanzinnovationen, über deren existenzielle volkswirtschaftliche Bedeutung uns die Finanzlobby heute Lügenmärchen erzählt.“ Diesen heutigen Vorrang einer entfremdeten Finanzwirtschaft nennt sie „Kapitalismus“. Das legitimiert ein bisschen den parteipolitischen Standort, wird linke Leser erfreuen und Nichtlinke irritieren. Weil für Letztere das Vorhandensein von „Kapital“ grundsätzlich eher gut ist als sein Fehlen, und Unternehmer und Kapitalgeber einander bedürfen wie die Henne und das Ei. Dass diese neue angelsächsische Finanzwirtschaft – das völlig entpersonalisierte Investmentbanking – mittlerweile aber zu einer tödlichen Gefahr für das freie Unternehmertum wurde, ist auf der anderen Seite freilich völlig unbestreitbar und dass – so heißt es im Text wörtlich – „echte Unternehmer“ dieser Finanzwirtschaft nicht bedürfen, auch.
In gewisser Weise ist dieses Buch in „Pflicht“ und „Kür“ gegliedert. Die Kür bietet ein unmissverständliches Plädoyer für den „historisch entstandenen Staat mit seinen verschiedenen Ebenen“ und gegen die „arrogante EU-Kommission“. Das liest sich ganz ausgezeichnet, ebenso die Warnungen vor den Demokratiedefiziten der immer riesigeren supranationalen Einheiten. Wagenknecht schließt in dieses Demokratiedefizit ausdrücklich das Europäische Parlament ein („. . . viel zu fern, viel zu wenig erfahrbar und der Lebensrealität der Bevölkerung in den einzelnen Ländern viel zu stark entfremdet“). Eindrucksvoll auch die furiose Abrechnung mit allen Übeln, die sich der globale Managerkapitalismus, insbesondere die Finanzwirtschaft, geleistet hat und was er sich seit Bill Clinton, Tony Blair und der Herrschaft der Rot-Grünen in Deutschland sogar gesetzlich alles herausnehmen darf. Hedgefonds, Europäische Zentralbank, das EU-Gemeinschaftsgeld und die „Euro-Rettung“ inklusive. „Entweder man kappt die Basis ihrer Macht – ihre Fähigkeit, nahezu unlimitiert Geld zu erzeugen und sagenhafte Gewinne damit zu machen –, dieses Geld in realwirtschaftlich sinnlose oder sogar schädliche Kanäle zu lenken, oder man hat verloren.“ Weil es aber dann doch ein paar Unterschiede zu den klassischen Marktwirtschaftlern geben muss – im letzten Kapitel des Buchs kommt endlich die „Pflicht“ zu ihrem Recht, die naturgemäß eine linke sein muss: „Eigentum neu denken“ heißt die Überschrift, was ein bisschen bedrohlich klingt, auch wenn es bloß um Vorschläge wie „Mitarbeitergesellschaften“ geht und „Gemeinwohlgesellschaften“. Ein gewisser Diskussionsbedarf mit Sahra Wagenknecht besteht aus der Sicht eines konservativen Lesers auch noch in Sachen Erben und Vererben und Generationenfolge als Wert. Was eine familiäre Nachhaltigkeit für die Unternehmenskultur und die Arbeitnehmerkultur unseres Landes im Positiven bedeutet, wird meist erst dann erkannt, wenn es zu spät ist: wenn wieder ein Familienunternehmen in die Hände der Investmentbanker geraten, zerschlagen und filetiert ist.
Die aktuelle Pointe der Geschichte besteht gegenwärtig ja darin, dass der neue verschärfte Erbschaftsteuerentwurf für große Familienunternehmen in Deutschland ein Förderprogramm für die globalen Kapitalgesellschaften bewirken wird, die bekanntlich nirgends auf der Welt Erbschaftsteuer zahlen und durch die jetzt fiskalisch veranlassten Zwangsverkäufe weiter gemästet werden dürften. Dieser Gesetzesentwurf stammt aber nicht von der Linken, schon gar nicht von Sahra Wagenknecht, sondern aus dem Hause Schäuble. Hier waltet ein Unsegen.
Damit also etwas kritisiert ist: Man könnte diesen letzten Teil des Buches statt „Pflicht“ auch „das Schiff des Theseus“ nennen. In memoriam Umberto Eco, weil dieser sein letztes Projekt ja so taufte, um deutlich zu machen, dass ein bestimmtes Vorhaben immer dasselbe bleibt, auch wenn es nach und nach in all seinen Bestandteilen ausgetauscht worden ist. That‘s the left.
Aber um nicht missverstanden zu werden: Auch dieser Teil des Textes ist klar und informativ verfasst und enthält sogar wichtige Aussagen über die „Legitimität von Privateigentum“ und „Eigentum als Menschenrecht“. Alles in unvergleichbar bessererzogener und -gesetzter Form als wir Westler es von unseren alten 68ern mit ihrem undurchdachten Schmaddertum gewohnt waren. Comrade Sahras Buch ist also selbst da besser, wo es noch wirklich links ist.
Das übergreifende Fazit zu diesem Werk nahm vor mehr als 60 Jahren der Augsburger Staatsbayer Bert Brecht schon vorweg, als er sagte: „Es geht auch anders, doch so geht es auch.“
Peter Gauweiler ist Anwalt, Publizist und ehemaliger CSU-Bundestagsabgeordneter.
Die Autorin plädiert
unmissverständlich für den
„historisch entstandenen Staat“
Beim Thema Erben und Vererben
besteht beim konservativen Leser
durchaus Diskussionsbedarf
Im Regen: Szene vom Zürcher Paradeplatz, einem Zentrum der internationalen Geldhäuser.
Foto: Visum
Sahra Wagenknecht:
Reichtum ohne Gier. Wie wir
uns vor dem Kapitalismus
retten. Campus-Verlag
Frankfurt 2016,
292 Seiten, 19,95 Euro.
E-Book: 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2016Ein Blatt vor dem Mund
Wenn das jetzt Kommunismus ist, kann man darüber reden: Sahra Wagenknecht entwirft in "Reichtum ohne Gier" eine gerechtere Wirtschaftsordnung und hat noch eine Rechnung offen.
Das Genre des Politikerbuches teilt sich in zwei Gruppen. Einerseits sind da die abgetretenen Politiker, meist im fortgeschrittenen Alter, die zum Zwecke der Rechtfertigung oder Ruhegeldaufbesserung, manchmal auch nur aus Ranküne oder Frust über den eigenen Bedeutungsverlust Autobiographisches und Apologetisches schreiben. Andererseits die noch aktiven Politiker, die unter Zweitverwertung ihrer Reden und Strategiepapiere ein politisches Programm vorlegen und damit bestenfalls eine Debatte anstoßen wollen, sich schlechtestenfalls einfach nur wichtigtun. Beiden Gruppen gemeinsam ist, dass sie meist auf einen Ghostwriter (Ko-Autor oder Mitarbeiter genannt) zurückgreifen müssen und dass unter den genannten Voraussetzungen Bücher entstehen, die die Welt beim besten Willen nicht braucht.
Für das neue Buch von Sahra Wagenknecht gilt nichts von alledem. Ihre dreihundert mutmaßlich selbst geschriebenen, sehr gut lesbaren und mit klugen Beobachtungen und Argumenten gefüllten Seiten sind der schöne, seltene Ausnahmefall des Politikerbuches: ideenreich, fundiert, anregend. Man würde ihr gern an vielen Stellen Einwände und skeptische Fragen entgegenhalten, manchmal will man auch rundheraus widersprechen, aber das spricht nicht gegen ihr Buch. Nur einen einzigen typischen Politikerfehler macht sie dann doch. Dazu später mehr.
"Reichtum ohne Gier" ist ein Titel, der die leicht durchschaubare Absicht verfolgt, populäre Reizworte zu verbinden, doch ist Populismus das, was man der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag - unter den Bedingungen der großen Koalition also so etwas wie die deutsche Oppositionsführerin - in diesem Buch kaum vorwerfen kann. Zu einem erheblichen Teil ist es ein volkswirtschaftliches Propädeutikum, das Grundlegendes über die bestehende Wirtschaftsordnung erklärt, traditionelle Denkschulen der Ökonomie vorstellt und die Zusammenhänge zwischen Kapital, Waren, Arbeit und Menschen verständlich macht, namentlich unter den Bedingungen der Gegenwart. Dass diese Sichtweise politisch rot eingefärbt ist, versteht sich.
Dass Sahra Wagenknecht als Politikerin aber ernsthafter gearbeitet hat als die meisten Kollegen der Generation Guttenberg, merkt man ihrem Buch an. Sie zitiert die Vordenker der modernen Wirtschaft von Friedrich-August von Hayek bis Milton Friedman, wobei sie kaum auf klassische marxistische Denkmuster und die tradierten antiliberalen Reflexe zurückgreift. Stattdessen zeigt sie anhand vieler praktischer Beispiele, dass das Axiom des freien Marktes kritisch hinterfragt werden muss, weil vieles aus dem Ruder gelaufen ist.
Manches davon mag man banal finden, es ist aber dennoch wahr: "Der Kern der Macht der oberen Zehntausend und der Ursprung ihrer leistungslosen Bezüge ist die heutige Verfassung des Wirtschaftseigentums. (. . .) Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts konzentrieren sich in der Verfügung der reichsten 1 Prozent die wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen. Erneut arbeiten 99 Prozent der Bevölkerung zum überwiegenden Teil, direkt oder indirekt, für den Reichtum dieses neuen Geldadels."
Dazu ließe sich manche Fußnote anbringen, etwa dass schon jetzt eine erhebliche Umverteilung stattfindet und neben dem Wohlstand auch die Steuerlast extrem ungleich verteilt ist, aber im Kern wird doch die richtige Frage angesprochen: Warum gelingt es dem angeblich so überlegenen System eines freiheitlich organisierten Kapitalismus nicht, den vorhandenen Reichtum gerechter zu verteilen und aus den enormen Produktivitätssteigerungen ein Kapital zu schlagen, das allen und nicht nur wenigen zugutekommt?
Wagenknechts Vorschläge überraschen vor allem durch die Akzentuierung nationalstaatlicher Lösungen. Sie misstraut der Europäischen Union und der Währungsunion, nicht aus Nationalismus, sondern aus Furcht vor den unbeherrschbaren Kräften, die in einem übergroßen Markt, aber auch in den supranationalen Institutionen freigesetzt werden. Einfacher ausgedrückt: Staatliche Unterstützung für Rentner und Arbeitslose, Sozial- und Umweltstandards, all das lasse sich bei weitem besser im Nationalstaat organisieren, während die Europäisierung und Globalisierung immer nur den Konzernen in die Hände spiele, die vom Verbilligungswettbewerb der Lohn- und Sozialkosten (vulgo: Standortvorteil) zu Lasten der Arbeitnehmer profitierten.
In der Ablehnung der EU und der gemeinsamen Währung berührt sich die Linke Wagenknecht mit den Rechten in der AfD. Andererseits sind ihre Vorschläge zur Reform des Finanzmarktes dann doch wieder klassisch links: Gründung von "Gemeinwohlunternehmen" in denjenigen Sektoren, die für ein Spiel der freien Marktkräfte ungeeignet sind, straffe Regulierung des Finanzsektors mit Einführung der "Gemeinwohlbank" nach dem Sparkassen- und Genossenschaftsmodell. Wagenknecht gelingt es, auch dem skeptischen, liberalen Leser zu zeigen, wo die Grenzen der Marktfreiheit und wo die Chancen einer entschlosseneren staatlichen Ordnung liegen könnten. Wenn das mit "Kommunismus" gemeint ist, könnte man darüber reden.
Doch diplomatisch zurückhaltend umgeht die Autorin die Frage, wie diese neue Wirtschaftsordnung denn politisch durchgesetzt werden soll. Enteignung von Privatvermögen? Zerschlagung der Großbanken? Aufkündigung internationaler Verträge und Abkommen? Eigenartig, dass sie sich nicht traut, Klartext zu reden, wenn es um die realpolitische Perspektive geht. Was Sahra Wagenknecht will, müsste gegen die massiven Widerstände in Politik und Wirtschaft, es müsste auch gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und Vertragstreue, nicht zuletzt auch gegen Widerstand aus dem Ausland durchgesetzt werden. Bernie Sanders argumentiert ähnlich, aber er nimmt auch bei der Frage nach der politischen Umsetzung kein Blatt vor den Mund. Schade, dass Wagenknecht hier so kleinmütig bleibt.
Dennoch, die Autorin macht viel mehr richtig als falsch. Beeindruckend sind ihre Sachkenntnis, ihr analytischer Blick und die schlichte Tatsache, dass sie die typischen Fehler der Politikerbücher - Eitelkeit, Prahlerei mit den eigenen politischen Erfolgen - vermeidet. Nur einer Versuchung kann Sahra Wagenknecht nicht widerstehen: Da ist noch eine alte Rechnung offen, die sie begleichen will, und es ist nicht ihre eigene, sondern die ihres zweiten Ehemanns Oskar Lafontaine, dessen vierte Ehefrau sie ist. Seine Intimfeindschaft zu Gerhard Schröder flammt in Wagenknechts Buch immer wieder auf.
Und sie kommt immer wieder auf die Schicksalsjahre 1998/99 zurück. Die rot-grüne Koalition, aus der Lafontaine entmutigt ausschied, soll mit ihren Hartz-IV-Reformen, so argumentiert nun auch Wagenknecht, die entscheidende Weiche für die wachsende Ungerechtigkeit in Deutschland und die neue Verarmung der Massen gestellt haben. Schröder und Fischer, die Verräter der deutschen Linken? Es ist der einzige Affekt, den sich Sahra Wagenknecht in diesem klugen Buch erlaubt.
MARKUS GÜNTHER
Sahra Wagenknecht: "Reichtum ohne Gier". Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016.
292 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn das jetzt Kommunismus ist, kann man darüber reden: Sahra Wagenknecht entwirft in "Reichtum ohne Gier" eine gerechtere Wirtschaftsordnung und hat noch eine Rechnung offen.
Das Genre des Politikerbuches teilt sich in zwei Gruppen. Einerseits sind da die abgetretenen Politiker, meist im fortgeschrittenen Alter, die zum Zwecke der Rechtfertigung oder Ruhegeldaufbesserung, manchmal auch nur aus Ranküne oder Frust über den eigenen Bedeutungsverlust Autobiographisches und Apologetisches schreiben. Andererseits die noch aktiven Politiker, die unter Zweitverwertung ihrer Reden und Strategiepapiere ein politisches Programm vorlegen und damit bestenfalls eine Debatte anstoßen wollen, sich schlechtestenfalls einfach nur wichtigtun. Beiden Gruppen gemeinsam ist, dass sie meist auf einen Ghostwriter (Ko-Autor oder Mitarbeiter genannt) zurückgreifen müssen und dass unter den genannten Voraussetzungen Bücher entstehen, die die Welt beim besten Willen nicht braucht.
Für das neue Buch von Sahra Wagenknecht gilt nichts von alledem. Ihre dreihundert mutmaßlich selbst geschriebenen, sehr gut lesbaren und mit klugen Beobachtungen und Argumenten gefüllten Seiten sind der schöne, seltene Ausnahmefall des Politikerbuches: ideenreich, fundiert, anregend. Man würde ihr gern an vielen Stellen Einwände und skeptische Fragen entgegenhalten, manchmal will man auch rundheraus widersprechen, aber das spricht nicht gegen ihr Buch. Nur einen einzigen typischen Politikerfehler macht sie dann doch. Dazu später mehr.
"Reichtum ohne Gier" ist ein Titel, der die leicht durchschaubare Absicht verfolgt, populäre Reizworte zu verbinden, doch ist Populismus das, was man der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag - unter den Bedingungen der großen Koalition also so etwas wie die deutsche Oppositionsführerin - in diesem Buch kaum vorwerfen kann. Zu einem erheblichen Teil ist es ein volkswirtschaftliches Propädeutikum, das Grundlegendes über die bestehende Wirtschaftsordnung erklärt, traditionelle Denkschulen der Ökonomie vorstellt und die Zusammenhänge zwischen Kapital, Waren, Arbeit und Menschen verständlich macht, namentlich unter den Bedingungen der Gegenwart. Dass diese Sichtweise politisch rot eingefärbt ist, versteht sich.
Dass Sahra Wagenknecht als Politikerin aber ernsthafter gearbeitet hat als die meisten Kollegen der Generation Guttenberg, merkt man ihrem Buch an. Sie zitiert die Vordenker der modernen Wirtschaft von Friedrich-August von Hayek bis Milton Friedman, wobei sie kaum auf klassische marxistische Denkmuster und die tradierten antiliberalen Reflexe zurückgreift. Stattdessen zeigt sie anhand vieler praktischer Beispiele, dass das Axiom des freien Marktes kritisch hinterfragt werden muss, weil vieles aus dem Ruder gelaufen ist.
Manches davon mag man banal finden, es ist aber dennoch wahr: "Der Kern der Macht der oberen Zehntausend und der Ursprung ihrer leistungslosen Bezüge ist die heutige Verfassung des Wirtschaftseigentums. (. . .) Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts konzentrieren sich in der Verfügung der reichsten 1 Prozent die wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen. Erneut arbeiten 99 Prozent der Bevölkerung zum überwiegenden Teil, direkt oder indirekt, für den Reichtum dieses neuen Geldadels."
Dazu ließe sich manche Fußnote anbringen, etwa dass schon jetzt eine erhebliche Umverteilung stattfindet und neben dem Wohlstand auch die Steuerlast extrem ungleich verteilt ist, aber im Kern wird doch die richtige Frage angesprochen: Warum gelingt es dem angeblich so überlegenen System eines freiheitlich organisierten Kapitalismus nicht, den vorhandenen Reichtum gerechter zu verteilen und aus den enormen Produktivitätssteigerungen ein Kapital zu schlagen, das allen und nicht nur wenigen zugutekommt?
Wagenknechts Vorschläge überraschen vor allem durch die Akzentuierung nationalstaatlicher Lösungen. Sie misstraut der Europäischen Union und der Währungsunion, nicht aus Nationalismus, sondern aus Furcht vor den unbeherrschbaren Kräften, die in einem übergroßen Markt, aber auch in den supranationalen Institutionen freigesetzt werden. Einfacher ausgedrückt: Staatliche Unterstützung für Rentner und Arbeitslose, Sozial- und Umweltstandards, all das lasse sich bei weitem besser im Nationalstaat organisieren, während die Europäisierung und Globalisierung immer nur den Konzernen in die Hände spiele, die vom Verbilligungswettbewerb der Lohn- und Sozialkosten (vulgo: Standortvorteil) zu Lasten der Arbeitnehmer profitierten.
In der Ablehnung der EU und der gemeinsamen Währung berührt sich die Linke Wagenknecht mit den Rechten in der AfD. Andererseits sind ihre Vorschläge zur Reform des Finanzmarktes dann doch wieder klassisch links: Gründung von "Gemeinwohlunternehmen" in denjenigen Sektoren, die für ein Spiel der freien Marktkräfte ungeeignet sind, straffe Regulierung des Finanzsektors mit Einführung der "Gemeinwohlbank" nach dem Sparkassen- und Genossenschaftsmodell. Wagenknecht gelingt es, auch dem skeptischen, liberalen Leser zu zeigen, wo die Grenzen der Marktfreiheit und wo die Chancen einer entschlosseneren staatlichen Ordnung liegen könnten. Wenn das mit "Kommunismus" gemeint ist, könnte man darüber reden.
Doch diplomatisch zurückhaltend umgeht die Autorin die Frage, wie diese neue Wirtschaftsordnung denn politisch durchgesetzt werden soll. Enteignung von Privatvermögen? Zerschlagung der Großbanken? Aufkündigung internationaler Verträge und Abkommen? Eigenartig, dass sie sich nicht traut, Klartext zu reden, wenn es um die realpolitische Perspektive geht. Was Sahra Wagenknecht will, müsste gegen die massiven Widerstände in Politik und Wirtschaft, es müsste auch gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und Vertragstreue, nicht zuletzt auch gegen Widerstand aus dem Ausland durchgesetzt werden. Bernie Sanders argumentiert ähnlich, aber er nimmt auch bei der Frage nach der politischen Umsetzung kein Blatt vor den Mund. Schade, dass Wagenknecht hier so kleinmütig bleibt.
Dennoch, die Autorin macht viel mehr richtig als falsch. Beeindruckend sind ihre Sachkenntnis, ihr analytischer Blick und die schlichte Tatsache, dass sie die typischen Fehler der Politikerbücher - Eitelkeit, Prahlerei mit den eigenen politischen Erfolgen - vermeidet. Nur einer Versuchung kann Sahra Wagenknecht nicht widerstehen: Da ist noch eine alte Rechnung offen, die sie begleichen will, und es ist nicht ihre eigene, sondern die ihres zweiten Ehemanns Oskar Lafontaine, dessen vierte Ehefrau sie ist. Seine Intimfeindschaft zu Gerhard Schröder flammt in Wagenknechts Buch immer wieder auf.
Und sie kommt immer wieder auf die Schicksalsjahre 1998/99 zurück. Die rot-grüne Koalition, aus der Lafontaine entmutigt ausschied, soll mit ihren Hartz-IV-Reformen, so argumentiert nun auch Wagenknecht, die entscheidende Weiche für die wachsende Ungerechtigkeit in Deutschland und die neue Verarmung der Massen gestellt haben. Schröder und Fischer, die Verräter der deutschen Linken? Es ist der einzige Affekt, den sich Sahra Wagenknecht in diesem klugen Buch erlaubt.
MARKUS GÜNTHER
Sahra Wagenknecht: "Reichtum ohne Gier". Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016.
292 S., geb., 19,95 [Euro].
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»In 'Reichtum ohne Gier' seziert die Fraktionsvorsitzende der Linken präzise die zentralen Fehlbildungen unserer Wirtschaftsordnung: die Einmischung des Staates an falscher Stelle.« Corinna Nohn, Handelsblatt, 14.10.2016»Sahra Wagenknecht hat mit 'Reichtum ohne Gier' ein gescheites, aufrüttelndes und überaus differenziertes Plädoyer für eine sozial gerechtere und innovativere Wirtschaftsordnung geschrieben. Bravo!« Hans Durrer, Huffington Post, 07.05.2016»Wagenknecht analysiert die weltweite Monopolisierung und die erkundet den Eigentumsbegriff, der über die Jahrhunderte unterschiedlich bewertet wurde. Sie erläutert Funktionsweisen und Unternehmensstrukturen im Kapitalismus.« Wolfram Wessels, SWR2 Forum Buch, 24.04.2016»Sahra Wagenknecht legt ein überraschend progressives Buch vor. [...] Ein weit größerer Wurf als das hoch gehandelte neue Buch Marcel Fratzschers.« Sebastian Puschner, Der Freitag, 28.04.2016»Das Buch [bietet] einen tiefen Blick auf viele Probleme unserer Wirtschaftsordnung sowie etliche interessante und innovative Lösungsvorschläge. Es lädt dazu ein, manche Allgemeinplätze zu hinterfragen und die Voraussetzungen unserer Wirtschaft neu zu denken.« Dr. Max Otte, boerse.de, 15.03.2016»Das Buch 'Reichtum ohne Gier -Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten' ist wirklich gut geschrieben. Die Autorin beherrscht die Kunst des klaren Denkens und kennt sich über den Unterschied von Haben und Nichthaben auch in der Praxis aus.« Peter Gauweiler, Süddeutsche Zeitung, 29.03.2016»Ich habe dieses intelligent für eine neue Wirtschaftsordnung argumentierende Buch der promovierten Volkswirtschaftlerin Sarah Wagenknecht mit Gewinn gelesen.« Denis Scheck, ARD "Druckfrisch", 24.04.2016»ideenreich, fundiert, anregend (...) Wagenknecht gelingt es, auch dem skeptischen, liberalen Leser zu zeigen, wo die Grenzen der Marktfreiheit und wo die Chancen einer entschlosseneren staatlichen Ordnung liegen könnten.« Markus Günther, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.05.2016»[Sahra Wagenknecht] liefert - ökonomisch höchst kenntnisreich und dabei gut verständlich geschrieben - ein Plädoyer für die Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft ab. Und zwar als Alternative zu einem Kapitalismus, in dem sich der Reichtum der Reichsten aus dem bereits angehäuften Kapital immer weiter nährt.« Stephan Hebel, Frankfurter Rundschau, 01.11.2016