Ausgehend vom großen Dialog zwischen Göttervater Wotan und seiner Lieblingstochter Brünnhilde im 3. Akt der «Walküre», rollt Elfriede Jelinek die Geschehnisse in Richard Wagners monumentalem «Ring» - Zyklus noch einmal neu auf und verlängert sie in unsere Gegenwart. Dreh- und Angelpunkt ist die Bedeutung von Gold und Geld, nach denen alles drängt und die so gut wie alle Handlungen vorantreiben. Ihre umfassende Wirkungsmacht reicht vom Kampf um den Nibelungenschatz in mythologischer Vorzeit über Karl Marx' Thesen in «Das Kapital», das fast parallel zu Wagners «Ring» entstand, bis hin zur heutigen Bankenkrise.
In einem weitverzweigten Gedankenstrom und zugleich stets nah an Wagners Originaltext streift Jelinek in «Rein Gold» auch tagespolitische Phänomene wie das fragwürdige Finanzgebaren von Bundespräsidenten oder die brutalen Morde der Zwickauer Nazi-Terrorzelle, knüpft überraschende Zusammenhänge und kehrt doch immer wieder zu ihrem Leitmotiv zurück: der Geburt des Kapitalismus aus dem Geist eines Erlösungswahns.
«'Rein Gold' ist so maßlos wie das gesamte 'Ring'-Unternehmen ... aber eine Überforderung, die zum Wesen der Kunst gehört.»
Wiener Zeitung
In einem weitverzweigten Gedankenstrom und zugleich stets nah an Wagners Originaltext streift Jelinek in «Rein Gold» auch tagespolitische Phänomene wie das fragwürdige Finanzgebaren von Bundespräsidenten oder die brutalen Morde der Zwickauer Nazi-Terrorzelle, knüpft überraschende Zusammenhänge und kehrt doch immer wieder zu ihrem Leitmotiv zurück: der Geburt des Kapitalismus aus dem Geist eines Erlösungswahns.
«'Rein Gold' ist so maßlos wie das gesamte 'Ring'-Unternehmen ... aber eine Überforderung, die zum Wesen der Kunst gehört.»
Wiener Zeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2013Die Deutschland-Dose
Elfriede Jelinek nimmt sich in "Rein Gold" Wagners "Ring" vor und zerrt ihn in die Gegenwart des Kapitalismus
Mit einem bösartigen Vater-Tochter-Streit zwischen Wotan und Brünnhilde beginnt der dritte Akt der "Walküre", wechselseitige Hitlervergleiche eingeschlossen. Natürlich passiert das nicht in der "Ring"-Tetralogie Richard Wagners, sondern im Bühnenessay "Rein Gold" von Elfriede Jelinek. Ihre wütende Assoziationscollage verwandelt den Dialog der beiden Nibelungen-Figuren in einen gesellschaftskritischen und wüsten Gedankenstrom. Auf einer Bühne der zeitübergreifenden Banalität und Widerwärtigkeit, eingerahmt von Raubtierkapitalismus und Neonationalsozialismus, entflammt ein irrsinniges Gespräch zwischen Brünnhilde und Wotan.
Der Göttervater hat sich beim Bau des Walhall verspekuliert und kann den Kredit nicht zurückzahlen. Es ist eine Situation, die symptomatisch für den Kapitalismus ist. Die hohe Verschuldung ihres Vaters macht Brünnhilde wütend, da jetzt andere seine "Scheiße" ausbaden und "dann zum Bahnhof bringen" müssen. Gemeint ist damit die Erbtante Freia, die an die Gläubiger verpfändet werden muss. Brünnhilde führt Wotan seine Ungerechtigkeit in größter marxistischer Geste vor Augen, hat scheinbar "Das Kapital" und auch noch sämtliche Schriften Bakunins auswendig gelernt. Wütend und atemlos lässt Elfriede Jelinek ihre Brünnhilde zuerst den Vater und dann die Wohlstandsgesellschaft beschimpfen. Das Geld ist eben böse und gemein und bestialisch - wie die Banken.
Nach unendlich vielen Anarcho-Zitaten fragt man sich, ob die österreichische Dramatikerin ihr Geld wohl unter der Matratze versteckt. Natürlich wird dann auch noch in gewohnter Jelinek-Manier der Sexismus gegeißelt, die Frau am Beispiel Freias zur "Fremdwährung" erklärt, endgültig angekommen in ihrer Warenform. Aber bevor man von altbekannter Kapitalismuskritik und wirren Feminismusreferenzen vollkommen genervt ist, kommt die Schriftstellerin zum spannendsten Punkt ihres Essays. Die Herrschaftsform des Kapitals hat das Deutschland, wie Jelinek es sieht, in den Faschismus befördert. Das ist nun wirklich nicht neu, schon vor Jahrzehnten haben ja kommunistische Theoretiker den Faschismus zum Resultat und zur Endstufe des Kapitalismus erklärt.
Doch auf dem Fundament dieser veralteten These holt Jelinek ihr Stück in die Gegenwart, in die Zeit der NSU-Morde, in der "gemordet und gemordet und zehnfach gemordet" wird und in der das sorglose Volk dann einfach zu den Gemüsehändlern, die noch nicht ermordet worden sind, einkaufen geht.
Elfriede Jelineks Wut auf die Gesellschaft, die trotz der grausamen Taten der Zwickauer Zelle unbekümmert weiterlebt, als ob nichts gewesen sei, bebt zwischen den Zeilen des Essays. Und irgendwie schämt man sich während des Lesens. Man schämt sich dafür, dass die Ermittlungsdefizite bei den NSU-Morden keine Wutbürger auf die Straße getrieben haben; dass man sich lieber erregt hat über Bauschlampereien bei Bahnhöfen, Flughäfen oder Konzerthäusern. Dann waren die Akten auch noch zerschreddert, und plötzlich genügten Überschrift und Unterzeile eines Zeitungsartikels nicht mehr, um zu erfahren, was da los war.
So gerieten die Morde schnell in Vergessenheit. Und dieses Vergessen treibt Elfriede Jelinek zum brutalen Sarkasmus. Plötzlich holt die Schriftstellerin den rosaroten Panther aus dem Bekennervideo der NSU in das Vater-Tochter-Gespräch, lässt ihren Wotan sogar von dem neuen Nazi-Maskottchen schwärmen: "Dieser Panther, noch dazu in Rosa! So lustig. Bringt auch Leute um. Das heilige Deutschland, das schon wieder so lang geschlafen hat, soll jetzt bitte Leute hervorbringen, die das jetzt sofort weitermachen, die was weiterbringen! Das Umbringen verlernt man doch nicht so schnell! Das Wissen wird über die Generationen hinweg weitergegeben. Das Erbe. Das wird ein Spaß!" Im Laufe des Essays mutieren die Nibelungen-Figuren so zu NSU-Mördern und deren Sympathisanten. Gutrune verwandelt sich in Beate Zschäpe, der Göttervater Wotan vergöttert das Treiben des Nationalsozialistischen Untergrunds, und die toten Täter Böhnhardt und Mundlos werden zu Heldenfiguren erklärt. Es ist wie ein Rausch der Gewaltmetaphern.
Warum Elfriede Jelinek ausgerechnet Wagners "Ring" mit der Zwickauer Zelle verbindet, wird mit jeder Seite des Essays offensichtlicher. Zum einen sind es die bildlichen Motive des Opernzyklus, das Feuer und das Gold, die sich auf das Treiben der Zwickauer Zelle beziehen lassen; zum anderen ist es der (nicht gerade neue) Hinweis auf Wagners Antisemitismus und dessen Spuren in der "Ring"-Tetralogie.
Dennoch sind Jelineks Assoziationen und Metaphern eher vage als treffend. Immer wieder bleiben Gedankenketten lückenhaft, häufen sich Widersprüche, türmen sich Banalitäten. So sprechen die Protagonisten mal ausschweifend über Liebe, mal ausufernd über juristische Gewährleistungspflichten, um wenige Seiten später eine Facharbeit zur "Analyse einer Getränkedose zur Abschätzung des Energiebedarfs bei ihrer Herstellung" zu zitieren.
Man kann das nun, wenn man unbedingt will, als eine Parodie auf den sprachlichen Alltag im Kapitalismus zu retten und zu deuten versuchen - doch aller Sprachvirtuosität zum Trotz fühlt man sich nach der Lektüre wie durch einen Fleischwolf gedreht. Stellenweise ist Elfriede Jelineks Essay einfach unlesbar.
Das Konstruktionsprinzip von "Rein Gold" ist demgegenüber klar. Da werden Elemente von Faschismus, Kapitalismus und Nationalsozialismus verwoben, so dass sich am Ende ein Flickenteppich der Widerwärtigkeiten ausrollen lässt. Und dennoch, trotz aller Einwände und Genervtheiten bleibt während des Lesens ein beklemmendes und trauriges Gefühl. Dieses Gefühl krönt Elfriede Jelinek am Ende des Bühnenessays mit Wotans letzten Worten an seine Tochter. Der Göttervater verknüpft die Gesellschaftskritik der Autorin mit den Belanglosigkeiten der Gesellschaft, zitiert die Taten-statt-Worte-Parole der Zwickauer Zelle, erklärt, wie das Internet funktioniert, und schwärmt schließlich nur noch von einer Mehrwegdose.
Anstelle eines Retters wird es für Brünnhilde nämlich nur diese Dose geben. "Eine Dose, eine zweite Dose, gemacht aus der ersten. Mit was ganz andrem drin. Mal sehn, was draus wird." Und so ist Brünnhildes Dose als früherer Nationalsozialist zu verstehen, aus dessen Gedankengut dann der Neonationalsozialist hervortrat, damit die Ideologie des Letzteren in der kommenden Generation wieder recycelt werden kann.
Elfriede Jelineks Bühnenessay endet in einer so wirkungsmächtigen wie düsteren Deutschlandmetapher. Und wegen solch einer brutalen Bildstärke kommt man, trotz aller sprachlichen Barrieren, welche die Schriftstellerin Seite für Seite aufbaut, doch noch ins Ziel und erkennt in Jelineks Essay-Deutschland auch etwas von dem Land wieder, in dem wir tatsächlich leben. Vollkommen erschöpft.
ANNA PRIZKAU.
Elfriede Jelinek: "Rein Gold". Ein Bühnenessay. Rowohlt, 224 Seiten, 19,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Elfriede Jelinek nimmt sich in "Rein Gold" Wagners "Ring" vor und zerrt ihn in die Gegenwart des Kapitalismus
Mit einem bösartigen Vater-Tochter-Streit zwischen Wotan und Brünnhilde beginnt der dritte Akt der "Walküre", wechselseitige Hitlervergleiche eingeschlossen. Natürlich passiert das nicht in der "Ring"-Tetralogie Richard Wagners, sondern im Bühnenessay "Rein Gold" von Elfriede Jelinek. Ihre wütende Assoziationscollage verwandelt den Dialog der beiden Nibelungen-Figuren in einen gesellschaftskritischen und wüsten Gedankenstrom. Auf einer Bühne der zeitübergreifenden Banalität und Widerwärtigkeit, eingerahmt von Raubtierkapitalismus und Neonationalsozialismus, entflammt ein irrsinniges Gespräch zwischen Brünnhilde und Wotan.
Der Göttervater hat sich beim Bau des Walhall verspekuliert und kann den Kredit nicht zurückzahlen. Es ist eine Situation, die symptomatisch für den Kapitalismus ist. Die hohe Verschuldung ihres Vaters macht Brünnhilde wütend, da jetzt andere seine "Scheiße" ausbaden und "dann zum Bahnhof bringen" müssen. Gemeint ist damit die Erbtante Freia, die an die Gläubiger verpfändet werden muss. Brünnhilde führt Wotan seine Ungerechtigkeit in größter marxistischer Geste vor Augen, hat scheinbar "Das Kapital" und auch noch sämtliche Schriften Bakunins auswendig gelernt. Wütend und atemlos lässt Elfriede Jelinek ihre Brünnhilde zuerst den Vater und dann die Wohlstandsgesellschaft beschimpfen. Das Geld ist eben böse und gemein und bestialisch - wie die Banken.
Nach unendlich vielen Anarcho-Zitaten fragt man sich, ob die österreichische Dramatikerin ihr Geld wohl unter der Matratze versteckt. Natürlich wird dann auch noch in gewohnter Jelinek-Manier der Sexismus gegeißelt, die Frau am Beispiel Freias zur "Fremdwährung" erklärt, endgültig angekommen in ihrer Warenform. Aber bevor man von altbekannter Kapitalismuskritik und wirren Feminismusreferenzen vollkommen genervt ist, kommt die Schriftstellerin zum spannendsten Punkt ihres Essays. Die Herrschaftsform des Kapitals hat das Deutschland, wie Jelinek es sieht, in den Faschismus befördert. Das ist nun wirklich nicht neu, schon vor Jahrzehnten haben ja kommunistische Theoretiker den Faschismus zum Resultat und zur Endstufe des Kapitalismus erklärt.
Doch auf dem Fundament dieser veralteten These holt Jelinek ihr Stück in die Gegenwart, in die Zeit der NSU-Morde, in der "gemordet und gemordet und zehnfach gemordet" wird und in der das sorglose Volk dann einfach zu den Gemüsehändlern, die noch nicht ermordet worden sind, einkaufen geht.
Elfriede Jelineks Wut auf die Gesellschaft, die trotz der grausamen Taten der Zwickauer Zelle unbekümmert weiterlebt, als ob nichts gewesen sei, bebt zwischen den Zeilen des Essays. Und irgendwie schämt man sich während des Lesens. Man schämt sich dafür, dass die Ermittlungsdefizite bei den NSU-Morden keine Wutbürger auf die Straße getrieben haben; dass man sich lieber erregt hat über Bauschlampereien bei Bahnhöfen, Flughäfen oder Konzerthäusern. Dann waren die Akten auch noch zerschreddert, und plötzlich genügten Überschrift und Unterzeile eines Zeitungsartikels nicht mehr, um zu erfahren, was da los war.
So gerieten die Morde schnell in Vergessenheit. Und dieses Vergessen treibt Elfriede Jelinek zum brutalen Sarkasmus. Plötzlich holt die Schriftstellerin den rosaroten Panther aus dem Bekennervideo der NSU in das Vater-Tochter-Gespräch, lässt ihren Wotan sogar von dem neuen Nazi-Maskottchen schwärmen: "Dieser Panther, noch dazu in Rosa! So lustig. Bringt auch Leute um. Das heilige Deutschland, das schon wieder so lang geschlafen hat, soll jetzt bitte Leute hervorbringen, die das jetzt sofort weitermachen, die was weiterbringen! Das Umbringen verlernt man doch nicht so schnell! Das Wissen wird über die Generationen hinweg weitergegeben. Das Erbe. Das wird ein Spaß!" Im Laufe des Essays mutieren die Nibelungen-Figuren so zu NSU-Mördern und deren Sympathisanten. Gutrune verwandelt sich in Beate Zschäpe, der Göttervater Wotan vergöttert das Treiben des Nationalsozialistischen Untergrunds, und die toten Täter Böhnhardt und Mundlos werden zu Heldenfiguren erklärt. Es ist wie ein Rausch der Gewaltmetaphern.
Warum Elfriede Jelinek ausgerechnet Wagners "Ring" mit der Zwickauer Zelle verbindet, wird mit jeder Seite des Essays offensichtlicher. Zum einen sind es die bildlichen Motive des Opernzyklus, das Feuer und das Gold, die sich auf das Treiben der Zwickauer Zelle beziehen lassen; zum anderen ist es der (nicht gerade neue) Hinweis auf Wagners Antisemitismus und dessen Spuren in der "Ring"-Tetralogie.
Dennoch sind Jelineks Assoziationen und Metaphern eher vage als treffend. Immer wieder bleiben Gedankenketten lückenhaft, häufen sich Widersprüche, türmen sich Banalitäten. So sprechen die Protagonisten mal ausschweifend über Liebe, mal ausufernd über juristische Gewährleistungspflichten, um wenige Seiten später eine Facharbeit zur "Analyse einer Getränkedose zur Abschätzung des Energiebedarfs bei ihrer Herstellung" zu zitieren.
Man kann das nun, wenn man unbedingt will, als eine Parodie auf den sprachlichen Alltag im Kapitalismus zu retten und zu deuten versuchen - doch aller Sprachvirtuosität zum Trotz fühlt man sich nach der Lektüre wie durch einen Fleischwolf gedreht. Stellenweise ist Elfriede Jelineks Essay einfach unlesbar.
Das Konstruktionsprinzip von "Rein Gold" ist demgegenüber klar. Da werden Elemente von Faschismus, Kapitalismus und Nationalsozialismus verwoben, so dass sich am Ende ein Flickenteppich der Widerwärtigkeiten ausrollen lässt. Und dennoch, trotz aller Einwände und Genervtheiten bleibt während des Lesens ein beklemmendes und trauriges Gefühl. Dieses Gefühl krönt Elfriede Jelinek am Ende des Bühnenessays mit Wotans letzten Worten an seine Tochter. Der Göttervater verknüpft die Gesellschaftskritik der Autorin mit den Belanglosigkeiten der Gesellschaft, zitiert die Taten-statt-Worte-Parole der Zwickauer Zelle, erklärt, wie das Internet funktioniert, und schwärmt schließlich nur noch von einer Mehrwegdose.
Anstelle eines Retters wird es für Brünnhilde nämlich nur diese Dose geben. "Eine Dose, eine zweite Dose, gemacht aus der ersten. Mit was ganz andrem drin. Mal sehn, was draus wird." Und so ist Brünnhildes Dose als früherer Nationalsozialist zu verstehen, aus dessen Gedankengut dann der Neonationalsozialist hervortrat, damit die Ideologie des Letzteren in der kommenden Generation wieder recycelt werden kann.
Elfriede Jelineks Bühnenessay endet in einer so wirkungsmächtigen wie düsteren Deutschlandmetapher. Und wegen solch einer brutalen Bildstärke kommt man, trotz aller sprachlichen Barrieren, welche die Schriftstellerin Seite für Seite aufbaut, doch noch ins Ziel und erkennt in Jelineks Essay-Deutschland auch etwas von dem Land wieder, in dem wir tatsächlich leben. Vollkommen erschöpft.
ANNA PRIZKAU.
Elfriede Jelinek: "Rein Gold". Ein Bühnenessay. Rowohlt, 224 Seiten, 19,95 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Dirk Pilz versteht erst einmal wenig, nur so viel: Die Jelinek kann nicht anders, sie muss uns Leser und Zuschauer quälen, weil die Lage so ist. Gleich aus dem Fenster springen, wie der Jelinek-Regisseur Nicolas Stemann anregt, möchte Pilz dennoch nicht. Stattdessen liest er diese kategorienfreie Prosa zu, über und um Wagners "Walküre" und den ganzen "Ring" mit Wotan und Brünhilde als einzigem Personal tapfer als apokalyptisches Szenario. Finanzkrise, NSU, die Autorin lässt nichts aus, stellt Pilz fest beim Ringen mit dem Textgestrüpp. Dass er es zum Besten zählt, was Jelinek geschrieben hat, hat mit der Überfülle zu tun, mit den vielen Anspielungen, der strengen Komposition, der Unnachgiebigkeit jedem Anflug von Wohlfühlliteratur gegenüber.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Elfriede Jelinek zieht einen Schlussstrich unter fast 40 Jahre «Ring»-Interpretation im Zeichen der Kapitalismus-Kritik. Süddeutsche Zeitung