Israel - das ist für seine arabischen Nachbarn der Feind schlechthin. Als ketzerisch gilt, wer andere Ansichten vertritt oder gar ins "Land des Feindes" reist. Najem Wali wagt es, dieses Tabu zu brechen, und erkundet in einer politisch brisanten Reise die erstaunlichen Gemeinsamkeiten zwischen seinem Heimatland Irak und dem Staat der Juden. Von Jerusalem bis Haifa, von Nazareth bis zum Golan begegnet Wali Dichtern, Intellektuellen und Politikern, aber auch den Menschen auf der Straße. Gemeinsam hoffen sie auf Frieden und Dialog im Nahost-Konflikt. Ein einmaliges Dokument arabischer Selbstkritik und ein beherztes Plädoyer für Demokratie und Frieden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2010Verschlungene Geschichten
Najem Walis Reise durch das Land des Feindes
Der 1956 im südirakischen Basra geborene und seit 1980 in Deutschland im Exil lebende arabische Intellektuelle Najem Wali war 2007 einer Einladung der Universität Haifa zu einer Tagung namens "Irak Quo Vadis" gefolgt und anschließend für einige Zeit in Israel geblieben. Sein Bericht von dieser Reise brachte ihm in der arabischen Welt nicht nur scharfe Kritik ein, sondern auch Morddrohungen von Seiten des irakischen "Widerstands".
Schon in früheren Büchern hatte Wali die Doppelmoral arabischer Gesellschaften beleuchtet. Der Israel-Konflikt, so lautet sein Vorwurf, werde von arabischen Herrschern dazu benutzt, vom Demokratiedefizit in den eigenen Ländern abzulenken. Wirtschaftskrisen, die Verschlechterung des Bildungsniveaus, die Ausbreitung des Islamismus - all dies würde mit dem arabisch-israelischen Konflikt erklärt.
Wali entwickelte auf seiner Reise Sympathie für den jüdischen Staat und beschreibt ihn fast durchweg wohlwollend. Die Lebensgeschichten der Menschen, denen er begegnet, sind so plastisch dargestellt und gleichzeitig auf solch tragische Weise miteinander verknüpft, dass sie ebenso gut einem Roman Walis entstammen könnten. Da ist der jüdisch-irakische Taxifahrer, der sich so sehr über den Besuch des Autors freut, dass er ihn umsonst kutschiert. Da ist die junge Muslima, die vor einer Zwangsehe aus dem Libanon flüchtete und für ein Frauenhaus in Jerusalem arbeitet. Da ist der Archäologe Avner Goren, der den Autor durch Jerusalem führt und ihm eine nüchtern-kritische Perspektive auf die Geschichte der von religiösen Auseinandersetzungen zerrissenen Stadt eröffnet.
Mit zahlreichen Anspielungen auf die arabische Literatur führt Wali den Leser nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Geschichte des Nahen Ostens. Er beschreibt den Nahen Osten als einen Schmelztiegel, in dem sich Christentum, Judentum und Islam kulturell nicht voneinander trennen lassen. Seine Analysen sind dabei von wohltuender Klarheit. Die aufgezeichneten Gespräche vermitteln Einblicke in die arabische und jüdische Kultur und deren Schnittstellen. Immer wieder greift der Autor auch auf seine eigenen Erinnerungen zurück, insbesondere um die bizarre Geschichte seines eigenen gebeutelten Landes zu erzählen. Und er zeigt, wie in einer für viele arabische Staaten repräsentativen Gesellschaft schon den Kindern der Hass auf Israel eingeimpft wird.
Für seinen Großvater, schreibt Wali, habe der Niedergang der irakischen Kultur mit dem Weggang der Juden begonnen. Es scheint ihm auf seiner Reise tatsächlich, als wäre die gesamte irakische Kultur ins Exil gegangen. Er trifft auf Emigranten, die einen im Irak ausgestorbenen Dialekt beherrschen und uralte musikalische Traditionen pflegen. Einen leidenschaftlichen Bewahrer früherer irakischer Kultiviertheit findet er auch in dem Literaturwissenschaftler Sasson Somekh. Der war einst enger Vertrauter des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Mahfuz, dessen Plädoyer, die von Generationen geprägte Freundschaft und Kooperation zwischen Arabern und Juden höher einzuschätzen als die Konflikte, den Grundton dieses Buchs bestimmt.
ANNIKA MÜLLER
Najem Wali: "Reise in das Herz des Feindes". Ein Iraker in Israel. Aus dem Arabischen von Imke Ahlf-Wien. Hanser Verlag, München 2009. 239 S., br., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Najem Walis Reise durch das Land des Feindes
Der 1956 im südirakischen Basra geborene und seit 1980 in Deutschland im Exil lebende arabische Intellektuelle Najem Wali war 2007 einer Einladung der Universität Haifa zu einer Tagung namens "Irak Quo Vadis" gefolgt und anschließend für einige Zeit in Israel geblieben. Sein Bericht von dieser Reise brachte ihm in der arabischen Welt nicht nur scharfe Kritik ein, sondern auch Morddrohungen von Seiten des irakischen "Widerstands".
Schon in früheren Büchern hatte Wali die Doppelmoral arabischer Gesellschaften beleuchtet. Der Israel-Konflikt, so lautet sein Vorwurf, werde von arabischen Herrschern dazu benutzt, vom Demokratiedefizit in den eigenen Ländern abzulenken. Wirtschaftskrisen, die Verschlechterung des Bildungsniveaus, die Ausbreitung des Islamismus - all dies würde mit dem arabisch-israelischen Konflikt erklärt.
Wali entwickelte auf seiner Reise Sympathie für den jüdischen Staat und beschreibt ihn fast durchweg wohlwollend. Die Lebensgeschichten der Menschen, denen er begegnet, sind so plastisch dargestellt und gleichzeitig auf solch tragische Weise miteinander verknüpft, dass sie ebenso gut einem Roman Walis entstammen könnten. Da ist der jüdisch-irakische Taxifahrer, der sich so sehr über den Besuch des Autors freut, dass er ihn umsonst kutschiert. Da ist die junge Muslima, die vor einer Zwangsehe aus dem Libanon flüchtete und für ein Frauenhaus in Jerusalem arbeitet. Da ist der Archäologe Avner Goren, der den Autor durch Jerusalem führt und ihm eine nüchtern-kritische Perspektive auf die Geschichte der von religiösen Auseinandersetzungen zerrissenen Stadt eröffnet.
Mit zahlreichen Anspielungen auf die arabische Literatur führt Wali den Leser nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Geschichte des Nahen Ostens. Er beschreibt den Nahen Osten als einen Schmelztiegel, in dem sich Christentum, Judentum und Islam kulturell nicht voneinander trennen lassen. Seine Analysen sind dabei von wohltuender Klarheit. Die aufgezeichneten Gespräche vermitteln Einblicke in die arabische und jüdische Kultur und deren Schnittstellen. Immer wieder greift der Autor auch auf seine eigenen Erinnerungen zurück, insbesondere um die bizarre Geschichte seines eigenen gebeutelten Landes zu erzählen. Und er zeigt, wie in einer für viele arabische Staaten repräsentativen Gesellschaft schon den Kindern der Hass auf Israel eingeimpft wird.
Für seinen Großvater, schreibt Wali, habe der Niedergang der irakischen Kultur mit dem Weggang der Juden begonnen. Es scheint ihm auf seiner Reise tatsächlich, als wäre die gesamte irakische Kultur ins Exil gegangen. Er trifft auf Emigranten, die einen im Irak ausgestorbenen Dialekt beherrschen und uralte musikalische Traditionen pflegen. Einen leidenschaftlichen Bewahrer früherer irakischer Kultiviertheit findet er auch in dem Literaturwissenschaftler Sasson Somekh. Der war einst enger Vertrauter des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Mahfuz, dessen Plädoyer, die von Generationen geprägte Freundschaft und Kooperation zwischen Arabern und Juden höher einzuschätzen als die Konflikte, den Grundton dieses Buchs bestimmt.
ANNIKA MÜLLER
Najem Wali: "Reise in das Herz des Feindes". Ein Iraker in Israel. Aus dem Arabischen von Imke Ahlf-Wien. Hanser Verlag, München 2009. 239 S., br., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.10.2009Reise in die Utopie
Der Iraker Najem Wali fährt nach Israel – und vergisst die Kritik
Die Idee ist bestechend. Ein Araber, ein Iraker gar, reist in das Land, das in der gesamten arabischen Welt das absolut Böse symbolisiert, das Messer im Herz der arabischen Identität. Er betrachtet dieses Feindesland, neugierig und offen. Er begeht damit einen Tabubruch, der ihm nach der Veröffentlichung seines Berichtes viel Wut und Empörung von arabischer Seite eintragen wird (und nicht nur von dieser).
Najem Wali hat Israel besucht. Er stammt aus dem Irak, flüchtete 1980 und lebt seither, mit einigen Unterbrechungen, in Deutschland. Dreimal war er in den letzten Jahren in Israel, auf Einladung der Universität Haifa und der Jerusalemer Buchmesse. Er macht das Gegenteil dessen, was üblicherweise geschieht, wenn Araber über Israel schreiben. Er beschreibt, ohne zuvor ausführlich darüber zu dozieren, was Israel der Arabischen Welt angetan hat. Er lässt sich begeistert, geradezu überschwänglich auf die Menschen dort ein und stellt Israels Kultur, Politik und Gesellschaft ihren Entsprechungen in der arabischen Welt als Vorbild gegenüber. Er ist voll guten Willens und guter Absichten. Das ist sehr mutig für einen arabischen Autor, und man wünschte sich von viel mehr arabischen Intellektuellen, diesen Tabubruch zu begehen, sich endlich einmal einzulassen und die Existenz und Realität Israels weniger vorurteilsgeprägt zu betrachten.
Doch Tabubruch und guter Wille allein machen das Buch und Walis Erkenntnisse nicht unbedingt richtig. Israel hat ohne Zweifel ein politisches System, das jedem arabischen weit überlegen ist. Nur muss und will sich Israel nicht an arabischen Regimes messen lassen, sondern an anderen Demokratien, wenn auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich in ständiger kriegerischer Ausnahmesituation befindet. Nach israelischem Gesetz, schreibt Wali, besitzen die arabischen Mitbürger die vollen Bürgerrechte, außer dem Militärdienst gebe es keinen Unterschied zwischen ihnen und den jüdischen Mitbürgern.
Das mag in der Theorie so sein, und fraglos sind israelische Araber freier als in den meisten arabischen Staaten. Aber wer keinerlei Diskriminierung erkennen kann, der hat das Land nicht richtig bereist. Arabisch mag (bis jetzt) eine der drei Amtssprachen sein. Nur haben das eine Menge Israelis noch nie gehört. Man könnte das arabische Ehepaar fragen, das sich ein Haus kaufen wollte in einem jüdischen Ort . . . Und manchmal wirkt Wali geradezu naiv, etwa, wenn er von der Sicherheitskontrolle am Flughafen erzählt und davon, wie freundlich ihn die Beamten immer wieder befragten.
Um Gaza herum
Israel besitzt ohne Zweifel großartige Intellektuelle, eine freche und kritische Kunstszene. Walis Beschreibungen seiner jüdischen Gesprächspartner legt sie uns ans Herz, es sind kluge, sympathische Menschen, kritisch gegenüber dem eigenen Staat, oft voll Begeisterung für die arabische Kultur. Und Najem Wali beklagt zu Recht, dass es da keine Entsprechungen gebe von der anderen Seite.
Israel wird in Walis Beschreibung zu einer positiven Utopie, zum Gegenentwurf für seine Heimat, man kann geradezu spüren, wie sehr er einen Wandel, eine arabische Aufklärung, ja, deren Israelisierung herbeisehnt. Hier wird er am besten und am persönlichsten: Wenn er sich wundert und dann begeistern lässt von der „Irakleidenschaft” israelischer Professoren, wenn er erzählt von den Freundschaften, die israelische und arabische Intellektuelle doch immer wieder verbindet. Und wenn er die israelische Gedankenfreiheit mit der jahrzehntelangen Kulturvernichtung und dem Mord an der eigenen Geschichte vergleicht, die in seiner alten Heimat stattgefunden haben.
Aber Israel ist eben nicht das irdische Paradies. Wali scheint nur einen Teil der Realität wahrnehmen zu wollen. Natürlich darf Israel nicht allein an der Besatzung gemessen werden, aber ebenso wenig kann man sie völlig negieren. Wali besucht weder Gaza noch die besetzten Gebiete. Manchmal entsteht gar der Eindruck, als möge er Palästinenser einfach nicht. So blendet er diese Realität nicht nur genauso aus wie viele Israelis – schlimmer, er verfälscht die israelische Wirklichkeit, macht sich angreifbar und entwertet seine Absicht. Sich mit Besatzung und Militarismus auseinanderzusetzen, hat er geschrieben, sei Aufgabe der israelischen Intellektuellen. Das tun sie. Aber ist es nicht notwendig, die Gründe dafür zu benennen? Es fehlt dem Autor die Distanz zu seinem Sujet – ein wenig Tadel hätte nicht geschadet. PETRA STEINBERGER
NAJEM WALI: Reise in das Herz des Feindes. Ein Iraker in Israel. Aus dem Arabischen von Imke Ahlf-Wien. Carl Hanser Verlag, München 2009. 240 Seiten, 17,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Der Iraker Najem Wali fährt nach Israel – und vergisst die Kritik
Die Idee ist bestechend. Ein Araber, ein Iraker gar, reist in das Land, das in der gesamten arabischen Welt das absolut Böse symbolisiert, das Messer im Herz der arabischen Identität. Er betrachtet dieses Feindesland, neugierig und offen. Er begeht damit einen Tabubruch, der ihm nach der Veröffentlichung seines Berichtes viel Wut und Empörung von arabischer Seite eintragen wird (und nicht nur von dieser).
Najem Wali hat Israel besucht. Er stammt aus dem Irak, flüchtete 1980 und lebt seither, mit einigen Unterbrechungen, in Deutschland. Dreimal war er in den letzten Jahren in Israel, auf Einladung der Universität Haifa und der Jerusalemer Buchmesse. Er macht das Gegenteil dessen, was üblicherweise geschieht, wenn Araber über Israel schreiben. Er beschreibt, ohne zuvor ausführlich darüber zu dozieren, was Israel der Arabischen Welt angetan hat. Er lässt sich begeistert, geradezu überschwänglich auf die Menschen dort ein und stellt Israels Kultur, Politik und Gesellschaft ihren Entsprechungen in der arabischen Welt als Vorbild gegenüber. Er ist voll guten Willens und guter Absichten. Das ist sehr mutig für einen arabischen Autor, und man wünschte sich von viel mehr arabischen Intellektuellen, diesen Tabubruch zu begehen, sich endlich einmal einzulassen und die Existenz und Realität Israels weniger vorurteilsgeprägt zu betrachten.
Doch Tabubruch und guter Wille allein machen das Buch und Walis Erkenntnisse nicht unbedingt richtig. Israel hat ohne Zweifel ein politisches System, das jedem arabischen weit überlegen ist. Nur muss und will sich Israel nicht an arabischen Regimes messen lassen, sondern an anderen Demokratien, wenn auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich in ständiger kriegerischer Ausnahmesituation befindet. Nach israelischem Gesetz, schreibt Wali, besitzen die arabischen Mitbürger die vollen Bürgerrechte, außer dem Militärdienst gebe es keinen Unterschied zwischen ihnen und den jüdischen Mitbürgern.
Das mag in der Theorie so sein, und fraglos sind israelische Araber freier als in den meisten arabischen Staaten. Aber wer keinerlei Diskriminierung erkennen kann, der hat das Land nicht richtig bereist. Arabisch mag (bis jetzt) eine der drei Amtssprachen sein. Nur haben das eine Menge Israelis noch nie gehört. Man könnte das arabische Ehepaar fragen, das sich ein Haus kaufen wollte in einem jüdischen Ort . . . Und manchmal wirkt Wali geradezu naiv, etwa, wenn er von der Sicherheitskontrolle am Flughafen erzählt und davon, wie freundlich ihn die Beamten immer wieder befragten.
Um Gaza herum
Israel besitzt ohne Zweifel großartige Intellektuelle, eine freche und kritische Kunstszene. Walis Beschreibungen seiner jüdischen Gesprächspartner legt sie uns ans Herz, es sind kluge, sympathische Menschen, kritisch gegenüber dem eigenen Staat, oft voll Begeisterung für die arabische Kultur. Und Najem Wali beklagt zu Recht, dass es da keine Entsprechungen gebe von der anderen Seite.
Israel wird in Walis Beschreibung zu einer positiven Utopie, zum Gegenentwurf für seine Heimat, man kann geradezu spüren, wie sehr er einen Wandel, eine arabische Aufklärung, ja, deren Israelisierung herbeisehnt. Hier wird er am besten und am persönlichsten: Wenn er sich wundert und dann begeistern lässt von der „Irakleidenschaft” israelischer Professoren, wenn er erzählt von den Freundschaften, die israelische und arabische Intellektuelle doch immer wieder verbindet. Und wenn er die israelische Gedankenfreiheit mit der jahrzehntelangen Kulturvernichtung und dem Mord an der eigenen Geschichte vergleicht, die in seiner alten Heimat stattgefunden haben.
Aber Israel ist eben nicht das irdische Paradies. Wali scheint nur einen Teil der Realität wahrnehmen zu wollen. Natürlich darf Israel nicht allein an der Besatzung gemessen werden, aber ebenso wenig kann man sie völlig negieren. Wali besucht weder Gaza noch die besetzten Gebiete. Manchmal entsteht gar der Eindruck, als möge er Palästinenser einfach nicht. So blendet er diese Realität nicht nur genauso aus wie viele Israelis – schlimmer, er verfälscht die israelische Wirklichkeit, macht sich angreifbar und entwertet seine Absicht. Sich mit Besatzung und Militarismus auseinanderzusetzen, hat er geschrieben, sei Aufgabe der israelischen Intellektuellen. Das tun sie. Aber ist es nicht notwendig, die Gründe dafür zu benennen? Es fehlt dem Autor die Distanz zu seinem Sujet – ein wenig Tadel hätte nicht geschadet. PETRA STEINBERGER
NAJEM WALI: Reise in das Herz des Feindes. Ein Iraker in Israel. Aus dem Arabischen von Imke Ahlf-Wien. Carl Hanser Verlag, München 2009. 240 Seiten, 17,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Über die blumige, ein wenig zu Schwülstigkeiten neigende Ausdrucksweise muss man hinweg lesen, rät Klaus Bittermann, dann kann man aus dem Buch des 1956 im irakischen Basra geborenen und in Berlin lebenden Autors einen überraschenden Lektüregewinn ziehen. Seine Reise nach Israel hat Najem Wali unter der Prämisse angetreten, die dort lebenden Glaubens-, Lebens- und Flüchtlingsgemeinschaften auf ihre Demokratietauglichkeit hin zu prüfen, die sich für den Autor vor allem in der Wahrung von Minderheitsrechten ausdrückt, so Bittermann. Walis Erfahrungen mit Juden und Arabern sind zwar nicht ausschließlich positiv, aber es gibt auch hoffnungsvolle Ansätze wie in Haifa, wo das integrative Zusammenleben offiziell von der Stadtverwaltung gefördert wird oder in der Kleinstadt Abu Gosh, wo sich die arabische Bevölkerung während der palästinensischen Belagerung 1948 für eine Koexistenz mit den jüdischen Mitbürgern entschieden hat, von der heute auch wirtschaftlich beide Seiten profitieren. Das ist immerhin mehr, als in den arabischen Nachbarstaaten zu erwarten ist, die nach Auffassung des Autors durch ihren Glaubensfundamentalismus einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten entgegenstehen. Obwohl der Rezensent diese Einsicht selbst offenbar schon länger teilt, schätzt er den unideologischen und episch-erzählerischen Zugang Walis.
© Perlentaucher Medien GmbH
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