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Nach seinem epochalen Dresden-Roman Der Turm führt uns Uwe Tellkamp nun auf die Reise in eine andere, eine namenlose Stadt. Eine Stadt mit Serapionstheater, Nautischer Akademie und Basar, eine Stadt, in der die Häuser empfindliche Wangen haben, die Walfänger im alten Getreidehafen rosten und die Menschen gegen den Uhrzeigersinn träumen.Zart und schwebend, farbig und vielstimmig: Uwe Tellkamp legt mit Reise zur blauen Stadt ein Gedicht in vierzig Kapiteln vor, und alle zusammen ergeben sie das Bild eines magischen Ortes, dessen Bewohner nach dem "wirklichen Blau" suchen.
Nach seinem epochalen Dresden-Roman Der Turm führt uns Uwe Tellkamp nun auf die Reise in eine andere, eine namenlose Stadt. Eine Stadt mit Serapionstheater, Nautischer Akademie und Basar, eine Stadt, in der die Häuser empfindliche Wangen haben, die Walfänger im alten Getreidehafen rosten und die Menschen gegen den Uhrzeigersinn träumen.Zart und schwebend, farbig und vielstimmig: Uwe Tellkamp legt mit Reise zur blauen Stadt ein Gedicht in vierzig Kapiteln vor, und alle zusammen ergeben sie das Bild eines magischen Ortes, dessen Bewohner nach dem "wirklichen Blau" suchen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2009Ein zweites Pfingsten kurz vor Weihnachten
Dresdner Heimspiel: Uwe Tellkamps einzige Lesung aus seiner "Reise zur blauen Stadt"
Die blaue Stadt ist eine Parallelwelt, ein Märchenland. In ihm gibt es ein Serapionstheater, "und neben dem Feuerlöscher hängt ein Fallreep / nach Dresden, zum Zirkus Sarrasani". Diesen Einstieg aus dem Luftreich seiner phantastischen Dichtung in die Wirklichkeit hätte Uwe Tellkamp selbst gut gebrauchen können, denn der Raum, in dem er an diesem Mittwoch auftritt, platzt aus allen Nähten. Kunststück - erstens ist es für ihn ein Dresdner Heimspiel, im Kulturhaus Loschwitz, einem kleinen Schmuckstück in dem ehemaligen Fischerdorf direkt unterm Elbhang, dem "Turm"-Land aus Tellkamps großem Roman. Und dann ist es die einzige Lesung, die der erfolgreichste deutsche Autor des Jahres 2009 aus seinem neuen Buch "Reise zur blauen Stadt" veranstaltet.
Doch Tellkamp kommt nicht übers Fallreep, sondern aus der Eiseskälte, von draußen über die Feuertreppe durch eine Seitentür mitten ins sardinendichte Auditorium unter dem Dach des kleinen Fachwerkhauses. Dabei hat er den Einsatz zunächst überhört, den ihm der Geiger Florian Mayer gegeben hat, der die Texte begleitet - nein, kommentiert, weil Mayer auf kongeniale Weise die Stimmungen von Tellkamps Geschichten aufnimmt: spielerisch und orientalisch, verdreht und ziseliert, immer wieder mit verblüffenden Pointen. So trägt Tellkamp vor, und so interpretiert Mayer aus dem hintersten Winkel des Saals heraus, wo ein winziges Eckchen für den Musiker freigehalten ist. Und bisweilen übernimmt die Stimme der Veranstalterin Susanne Dagen geistergleich über Lautsprecher ein paar Sätze weiblicher Provenienz.
Die "Reise zur blauen Stadt" ist ein Gedichtzyklus. Er ist, wenn man von einem 1999 erschienenen Liebhaberdruck in sechs Exemplaren absieht, über dessen skurrile Publikationsgeschichte Tellkamp im vergangenen Jahr in seiner Leipziger Poetikvorlesung berichtet hat, die erste Lyrikveröffentlichung des Schriftstellers, der sich gleichwohl als Lyriker versteht. Wie jenes zehn Jahre alte Buch "nautilus" ist auch die "Reise zur blauen Stadt eher Epos als Gedichtsammlung, denn der namenlose Handlungsort wird charakterisiert durch seine Bewohner, die in einzelnen Texten vorgestellt und miteinander verschränkt werden, mal selbst als Sprecher, dann wieder als Beobachtungsobjekte, in Briefform oder als Protokoll, in Dialogen, Monologen oder - Höhepunkt des Loschwitzer Abends - einer Makame, jener morgenländischen Erzählform, die Friedrich Rückert mit seinen Nachdichtungen des arabischen Poeten Hariri in Deutschland bekannt gemacht hat. Tellkamp erzählt in dieser scheinbar schlichten, aber höchst gewitzten Reimform die traurige Liebesgeschichte des Bäckers Selim und der schönen Sharareh. Und wie er es tut, erstmals stehend, sich spreizend wie ein Jahrmarktdichter, augenzwinkernd mit dem Publikum schäkernd und chargierend, um jede der zahlreichen Rollen nicht nur zu schildern, sondern darzustellen, das ist ein ganz großes Schauspiel.
Hunderte von Versen umfasst diese Makame, und erst ganz am Schluss nimmt Tellkamp das Manuskript zu Hilfe. Wie überhaupt der ganze Abend keine Dichterlesung ist, sondern eine Rezitation. Tellkamp hat sich kurz vor dem Auftritt entschieden, frei vorzutragen, wie er sich auch erst zwei Stunden vor Beginn mit dem Improvisationskünstler Mayer abgesprochen hat, und dann sitzt er mitten im Publikum, nur schwach durch eine einzelne Leuchte aus dem Dunkel hervorgehoben, ohne Buch oder Blatt, ganz Erzähler, und sofort ist die Märchenstimmung da, die sein neues Buch bestimmt, wenn es den Souffleur Papillon vorstellt, den Admiral von Krusenstern oder, als Zugabe nach der gefeierten Makame, die Lehrerin Libussa Federspiel. Diese Personen wollen laut vorgelesen werden; es ist ein Buch der Mündlichkeit, wie Lyrik es verlangt.
Doch Tellkamp gebricht es an der Zeit, die "Reise zur blauen Stadt" so zum Leben zu erwecken; er sitzt an der Fortsetzung zum "Turm", und das noch für mehrere Jahre, wie er schätzt. So muss das Buch sein Eigenleben im Ohr der Leser beginnen, um in vielerlei Zungen sprechen zu können. Die Gäste in Loschwitz aber haben kurz vor Weihnachten ihr Pfingsterlebnis.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dresdner Heimspiel: Uwe Tellkamps einzige Lesung aus seiner "Reise zur blauen Stadt"
Die blaue Stadt ist eine Parallelwelt, ein Märchenland. In ihm gibt es ein Serapionstheater, "und neben dem Feuerlöscher hängt ein Fallreep / nach Dresden, zum Zirkus Sarrasani". Diesen Einstieg aus dem Luftreich seiner phantastischen Dichtung in die Wirklichkeit hätte Uwe Tellkamp selbst gut gebrauchen können, denn der Raum, in dem er an diesem Mittwoch auftritt, platzt aus allen Nähten. Kunststück - erstens ist es für ihn ein Dresdner Heimspiel, im Kulturhaus Loschwitz, einem kleinen Schmuckstück in dem ehemaligen Fischerdorf direkt unterm Elbhang, dem "Turm"-Land aus Tellkamps großem Roman. Und dann ist es die einzige Lesung, die der erfolgreichste deutsche Autor des Jahres 2009 aus seinem neuen Buch "Reise zur blauen Stadt" veranstaltet.
Doch Tellkamp kommt nicht übers Fallreep, sondern aus der Eiseskälte, von draußen über die Feuertreppe durch eine Seitentür mitten ins sardinendichte Auditorium unter dem Dach des kleinen Fachwerkhauses. Dabei hat er den Einsatz zunächst überhört, den ihm der Geiger Florian Mayer gegeben hat, der die Texte begleitet - nein, kommentiert, weil Mayer auf kongeniale Weise die Stimmungen von Tellkamps Geschichten aufnimmt: spielerisch und orientalisch, verdreht und ziseliert, immer wieder mit verblüffenden Pointen. So trägt Tellkamp vor, und so interpretiert Mayer aus dem hintersten Winkel des Saals heraus, wo ein winziges Eckchen für den Musiker freigehalten ist. Und bisweilen übernimmt die Stimme der Veranstalterin Susanne Dagen geistergleich über Lautsprecher ein paar Sätze weiblicher Provenienz.
Die "Reise zur blauen Stadt" ist ein Gedichtzyklus. Er ist, wenn man von einem 1999 erschienenen Liebhaberdruck in sechs Exemplaren absieht, über dessen skurrile Publikationsgeschichte Tellkamp im vergangenen Jahr in seiner Leipziger Poetikvorlesung berichtet hat, die erste Lyrikveröffentlichung des Schriftstellers, der sich gleichwohl als Lyriker versteht. Wie jenes zehn Jahre alte Buch "nautilus" ist auch die "Reise zur blauen Stadt eher Epos als Gedichtsammlung, denn der namenlose Handlungsort wird charakterisiert durch seine Bewohner, die in einzelnen Texten vorgestellt und miteinander verschränkt werden, mal selbst als Sprecher, dann wieder als Beobachtungsobjekte, in Briefform oder als Protokoll, in Dialogen, Monologen oder - Höhepunkt des Loschwitzer Abends - einer Makame, jener morgenländischen Erzählform, die Friedrich Rückert mit seinen Nachdichtungen des arabischen Poeten Hariri in Deutschland bekannt gemacht hat. Tellkamp erzählt in dieser scheinbar schlichten, aber höchst gewitzten Reimform die traurige Liebesgeschichte des Bäckers Selim und der schönen Sharareh. Und wie er es tut, erstmals stehend, sich spreizend wie ein Jahrmarktdichter, augenzwinkernd mit dem Publikum schäkernd und chargierend, um jede der zahlreichen Rollen nicht nur zu schildern, sondern darzustellen, das ist ein ganz großes Schauspiel.
Hunderte von Versen umfasst diese Makame, und erst ganz am Schluss nimmt Tellkamp das Manuskript zu Hilfe. Wie überhaupt der ganze Abend keine Dichterlesung ist, sondern eine Rezitation. Tellkamp hat sich kurz vor dem Auftritt entschieden, frei vorzutragen, wie er sich auch erst zwei Stunden vor Beginn mit dem Improvisationskünstler Mayer abgesprochen hat, und dann sitzt er mitten im Publikum, nur schwach durch eine einzelne Leuchte aus dem Dunkel hervorgehoben, ohne Buch oder Blatt, ganz Erzähler, und sofort ist die Märchenstimmung da, die sein neues Buch bestimmt, wenn es den Souffleur Papillon vorstellt, den Admiral von Krusenstern oder, als Zugabe nach der gefeierten Makame, die Lehrerin Libussa Federspiel. Diese Personen wollen laut vorgelesen werden; es ist ein Buch der Mündlichkeit, wie Lyrik es verlangt.
Doch Tellkamp gebricht es an der Zeit, die "Reise zur blauen Stadt" so zum Leben zu erwecken; er sitzt an der Fortsetzung zum "Turm", und das noch für mehrere Jahre, wie er schätzt. So muss das Buch sein Eigenleben im Ohr der Leser beginnen, um in vielerlei Zungen sprechen zu können. Die Gäste in Loschwitz aber haben kurz vor Weihnachten ihr Pfingsterlebnis.
ANDREAS PLATTHAUS
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»Ein märchenhaftes Capriccio. Reise zur blauen Stadt lässt an die Blaue Blume der Romantik denken wie an Malerei von Paul Klee oder Franz Marc.« Harald Hartung Frankfurter Allgemeine Zeitung 20090926