"Christoph Hennig, Sozialwissenschaftler, Reiseleiter und Reiseschriftsteller zwischen Deutschland und Italien, hat eine umfassende, gut zu lesende Studie vorgelegt, die den Ritualen modernen Reisens nachgeht. Hennig entwickelt keine Theorie des Tourismus, vielmehr zeichnet er referierend aus einer Fülle von Einzeluntersuchungen Merkmale und Motive dieses saisonalen Nomadentums auf." Angelika Overath, Neue Zürcher Zeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.1998Tourismus-Theorie
"Reiselust - Touristen, Tourismus und Urlaubskultur" von Christoph Hennig. Insel Verlag, Frankfurt und Leipzig 1997. 228 Seiten, gebunden, 29,80 Mark. ISBN 3458168419.
Manch einer, der viel reist, sieht sich bisweilen Anfeindungen ausgesetzt. Fluchttendenzen, Wurzellosigkeit, Langeweile oder Sensationsgier sind nur einige der gängigen Klischees, die dem Reisefreund von mißgünstigen Zeitgenossen zur Begründung übermäßiger Reiselust unter die Nase gerieben werden. Damit ist es vorbei, denn Christoph Hennig hat in dem vorliegenden Buch eine Perspektive entwickelt, die die Theorie des Reisenden nach eigenem Anspruch endlich vom Kopf auf die Füße stellt. Ungefähr so, als würden wir sagen, wir lieben gar nicht einen Partner um seiner selbst willen, sondern nur insoweit er unsere eigene Person möglichst effektvoll widerspiegelt - so geht es nach Hennig beim Reisen in Wirklichkeit gar nicht um die Ziele, sondern allein um das "Erleben fiktiver Räume", um die Verzauberung unserer selbst in neuartigen Umgebungen, die selbst doch immer nur Resonanzboden bleiben, auf denen die Reisenden ihre Subjektivität um so lustvoller empfinden können. Die große weite Welt schrumpft somit zur Requisitenkammer, aus der der moderne Tourist als Impresario seiner selbst seine Reise wie ein Theaterstück in Szene setzt - ein Ansatz, den der Autor konsequent und kenntnisreich mit den Problemstellungen der modernen Tourismusforschung konfrontiert. Auch wenn man nicht mit allen Schlußfolgerungen übereinstimmen mag - als amüsantes Korrektiv miesepetriger Tourismuskritik ist das Buch ein herzerfrischendes Erlebnis. Außerdem weiß man nun endlich, warum die Massai in der Serengeti, die Berber in der Kabylei und die Einwohner von Zanzibar-Town ganz zu Recht Bargeld sehen wollen, wenn sie fotografiert werden: Sie erheben eine legitime Bühnengage für ihre Mitwirkung bei der Selbstinszenierung der durch die Welt reisenden Persönlichkeit. (Wiz)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Reiselust - Touristen, Tourismus und Urlaubskultur" von Christoph Hennig. Insel Verlag, Frankfurt und Leipzig 1997. 228 Seiten, gebunden, 29,80 Mark. ISBN 3458168419.
Manch einer, der viel reist, sieht sich bisweilen Anfeindungen ausgesetzt. Fluchttendenzen, Wurzellosigkeit, Langeweile oder Sensationsgier sind nur einige der gängigen Klischees, die dem Reisefreund von mißgünstigen Zeitgenossen zur Begründung übermäßiger Reiselust unter die Nase gerieben werden. Damit ist es vorbei, denn Christoph Hennig hat in dem vorliegenden Buch eine Perspektive entwickelt, die die Theorie des Reisenden nach eigenem Anspruch endlich vom Kopf auf die Füße stellt. Ungefähr so, als würden wir sagen, wir lieben gar nicht einen Partner um seiner selbst willen, sondern nur insoweit er unsere eigene Person möglichst effektvoll widerspiegelt - so geht es nach Hennig beim Reisen in Wirklichkeit gar nicht um die Ziele, sondern allein um das "Erleben fiktiver Räume", um die Verzauberung unserer selbst in neuartigen Umgebungen, die selbst doch immer nur Resonanzboden bleiben, auf denen die Reisenden ihre Subjektivität um so lustvoller empfinden können. Die große weite Welt schrumpft somit zur Requisitenkammer, aus der der moderne Tourist als Impresario seiner selbst seine Reise wie ein Theaterstück in Szene setzt - ein Ansatz, den der Autor konsequent und kenntnisreich mit den Problemstellungen der modernen Tourismusforschung konfrontiert. Auch wenn man nicht mit allen Schlußfolgerungen übereinstimmen mag - als amüsantes Korrektiv miesepetriger Tourismuskritik ist das Buch ein herzerfrischendes Erlebnis. Außerdem weiß man nun endlich, warum die Massai in der Serengeti, die Berber in der Kabylei und die Einwohner von Zanzibar-Town ganz zu Recht Bargeld sehen wollen, wenn sie fotografiert werden: Sie erheben eine legitime Bühnengage für ihre Mitwirkung bei der Selbstinszenierung der durch die Welt reisenden Persönlichkeit. (Wiz)
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