Aus dem Buch: "Die Sonne röthete noch die Spitzen der umliegenden Berge, als wir heute Abend in diesem reizenden Thale anlangten. Diese stillen Gründe, dies rundum von Bergen eingeschloßne Thal, dieser Orangenwald, und dieser duftende Myrthenhain, locken den entzückten Wanderer in ihre Schatten, der hier, von der übrigen Welt gesondert, in süßer Einsamkeit seine Tage verleben möchte. Ein so reizendes Thal, als das, worin Fondi liegt, habe ich noch nie gesehen. Diese Gegend bezaubert meine Sinne, weil sie alles übertrift, was meine Einbildungskraft sich noch bisher gedacht hat. Was ich von Myrthenhainen und duftenden Wäldern früh in Dichtern las, und was der bloße Klang der Worte in schwachen Schattenbildern mir vor die Seele mahlte, das alles erhielt nun hier erst Wahrheit und Wirklichkeit, und dieser Anblick gewährt mir einen neuen Aufschluß in die Dichterwelt." Karl Philipp Moritz (1756-1793) war ein vielseitiger Schriftsteller des Sturm und Drang, der Berliner Aufklärung und der Weimarer Klassik, der auch der Frühromantik Impulse gab. Er hatte ein bewegtes Leben als Hutmacherlehrling, Schauspieler, Hofmeister, Lehrer, Redakteur, Schriftsteller, Spätaufklärer, Philosoph und Kunsttheoretiker.
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