Nach ihrer Ausreise aus dem Rumänien Ceauçescus könnte für Irene ein neues Leben im Westberlin der späten 80er Jahre beginnen. Aber innerlich ist sie weder ganz abgereist, noch ist sie endgültig im Neuen angekommen. Sie hat die alte Heimat verloren und keine neue gewonnen, die neue bleibt verschlossen: »In dem anderen Land, sagte Irene, hab ich verstanden, was die Menschen so kaputtmacht. Die Gründe lagen auf der Hand ... Und hier, sagte Irene. Ich kann sie nicht sehen. Es tut weh, täglich die Gründe nicht zu sehn.« Im neuen Land tragen die Dinge Namen, die nicht zu ihnen passen, zersplittert die Welt in unzählige Detailbeobachtungen, die sie orientierungslos und handlungsunfähig zurücklassen. Einsam durchstreift sie Bahnhofslandschaften und Durchgangsorte, auch in ihren Beziehungen mit Männern bleibt sie innerlich allein.'Reisende auf einem Bein', erstmals erschienen 1989, ist der erste Prosaband Herta Müllers nach ihrer Übersiedelung aus Rumänien nach Berlin: eine bewegende Geschichte von Ferne und Nähe, Abreise und Ankunft - und der Leere dazwischen, in der wir schmerzhaft uns selbst spüren.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Dies ist das erste Buch, das Herta Müller nach ihrer Ankunft in Deutschland veröffentlichte. Das Autobiografische merkt man, so Rezensent Burkhard Müller, ihm und ihrer in Deutschland ankommenden Heldin an. Glücklich wird diese freilich erst einmal nicht; sie staunt und zeigt sich verletzlich. Unterschiedliche Männer tauchen da auf, einer vergisst ihr zuliebe kurz mal seine Homosexualität. Hinter den alltäglichen Dingen - Flohmarkt, Chipstüte, Kaninchen - ahnt Irene ökonomische, politische und andere Verhängnisse. Knapp wird das beschrieben, in den Sätzen sieht der Rezensent eine "vorsichtige, scharfe Ökonomie" am Werk. Als "Kassandra", die in die Vergangenheit blickt, nimmt er diese Erzählerin wahr. Es hat ihn, wie es scheint, das Buch durchaus beeindruckt. Nur von Herzen glücklich gemacht hat es ihn sichtlich nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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