Produktdetails
- Verlag: Kösel
- Seitenzahl: 239
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 303g
- ISBN-13: 9783466204458
- ISBN-10: 3466204453
- Artikelnr.: 08182242
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2000Seine Heiligkeit und das Kalacakra-Tantra
Tibetischer Buddhismus und Politik: Verehrung des Dalai Lama
Michael von Brück: Religion und Politik im tibetischen Buddhismus. Kösel Verlag, München 1999. 240 Seiten, 36,- Mark.
Der Dalai Lama genießt in Deutschland und in fast allen Ländern der Ersten Welt großes Ansehen. Sein gewinnendes Wesen, sein Eintreten für Gewaltlosigkeit und Toleranz haben ihn zu einer moralischen Autorität werden lassen. Selbst jene, die hierzulande in aufgeklärter Attitüde das Wort "heilig" nicht mehr in den Mund nehmen wollen, haben keine Schwierigkeiten damit, den Mönch aus Tibet mit dem Titel "Seine Heiligkeit" anzusprechen. Viel Verständnis des tibetischen Buddhismus steht hinter solcher Verehrung für den Dalai Lama nicht, dafür aber viel Mystifizierung des fernen Tibet und seiner Religion.
Der Westen möchte Tibet nicht in seiner eigenen Gestalt wahrnehmen, sondern zieht eigene Projektionen auf das Land des Schnees und der Mysterien vor, schreibt Michael von Brück. Die Verbreitung des tibetischen Mythos liegt schon eine Weile zurück. Zu Ende des 19. Jahrhunderts waren es die Theosophen, die Tibet zum verborgenen Land der Mystik erklärten und in ihren Büchern bekannt machten. Auch die "Entdeckung" des tibetischen Totenbuches als Kultbuch hat die westliche Vorstellung von Tibet geprägt. Der tibetische Buddhismus oder das, was man dafür hält, wurde zunehmend von jenen entdeckt, die an den jeweiligen Weltanschauungen, in denen sie aufgewachsen waren, kein Genüge mehr fanden, so der Religionswissenschaftler Brück.
Resultat war und ist eine unkritische Mystifizierung des alten Tibet als einer idealen Lebenswelt. Dagegen steht eine Verurteilung des alten Tibet als einer inhumanen Unterdrückungsgesellschaft, wie sie zum Beispiel von chinesischen Historikern, mittlerweile aber auch von einigen Autoren im Westen geäußert wird. Brück ist es gelungen, in einem knappen Überblick eine weder beschönigende noch ausfallend kritische Darstellung des Verhältnisses von Religion und Politik in Tibet zu geben. Manchen Mythos kann man nach der Lektüre schnell vergessen.
Weder war das alte Tibet besonders friedlich, noch waren seine Lamas alle besonders heilig. Es hat Kriege mit Nachbarn und Rivalen gegeben, Fraktionskämpfe wurden blutig ausgetragen. Die verschiedenen Schulen des tibetischen Buddhismus haben um die Macht gekämpft. Brücks Darstellung erhellt auch das historisch wechselhafte Verhältnis zwischen Tibetern, Mongolen und Chinesen, das bis heute nachwirkt. Denn die Chinesen begründen ihren Herrschaftsanspruch damit, Tibet sei schon immer chinesisches Territorium gewesen.
Brück bemüht sich sodann, die Grundlagen des tibetischen Buddhismus, Mahayana-Buddhismus und Tantrismus zu beschreiben. Dieser Teil des Buches ist offensichtlich auch als Verteidigung des tibetischen Buddhismus gegen die jüngsten Angriffe aus dem Werk "Im Schatten des Dalai Lama" entstanden. Dessen Autoren, Victor und Victoria Trimondi, "entlarven" auch dunkle sexuelle Praktiken des tantrischen Buddhismus und unterstellen dem Dalai Lama sogar ein Streben nach Weltherrschaft.
Spätestens hier wird deutlich, daß auch Brück ein Verehrer des Dalai Lama ist und daß auch er in manche Falle der Mystifizierung tappt. Er gibt eine ausführliche Darstellung des Kalacakra-Tantra, über die sexuellen Praktiken des tantrischen Buddhismus geht er dezent hinweg. Der Autor verweist darauf, daß früher nur wenige wohl Vorbereitete in diesen Ritus initiiert wurden, daß der jetztige Dalai Lama das Kalacakra-Tantra in Massen-Initiationen verbreite. Er enthält sich aber der Kritik. Die Verehrung des Dalai Lama schlägt auch in einem angefügten Gespräch des Autors mit dem Dalai Lama durch, in dem allgemein über Frieden und Toleranz gesprochen wird und der Dalai Lama auf jede konkrete Frage - wie etwa nach der Gentechnologie - konsequent unklar bleibt. Trotz dieser Schwächen ist das Buch als Einführung in eine schwierige Materie zu empfehlen.
PETRA KOLONKO
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tibetischer Buddhismus und Politik: Verehrung des Dalai Lama
Michael von Brück: Religion und Politik im tibetischen Buddhismus. Kösel Verlag, München 1999. 240 Seiten, 36,- Mark.
Der Dalai Lama genießt in Deutschland und in fast allen Ländern der Ersten Welt großes Ansehen. Sein gewinnendes Wesen, sein Eintreten für Gewaltlosigkeit und Toleranz haben ihn zu einer moralischen Autorität werden lassen. Selbst jene, die hierzulande in aufgeklärter Attitüde das Wort "heilig" nicht mehr in den Mund nehmen wollen, haben keine Schwierigkeiten damit, den Mönch aus Tibet mit dem Titel "Seine Heiligkeit" anzusprechen. Viel Verständnis des tibetischen Buddhismus steht hinter solcher Verehrung für den Dalai Lama nicht, dafür aber viel Mystifizierung des fernen Tibet und seiner Religion.
Der Westen möchte Tibet nicht in seiner eigenen Gestalt wahrnehmen, sondern zieht eigene Projektionen auf das Land des Schnees und der Mysterien vor, schreibt Michael von Brück. Die Verbreitung des tibetischen Mythos liegt schon eine Weile zurück. Zu Ende des 19. Jahrhunderts waren es die Theosophen, die Tibet zum verborgenen Land der Mystik erklärten und in ihren Büchern bekannt machten. Auch die "Entdeckung" des tibetischen Totenbuches als Kultbuch hat die westliche Vorstellung von Tibet geprägt. Der tibetische Buddhismus oder das, was man dafür hält, wurde zunehmend von jenen entdeckt, die an den jeweiligen Weltanschauungen, in denen sie aufgewachsen waren, kein Genüge mehr fanden, so der Religionswissenschaftler Brück.
Resultat war und ist eine unkritische Mystifizierung des alten Tibet als einer idealen Lebenswelt. Dagegen steht eine Verurteilung des alten Tibet als einer inhumanen Unterdrückungsgesellschaft, wie sie zum Beispiel von chinesischen Historikern, mittlerweile aber auch von einigen Autoren im Westen geäußert wird. Brück ist es gelungen, in einem knappen Überblick eine weder beschönigende noch ausfallend kritische Darstellung des Verhältnisses von Religion und Politik in Tibet zu geben. Manchen Mythos kann man nach der Lektüre schnell vergessen.
Weder war das alte Tibet besonders friedlich, noch waren seine Lamas alle besonders heilig. Es hat Kriege mit Nachbarn und Rivalen gegeben, Fraktionskämpfe wurden blutig ausgetragen. Die verschiedenen Schulen des tibetischen Buddhismus haben um die Macht gekämpft. Brücks Darstellung erhellt auch das historisch wechselhafte Verhältnis zwischen Tibetern, Mongolen und Chinesen, das bis heute nachwirkt. Denn die Chinesen begründen ihren Herrschaftsanspruch damit, Tibet sei schon immer chinesisches Territorium gewesen.
Brück bemüht sich sodann, die Grundlagen des tibetischen Buddhismus, Mahayana-Buddhismus und Tantrismus zu beschreiben. Dieser Teil des Buches ist offensichtlich auch als Verteidigung des tibetischen Buddhismus gegen die jüngsten Angriffe aus dem Werk "Im Schatten des Dalai Lama" entstanden. Dessen Autoren, Victor und Victoria Trimondi, "entlarven" auch dunkle sexuelle Praktiken des tantrischen Buddhismus und unterstellen dem Dalai Lama sogar ein Streben nach Weltherrschaft.
Spätestens hier wird deutlich, daß auch Brück ein Verehrer des Dalai Lama ist und daß auch er in manche Falle der Mystifizierung tappt. Er gibt eine ausführliche Darstellung des Kalacakra-Tantra, über die sexuellen Praktiken des tantrischen Buddhismus geht er dezent hinweg. Der Autor verweist darauf, daß früher nur wenige wohl Vorbereitete in diesen Ritus initiiert wurden, daß der jetztige Dalai Lama das Kalacakra-Tantra in Massen-Initiationen verbreite. Er enthält sich aber der Kritik. Die Verehrung des Dalai Lama schlägt auch in einem angefügten Gespräch des Autors mit dem Dalai Lama durch, in dem allgemein über Frieden und Toleranz gesprochen wird und der Dalai Lama auf jede konkrete Frage - wie etwa nach der Gentechnologie - konsequent unklar bleibt. Trotz dieser Schwächen ist das Buch als Einführung in eine schwierige Materie zu empfehlen.
PETRA KOLONKO
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Eine maßvolle Darstellung von Religion und Politik in Tibet scheint dem Autor dieses Buches nur mit Hilfe einiger Scheuklappen gelungen zu sein. Zwar könne man so manchen Mythos - etwa über die Heiligkeit und Friedlichkeit Tibets - nach der Lektüre schnell vergessen, so Petra Kolonka, im Falle des Dalai Lama aber oder durchaus strittiger Themen ("dunkle sexuelle Praktiken des tantrischen Buddhismus", Weltherrschaftsanspruch des Dalai Lama) tappe der Religionswissenschaftler Brück selbst in die Falle der Mystifizierung. Verzeihliche Schwächen, meint die Rezensentin. Vorausgesetzt, man begreift das Buch als "Einführung in eine schwierige Materie".
© Perlentaucher Medien GmbH
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