Für Teichmüller waren die Religionen das 'Erz' der Philosophie. Alle Weltauffassungen seien in vorwissenschaftlicher Form in ihnen enthalten und müssten von der Philosophie 'in Begriffen gewonnen werden'.Dies unternimmt die 1886 erschienene Religionsphilosophie. Sie schliesst an Die wirkliche und die scheinbare Welt an und ist Teil von Teichmüllers Projekt der Entwicklung einer neuen, personalistischen Philosophie. Aus dieser Perspektive analysiert er auch die Religionen. Dafür zieht er nicht nur Texte, sondern auch zahlreiche religiöse Verhaltensweisen, Kulte und Artefakte heran. Die Zurücknahme der Projektion des Gottesbewusstseins und das zunehmende Bewusstsein um das eigene Ich bestimmen nach Teichmüller die religiöse Entwicklung. Dabei unterscheidet er eine projektivische, eine pantheistische und eine personalistische Stufe der Religion. Der zweite geplante Band der Religionsphilosophie sollte das Christentum als Vertreterin der personalistischen Religion behandeln. Wegen des unerwarteten Todes Teichmüllers blieb er ungeschrieben. Als Ersatz wird der Religionsphilosophie ein aus dem Nachlass ediertes Manuskript seiner Vorlesungen über Philosophie des Christenthums beigefügt, die zeitlich und inhaltlich unmittelbar an die Religionsphilosophie anschlossen. Teichmüllers entmythologisiertes Christentum ist nicht nur die Religion der selbständigen, ewigen menschlichen Person. Es befreit auch von der Angst vor Gottes Strafe, von der Qual des Sündenbewusstseins und dem Bangen um Erlösung und emanzipiert das Individuum von totalitären religiösen Institutionen.
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