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Wie kommt es, dass der Begriff »Rembrandt« zu einem Synonym für Wert und Einzigartigkeit geworden ist? Kunsthistoriker überprüfen seit Jahren, welche Bilder aus der Hand des Meisters stammen und welche von Schülern, Mitarbeitern oder Nachfolgern gemalt wurden ? Aberkennungen lassen nicht nur die Fachwelt aufhorchen. Doch für Rembrandt zählte die Vervielfachung »echter« Werke zu den alltäglichen Aufgaben seines »Malunternehmens«. Svetlana Alpers durchforscht Rembrandts künstlerische Laufbahn, den Wandel seiner Arbeiten und seinen Markwert ? und lässt den Künstler als Mensch und Maler in einem anderen Licht erscheinen.…mehr

Produktbeschreibung
Wie kommt es, dass der Begriff »Rembrandt« zu einem Synonym für Wert und Einzigartigkeit geworden ist? Kunsthistoriker überprüfen seit Jahren, welche Bilder aus der Hand des Meisters stammen und welche von Schülern, Mitarbeitern oder Nachfolgern gemalt wurden ? Aberkennungen lassen nicht nur die Fachwelt aufhorchen. Doch für Rembrandt zählte die Vervielfachung »echter« Werke zu den alltäglichen Aufgaben seines »Malunternehmens«. Svetlana Alpers durchforscht Rembrandts künstlerische Laufbahn, den Wandel seiner Arbeiten und seinen Markwert ? und lässt den Künstler als Mensch und Maler in einem anderen Licht erscheinen.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.1997

Aufstand der Sichtbarkeit

In ihrem Buch über Rembrandt (Rembrandt's Enterprise, 1988; Rembrandt als Unternehmer. Sein Atelier und der Markt, 1989) hat die amerikanische Kunsthistorikerin Svetlana Alpers dem Atelier des Künstlers eine heimliche Hauptrolle zugewiesen. Es ist der Widerpart der heiligen Schriften, denen der Maler alttestamentlicher Historienbilder seine Stoffe entnimmt. Als Raum der Vergegenwärtigung und Inszenierung steht es der Tradition und ihrer Autorität gegenüber. Die Modelle, die der Maler hier auftreten läßt, rivalisieren mit der Kunst der Vergangenheit. Die Inszenierung von Blickfeldern, an der die Schüler in der Werkstatt des Meisters teilhaben, ist für sie eine Alternative zur Italien-Reise. Rembrandt in seinem Atelier ist ein Theaterdirektor, der das Leben nachstellt, um es in die Darstellungen der Kunst zu übersetzen.

Man darf in dem Rembrandt-Buch eine der Keimzellen für das Vorhaben vermuten, das Svetlana Alpers unlängst im Potsdamer Einstein-Forum vorstellte: die Geschichte der Malerei seit 1600 als die Geschichte der Malerei im Atelier zu schreiben. Ausgangspunkt ist nun freilich nicht mehr die Analogie von Atelier und Bühne, sondern die von Atelier und Laboratorium. Die Abkehr der neueren Wissenschaftsgeschichte von der Ideengeschichte und ihre Zuwendung zur Geschichte der wissenschaftlichen Praktiken soll offenbar in der Kunsthistorie eine Entsprechung finden. Wie das Laboratorium für die Wissenschaftsgeschichte nicht mehr nur ein Schauplatz, sondern wie die Luftpumpe oder die Leidener Flasche ein theoriegesättigtes Medium ist, so rekonstruiert die Kunsthistorikerin das Atelier als Instrument des Selbstentwurfes der Malerei. Exemplarisch dafür ist die holländische Malerei des siebzehnten Jahrhunderts auch dort, wo sie nicht den Maler im Atelier als Bildthema hat.

Unschwer läßt sich an diesem Vorhaben das zweipolige Schema neuzeitlicher Malerei wiedererkennen, das alle Bücher von Svetlana Alpers strukturiert. Das Ziel ihrer Gegenüberstellung der "beschreibenden" Malerei des Nordens und der "erzählenden" des Südens ist es, die kunsthistorische Privilegierung der italienischen Renaissance rückgängig zu machen und die beherrschende Position der am Studium der Renaissance ausgebildeten Ikonologie zu untergraben. Das zum Laboratorium der neuzeitlichen Wissenschaft in Analogie gesetzte Atelier ist ebenfalls ein Instrument, mit dem die Maler mit der Sichtbarkeit der Dinge und der Gegenstandsgewißheit experimentieren. Die aus dem Geist des Ateliers geborene holländische Malerei des siebzehnten Jahrhunderts ist auf diese Weise eine hochgerüstete Rivalin der Historienmalerei des Südens, deren Verwurzelung im Narrativen bei Alpers stets den Verdacht der Unterordnung des Bildes unter das Wort, der Sichtbarkeit unter den verborgenen Schriftsinn weckt. Deshalb stellte Svetlana Alpers ihr Vorhaben weder als einen Aufriß zur Sozialgeschichte des Ateliers noch als Geschichte des Bildmotivs "Künstler im Atelier" dar, sondern als die Entdeckung der Malerei als einer nicht erzählenden Kunst.

Die neue soziale Rolle des Malers und sein vom Markt genährtes Selbstbewußtsein tragen zu der Energie bei, mit der er das Atelier zu seinem Laboratorium macht. Vor allem aber wird die Kultivierung der Malerei als Atelierkunst durch die besondere künstlerische Erfahrung im Atelier vorangetrieben. Mag das empirische Atelier noch so bevölkert sein, als Ort der Begegnung des Künstlers mit sich selbst kennt es nur den Maler und sein Modell. Auch diese Akzentuierung des Ateliers als eines produktiven Erfahrungsraums ist ein Kontrast zur Renaissance-Tradition. Das Studium des Ateliers als des virtuellen Zentrums einer Malerei, die sich grundsätzlich vom Historienbild unterscheidet, nimmt bei Alpers die Stelle ein, die in der Kunstgeschichte der Renaissance das Studium der neuplatonischen Philosophien, der Traktate über das Schöne und die Perspektive innehaben.

Ihre Auffassung des Ateliers erläuterte Svetlana Alpers an einer Fülle von Bildbeispielen. Vermeers Wiener Atelierbild, in dem die pinselführende Hand des Künstlers als "Übergangsobjekt" zur Sphäre des Modells fungiert, ist ein extremer Pol des Selbstbewußtseins der Ateliermalerei als einer Kunst, die die äußere Welt in den Innenraum holt. In den Interieurs und Stilleben ist das Atelier als implizite Voraussetzung der Experimente mit dem Licht und der Präsentation der Dinge präsent. Der Strauß von Blumen, die in der Natur nur zu verschiedenen Jahreszeiten blühen, ist ein Ateliergewächs, und auch die Tische, auf denen die Vasen und Schalen stehen, sind Teil einer Versuchsanordnung zur Wahrnehmung der Dinge.

Indem Svetlana Alpers "Las Meninas" von Velazquez als Atelierbild in die unmittelbare Nähe des Gravitationszentrums der nördlichen Malerei rückt oder das Historienbild bei Caravaggio vom Geist des Stillebens erfaßt sieht, unterstreicht sie ihren Anspruch, im Atelier das tragende Element einer Epochenkonstruktion vom siebzehnten Jahrhundert bis hin zu Francis Bacon gefunden zu haben. Immer wieder blendete sie Photographien moderner Künstler in ihren Ateliers ein.

Die Geschichte des Impressionismus vom Mythos der Pleinair-Malerei bis zu Cézanne schilderte sie als zwei Etappen des Atelier-Laboratoriums, in denen wie in der Wissenschaftsgeschichte das mimetische vom analytischen Experiment abgelöst wird. Die Errungenschaften der Moderne lassen sich als Metamorphosen des im siebzehnten Jahrhundert gegebenen ursprünglichen Impulses auffassen. Sind nicht auch Cézannes Landschaften Stilleben aus dem Geist des Ateliers, findet man nicht bei ihm wie bei Vermeer Blätter auf Teppichen? Svetlana Alpers erzählte ihre Geschichte so, daß sie erst in unserer Gegenwart ihr Ende findet, wenn die vielfältigen Formen von "performances" das Atelier als Laboratorium der Kunst allmählich zu ersetzen beginnen. LOTHAR MÜLLER

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