Winner of the IMPAC Award and Booker Prize nominee In this rich and compelling novel, written in language of astonishing poise and resonance, one of Australia's greatest living writers gives and immensely powerful vision of human differences and eternal divisions. In the mid-1840s a thirteen-year-old British cabin boy, Gemmy Fairley, is cast ashore in the far north of Australia and taken in by aborigines. Sixteen years later he moves back into the world of Europeans, among hopeful yet terrified settlers who are staking out their small patch of home in an alien place. To them, Gemmy stands as a different kind of challenge: he is a force that at once fascinates and repels. His own identity in this new world is as unsettling to him as the knowledge he brings to others of the savage, the aboriginal. "Breathtaking...To read this remarkable book is to remember Babylon well, whether you think you've been there or not." --The New York Times Book Review
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996In der Wärme der Meute
David Maloufs Roman einer Hexenjagd / Von Gerhard Schulz
Als vor zwei Jahren David Maloufs "Remembering Babylon" in London in die Endausscheidung um den Booker-Preis gelangte, der dann aber an den Iren Roddy Doyle ging, wurden manche Einwände gegen das Buch laut. War es nicht doch eher eine konstruierte Parabel statt eines erzählten Romans? Glaubt man wirklich einem englischen Schiffsjungen, der sein halbes Leben bei den australischen Eingeborenen zugebracht und sein Englisch fast verlernt hat, daß er zu den britischen Kolonisten dort in der guten Absicht zurückkehrt, "die Entfernung zwischen beiden Welten", der schwarzen und der weißen, überwinden zu helfen? Und wäre nicht bei einem Stoff aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von vornherein klar, daß dergleichen mißlingen muß?
Aus der Geschichte ist bekannt, daß für die neuen, britischen Herren des fünften Kontinents die dunkelhäutigen "Aborigines" nichts als Ungeziefer waren, das man am besten totschlug. Die historische Tatsache des Völkermords, der sich damals dort unten ereignete, dringt in wachsendem Maße in das öffentliche Bewußtsein des heutigen Australien, und Maloufs Roman gehört ganz unverhohlen in den Prozeß einer solchen kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. In diesem Sinne besitzt sein Roman durchaus parabolischen Charakter. Aber jetzt, beim Wiederlesen in der recht flüssigen deutschen Übersetzung, verblassen dennoch die Bedenken gegenüber einem Werk, das weit über seine einfache Fabel hinausführt.
Malouf gilt zur Zeit als einer der renommiertesten australischen Schriftsteller. Geschichte und Eigenart des Landes, seine Größe und harsche Natur sind ihm der Boden für jene menschlichen Konflikte, die zu erzählen es ihn eigentlich drängt. Darin folgt er immer wieder dem Vorbild Patrick Whites, des Kirchenvaters einer eigenständigen australischen Literatur, von dem sich allerdings Jüngere wie Peter Carey betont entfernen. Aber auch Malouf hat sich längst eine eigene poetische Sprache geschaffen, weicher, lyrischer als die Whites und ohne dessen moralische Strenge, so wenig diese etwa der Geschichte vom Schiffsjungen Gemmy fehlt.
Seine Landsleute werfen ihn krank über Bord, Eingeborene retten ihn und nehmen ihn im Laufe der Zeit in ihren Stamm auf. "Jenseits von Babylon" ist zuallererst der Roman einer Hexenjagd. Wie bei den Kolonialisten in der kleinen Ortschaft von Comet River im tropischen Norden aus zögernder Hilfe für den Fremden erst Mißtrauen, dann ein unartikulierter Haß erwächst, der in brutale Gewalt umschlägt, das ist hier beklemmend genau erzählt - beklemmend deshalb, weil sich bekanntlich ähnliches immer wieder ereignet. Zu den Weißen kann man diesen seltsamen Zuwanderer, der sich Sprache, Denkweise, Lebensgewohnheiten und die den Europäern unverständliche Sensivität der Eingeborenen angeeignet hat, kaum mehr rechnen. Vor den Schwarzen aber fürchtet man sich, weil man sie nicht kennt und nicht kennen will - man ist ihr Herr, wie man sich zum Besitzer ihres Landes gemacht hat. So werden die Harmlosen und Zahmen im Dunkel der Nacht und in der Wärme der Meute zu Schlägern, die Besonneneren aber geben ihnen schließlich nach. Das Szenarium ist allzu vertraut.
Mehr noch als in den vorausgehenden Romanen "Verspieltes Land" und "Große Welt" führt Malouf hier die in jedem Alltag dicht beieinanderliegenden Motivationen für Böses und Gutes vor. Staunenswert, mit welch reichem Personal sorgfältig differenzierter Gestalten er zu operieren versteht und jeder davon eine Geschichte gibt: Farmer und ihre Frauen, Pastor, Lehrer, die seltsame, warmherzige Mrs. Hutchence und die schöne, geheimnisvolle Leona. Zwei Kinder aber sind es zuerst, die mit einer Geste der Macht den Fremden in Empfang nehmen, dann jedoch ihr Leben lang nicht von dieser Begegnung loskommen, in der sich für sie etwas ereignet, das zu verstehen sie nicht in der Lage sind. Dieses Etwas ist das zweite Thema des Romans.
Malouf erzählt zwar keine Parabel, wohl aber eine exemplarische Geschichte. Von Dingen jenseits der Sprache soll die Rede sein, vom fortbestehenden babylonischen Turm unter den Menschen, für den allein der Poet so etwas wie ein Kommunikationssystem installieren könnte. Denn dem Bösen steht Gutes gegenüber, dem Haß die Liebe, dem Tod das "andere Leben", wie es am Schluß des Buches heißt. Man kann das simpel verstehen als Verkündung einer Art weltlichen Mysteriums, als ein wachsendes "inniges Verständnis für das", was die Erde "wirklich ist", als ein Vertrautwerden mit ihr "von innen heraus", wie es heißt. Mysterien sind eine legitime Domäne für die Literatur, aber man bewegt sich dabei doch auf glattem Boden, der aus der Kunst hinaus in andere Territorien zu führen pflegt.
Malouf jedoch ist es um konkretes Territorium zu tun, um die problematische Landnahme eines Kontinents durch Europäer und um jene Konflikte des Mißverstehens zwischen Kulturen, die aus der Kolonisierungsmentalität der westlichen Welt entstanden sind. Die Tiefe der Konflikte dürfte tatsächlich in jene Sphären reichen, wo allein noch die imaginative Sprache der Kunst die rechten Fragen stellen kann. Die Sprache der politischen Argumentation versagt dagegen, denn daß die Weißen nichts als "Okkupanten" darstellten und besser zu Hause geblieben wären, würde nur dem Ratschlag entsprechen, daß Adam eben lieber nicht von Evas Apfel hätte essen sollen, weshalb sie sich denn bis heute des Paradieses erfreuten.
David Malouf: "Jenseits von Babylon". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Adelheid Dormagen. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1996. 239 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
David Maloufs Roman einer Hexenjagd / Von Gerhard Schulz
Als vor zwei Jahren David Maloufs "Remembering Babylon" in London in die Endausscheidung um den Booker-Preis gelangte, der dann aber an den Iren Roddy Doyle ging, wurden manche Einwände gegen das Buch laut. War es nicht doch eher eine konstruierte Parabel statt eines erzählten Romans? Glaubt man wirklich einem englischen Schiffsjungen, der sein halbes Leben bei den australischen Eingeborenen zugebracht und sein Englisch fast verlernt hat, daß er zu den britischen Kolonisten dort in der guten Absicht zurückkehrt, "die Entfernung zwischen beiden Welten", der schwarzen und der weißen, überwinden zu helfen? Und wäre nicht bei einem Stoff aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von vornherein klar, daß dergleichen mißlingen muß?
Aus der Geschichte ist bekannt, daß für die neuen, britischen Herren des fünften Kontinents die dunkelhäutigen "Aborigines" nichts als Ungeziefer waren, das man am besten totschlug. Die historische Tatsache des Völkermords, der sich damals dort unten ereignete, dringt in wachsendem Maße in das öffentliche Bewußtsein des heutigen Australien, und Maloufs Roman gehört ganz unverhohlen in den Prozeß einer solchen kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. In diesem Sinne besitzt sein Roman durchaus parabolischen Charakter. Aber jetzt, beim Wiederlesen in der recht flüssigen deutschen Übersetzung, verblassen dennoch die Bedenken gegenüber einem Werk, das weit über seine einfache Fabel hinausführt.
Malouf gilt zur Zeit als einer der renommiertesten australischen Schriftsteller. Geschichte und Eigenart des Landes, seine Größe und harsche Natur sind ihm der Boden für jene menschlichen Konflikte, die zu erzählen es ihn eigentlich drängt. Darin folgt er immer wieder dem Vorbild Patrick Whites, des Kirchenvaters einer eigenständigen australischen Literatur, von dem sich allerdings Jüngere wie Peter Carey betont entfernen. Aber auch Malouf hat sich längst eine eigene poetische Sprache geschaffen, weicher, lyrischer als die Whites und ohne dessen moralische Strenge, so wenig diese etwa der Geschichte vom Schiffsjungen Gemmy fehlt.
Seine Landsleute werfen ihn krank über Bord, Eingeborene retten ihn und nehmen ihn im Laufe der Zeit in ihren Stamm auf. "Jenseits von Babylon" ist zuallererst der Roman einer Hexenjagd. Wie bei den Kolonialisten in der kleinen Ortschaft von Comet River im tropischen Norden aus zögernder Hilfe für den Fremden erst Mißtrauen, dann ein unartikulierter Haß erwächst, der in brutale Gewalt umschlägt, das ist hier beklemmend genau erzählt - beklemmend deshalb, weil sich bekanntlich ähnliches immer wieder ereignet. Zu den Weißen kann man diesen seltsamen Zuwanderer, der sich Sprache, Denkweise, Lebensgewohnheiten und die den Europäern unverständliche Sensivität der Eingeborenen angeeignet hat, kaum mehr rechnen. Vor den Schwarzen aber fürchtet man sich, weil man sie nicht kennt und nicht kennen will - man ist ihr Herr, wie man sich zum Besitzer ihres Landes gemacht hat. So werden die Harmlosen und Zahmen im Dunkel der Nacht und in der Wärme der Meute zu Schlägern, die Besonneneren aber geben ihnen schließlich nach. Das Szenarium ist allzu vertraut.
Mehr noch als in den vorausgehenden Romanen "Verspieltes Land" und "Große Welt" führt Malouf hier die in jedem Alltag dicht beieinanderliegenden Motivationen für Böses und Gutes vor. Staunenswert, mit welch reichem Personal sorgfältig differenzierter Gestalten er zu operieren versteht und jeder davon eine Geschichte gibt: Farmer und ihre Frauen, Pastor, Lehrer, die seltsame, warmherzige Mrs. Hutchence und die schöne, geheimnisvolle Leona. Zwei Kinder aber sind es zuerst, die mit einer Geste der Macht den Fremden in Empfang nehmen, dann jedoch ihr Leben lang nicht von dieser Begegnung loskommen, in der sich für sie etwas ereignet, das zu verstehen sie nicht in der Lage sind. Dieses Etwas ist das zweite Thema des Romans.
Malouf erzählt zwar keine Parabel, wohl aber eine exemplarische Geschichte. Von Dingen jenseits der Sprache soll die Rede sein, vom fortbestehenden babylonischen Turm unter den Menschen, für den allein der Poet so etwas wie ein Kommunikationssystem installieren könnte. Denn dem Bösen steht Gutes gegenüber, dem Haß die Liebe, dem Tod das "andere Leben", wie es am Schluß des Buches heißt. Man kann das simpel verstehen als Verkündung einer Art weltlichen Mysteriums, als ein wachsendes "inniges Verständnis für das", was die Erde "wirklich ist", als ein Vertrautwerden mit ihr "von innen heraus", wie es heißt. Mysterien sind eine legitime Domäne für die Literatur, aber man bewegt sich dabei doch auf glattem Boden, der aus der Kunst hinaus in andere Territorien zu führen pflegt.
Malouf jedoch ist es um konkretes Territorium zu tun, um die problematische Landnahme eines Kontinents durch Europäer und um jene Konflikte des Mißverstehens zwischen Kulturen, die aus der Kolonisierungsmentalität der westlichen Welt entstanden sind. Die Tiefe der Konflikte dürfte tatsächlich in jene Sphären reichen, wo allein noch die imaginative Sprache der Kunst die rechten Fragen stellen kann. Die Sprache der politischen Argumentation versagt dagegen, denn daß die Weißen nichts als "Okkupanten" darstellten und besser zu Hause geblieben wären, würde nur dem Ratschlag entsprechen, daß Adam eben lieber nicht von Evas Apfel hätte essen sollen, weshalb sie sich denn bis heute des Paradieses erfreuten.
David Malouf: "Jenseits von Babylon". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Adelheid Dormagen. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1996. 239 S., geb., 36,- DM.
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Malouf dares a style in which a metaphor clinches a whole personality, while the common act of looking at the light and plants of Australia produces plainly spiritual transformations. Francis Spufford The Guardian (London)