Menschenrechte, Weltfrieden und Sicherheit für alle - die Vereinten Nationen verfolgen große Ziele. Was konnten sie bisher erreichen und was nicht? Warum? Und vor allem: Wie können die Vereinten Nationen reformiert werden, um ihr volles Potential zu entfalten? John Trent und Laura Schnurr geben eine verständliche und übersichtliche Einführung in die Geschichte und die Arbeitsweise der Vereinten Nationen und kombinieren diese mit praktischen Vorschlägen, wie sie gestärkt werden können und wie die erforderlichen Reformen tatsächlich gelingen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2021Im Rahmen ihrer Möglichkeiten
Was die Vereinten Nationen leisten können - und was nicht
Die Vereinten Nationen in El Salvador - das ruft keine Bilder hervor, weckt keine Emotionen. Ruanda, Bosnien-Hercegovina oder Syrien sind dagegen zu Metaphern für das Versagen der UN geworden und erodieren zu Recht das Vertrauen in globale Institutionen. Die Sozialunternehmerin Laura Schnurr und der emeritierte Politikprofessor John Trent halten mit ihrem Einführungswerk zu den Vereinten Nationen dagegen und erinnern energisch an Leistung und Potential, die der internationalen Zusammenarbeit innewohnen. Dabei verklären sie die UN keineswegs. Auf angenehm unaufgeregte Weise stellen sie klar, dass diese den Ansprüchen der heutigen Zeit bei weitem nicht genügen und auch nicht genügen können. Die Welt hat sich seit 1945 wesentlich verändert. Die Machtarchitektur der Vereinten Nationen allerdings nicht - und das, obwohl die Organisation von 51 Staaten auf heute 193 angewachsen ist und die Ansprüche an sie exponentiell steigen.
Die UN sollen Frieden schaffen, doch der Sicherheitsrat blockiert immer wieder und verliert Veto für Veto an Legitimation. Die UN sollen die Menschenrechte schützen, ohne aber über Durchsetzungsmechanismen zu verfügen. Sie sollen globale Fragen wie Armut, Ungleichheit und die Klimakatastrophe angehen, doch Programme, Fonds, Unter- und Sonderorganisationen sind chronisch unterfinanziert, teuer und bürokratisch. Die Generalversammlung und noch mehr der Wirtschafts- und Sozialrat sind für diese Fragen zuständig, aber relativ machtlos. Da in der Generalversammlung jedes Land eine Stimme hat und die Interessen der wenigen wirtschaftlich starken Staaten oft denen der vielen postkolonialen Staaten widersprechen, werden die UN in Wirtschaftsfragen zunehmend umgangen. Diskussionen verlagern sich in exklusive Foren wie G 7 und G 20 oder zur Weltbank, wo Stimmrechte nach Finanzstärke gewichtet werden.
Unter diesen Gegebenheiten und trotz aller Ineffizienzen leistet das UN-System erstaunlich viel, das wird in der Analyse deutlich. Die Generalversammlung bringt noch immer innovative Prozesse hervor wie die Agenda für Nachhaltige Entwicklung. Dass mehrere UN-Organisationen in UN Women aufgegangen sind, bestätigt, dass es in der behäbigen Bürokratie den Willen zu Reformen gibt. Schnurr und Trent stellen eine kleine Auswahl von moderaten bis radikalen Vorschlägen für dringend notwendige Reformen vor und ordnen deren politisches Potential ein. Dazu gehören eine Begrenzung des Vetoeinsatzes im Sicherheitsrat, gewichtete Stimmen in der Generalversammlung, eine globale UN-Steuer, zum Beispiel auf den Flugverkehr, oder eine UN-Lotterie um die Finanzierungsfrage anzugehen.
Die Autoren gehen davon aus, dass das multilaterale System nicht nur als Reaktion auf zerstörerische Kriege, sondern auch durch evolutionäre Weiterentwicklung der Institutionen seit dem Wiener Kongress entstanden ist. Darauf begründen sie ihren Optimismus für fortschrittliche Veränderungen und nennen unter anderem die Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof als Fallbeispiel der jüngeren Zeit. Hoffnung setzen die Autoren auf solche "intelligenten Koalitionen" zwischen NGOs und Regierungen und eine weltweite Bewegung für die Erneuerung der UN.
Das Problem, dass Staaten ungern Macht abgeben, was bei jeder echten Reform auf die ein oder andere Weise nötig wäre, wird allerdings mit Optimismus allein nicht zu lösen sein. Dafür dient der Internationale Strafgerichtshof ebenfalls als anschauliches Beispiel. Zudem ist das negative Image der UN für eine solche Bewegung eine denkbar schlechte Voraussetzung. Dass das Buch deshalb als Teil einer Kampagne für mehr Vertrauen in die UN gedacht ist, machen die Autoren transparent. Dagegen erwähnen sie nicht, dass Autor John Trent im Vorstand des World Federalist Movement in Kanada aktiv ist, das sie mehrfach als treibende Kraft internationaler Kampagnen positiv erwähnen.
Bereits 2018 erschienen, ist die englische Fassung des Textes inzwischen im Internet frei verfügbar. Die deutsche Übersetzung wurde um Covid-19-Entwicklungen ergänzt und aktualisiert. Dabei haben sich neben Übersetzungsfehlern leider auch kleine inhaltliche Fehler eingeschlichen. So ist nicht Chiles Präsident Sebastián Piñera Hochkommissar für Menschenrechte, sondern die ehemalige Präsidentin Michelle Bachelet.
Für Studierende, Berufseinsteiger im Feld oder interessierte Laien ist die kurzweilige Einführung dennoch zu empfehlen. Bei weiter gehendem Interesse bieten Literaturhinweise einen guten Einstieg. Die klug entwickelte Argumentation für einen UN-Erneuerungsprozess bleibt an der Oberfläche, macht aber Lust darauf, Gedanken zu einer Reform weiterzuspinnen.
MONIKA REMÉ
John Trent und Laura Schnurr: Renaissance der Vereinten Nationen. Gegenwart und Potentiale im 21. Jahrhundert.
Verlag Barbara Budrich, Leverkusen-Opladen, 2021. 193 S., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was die Vereinten Nationen leisten können - und was nicht
Die Vereinten Nationen in El Salvador - das ruft keine Bilder hervor, weckt keine Emotionen. Ruanda, Bosnien-Hercegovina oder Syrien sind dagegen zu Metaphern für das Versagen der UN geworden und erodieren zu Recht das Vertrauen in globale Institutionen. Die Sozialunternehmerin Laura Schnurr und der emeritierte Politikprofessor John Trent halten mit ihrem Einführungswerk zu den Vereinten Nationen dagegen und erinnern energisch an Leistung und Potential, die der internationalen Zusammenarbeit innewohnen. Dabei verklären sie die UN keineswegs. Auf angenehm unaufgeregte Weise stellen sie klar, dass diese den Ansprüchen der heutigen Zeit bei weitem nicht genügen und auch nicht genügen können. Die Welt hat sich seit 1945 wesentlich verändert. Die Machtarchitektur der Vereinten Nationen allerdings nicht - und das, obwohl die Organisation von 51 Staaten auf heute 193 angewachsen ist und die Ansprüche an sie exponentiell steigen.
Die UN sollen Frieden schaffen, doch der Sicherheitsrat blockiert immer wieder und verliert Veto für Veto an Legitimation. Die UN sollen die Menschenrechte schützen, ohne aber über Durchsetzungsmechanismen zu verfügen. Sie sollen globale Fragen wie Armut, Ungleichheit und die Klimakatastrophe angehen, doch Programme, Fonds, Unter- und Sonderorganisationen sind chronisch unterfinanziert, teuer und bürokratisch. Die Generalversammlung und noch mehr der Wirtschafts- und Sozialrat sind für diese Fragen zuständig, aber relativ machtlos. Da in der Generalversammlung jedes Land eine Stimme hat und die Interessen der wenigen wirtschaftlich starken Staaten oft denen der vielen postkolonialen Staaten widersprechen, werden die UN in Wirtschaftsfragen zunehmend umgangen. Diskussionen verlagern sich in exklusive Foren wie G 7 und G 20 oder zur Weltbank, wo Stimmrechte nach Finanzstärke gewichtet werden.
Unter diesen Gegebenheiten und trotz aller Ineffizienzen leistet das UN-System erstaunlich viel, das wird in der Analyse deutlich. Die Generalversammlung bringt noch immer innovative Prozesse hervor wie die Agenda für Nachhaltige Entwicklung. Dass mehrere UN-Organisationen in UN Women aufgegangen sind, bestätigt, dass es in der behäbigen Bürokratie den Willen zu Reformen gibt. Schnurr und Trent stellen eine kleine Auswahl von moderaten bis radikalen Vorschlägen für dringend notwendige Reformen vor und ordnen deren politisches Potential ein. Dazu gehören eine Begrenzung des Vetoeinsatzes im Sicherheitsrat, gewichtete Stimmen in der Generalversammlung, eine globale UN-Steuer, zum Beispiel auf den Flugverkehr, oder eine UN-Lotterie um die Finanzierungsfrage anzugehen.
Die Autoren gehen davon aus, dass das multilaterale System nicht nur als Reaktion auf zerstörerische Kriege, sondern auch durch evolutionäre Weiterentwicklung der Institutionen seit dem Wiener Kongress entstanden ist. Darauf begründen sie ihren Optimismus für fortschrittliche Veränderungen und nennen unter anderem die Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof als Fallbeispiel der jüngeren Zeit. Hoffnung setzen die Autoren auf solche "intelligenten Koalitionen" zwischen NGOs und Regierungen und eine weltweite Bewegung für die Erneuerung der UN.
Das Problem, dass Staaten ungern Macht abgeben, was bei jeder echten Reform auf die ein oder andere Weise nötig wäre, wird allerdings mit Optimismus allein nicht zu lösen sein. Dafür dient der Internationale Strafgerichtshof ebenfalls als anschauliches Beispiel. Zudem ist das negative Image der UN für eine solche Bewegung eine denkbar schlechte Voraussetzung. Dass das Buch deshalb als Teil einer Kampagne für mehr Vertrauen in die UN gedacht ist, machen die Autoren transparent. Dagegen erwähnen sie nicht, dass Autor John Trent im Vorstand des World Federalist Movement in Kanada aktiv ist, das sie mehrfach als treibende Kraft internationaler Kampagnen positiv erwähnen.
Bereits 2018 erschienen, ist die englische Fassung des Textes inzwischen im Internet frei verfügbar. Die deutsche Übersetzung wurde um Covid-19-Entwicklungen ergänzt und aktualisiert. Dabei haben sich neben Übersetzungsfehlern leider auch kleine inhaltliche Fehler eingeschlichen. So ist nicht Chiles Präsident Sebastián Piñera Hochkommissar für Menschenrechte, sondern die ehemalige Präsidentin Michelle Bachelet.
Für Studierende, Berufseinsteiger im Feld oder interessierte Laien ist die kurzweilige Einführung dennoch zu empfehlen. Bei weiter gehendem Interesse bieten Literaturhinweise einen guten Einstieg. Die klug entwickelte Argumentation für einen UN-Erneuerungsprozess bleibt an der Oberfläche, macht aber Lust darauf, Gedanken zu einer Reform weiterzuspinnen.
MONIKA REMÉ
John Trent und Laura Schnurr: Renaissance der Vereinten Nationen. Gegenwart und Potentiale im 21. Jahrhundert.
Verlag Barbara Budrich, Leverkusen-Opladen, 2021. 193 S., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Monika Remé empfiehlt die aktualisierte deutsche Fassung des bereits 2018 erschienenen Buches von John Trent und Laura Schnurr als Lustmacher für UN-Interessierte. Letzteren bietet das Autorenteam mit seiner "unaufgeregten" Retrospektive auf das Leistungspotenzial der Vereinten Nationen, aber auch auf ihre Defizite eine gelungene Einführung, findet die Rezensentin. Die im Buch vorgeschlagenen Reformen der Organisation hält sie für optimistisch und dazu angetan, vom Leser weitergedacht zu werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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In der kompakten Einführung, gerichtet an ein breites Publikum, schildern sie die wesentlichen Organe, Akteure und Funktionsweisen der Vereinten Nationen und erläutern deren Erfolge und Misserfolge. Die Einordnung von Institutionen und wesentlichen Handlungsfeldern auch in ihren Entstehungskontext ist dabei ein echter Gewinn.
Geographischen Rundschau 9-2021
Für Studierende, Berufseinsteiger im Feld oder interessierte Laien ist die kurzweilige Einführung dennoch zu empfehlen. Bei weiter gehendem Interesse bieten Literaturhinweise einen guten Einstieg. Die klug entwickelte Argumentation für einen UN-Erneuerungsprozess bleibt an der Oberfläche, macht aber Lust darauf, Gedanken zu einer Reform weiterzuspinnen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 04.05.2021
Geographischen Rundschau 9-2021
Für Studierende, Berufseinsteiger im Feld oder interessierte Laien ist die kurzweilige Einführung dennoch zu empfehlen. Bei weiter gehendem Interesse bieten Literaturhinweise einen guten Einstieg. Die klug entwickelte Argumentation für einen UN-Erneuerungsprozess bleibt an der Oberfläche, macht aber Lust darauf, Gedanken zu einer Reform weiterzuspinnen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 04.05.2021