20,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in über 4 Wochen
  • Broschiertes Buch

Liebe auf den ersten Blick gibt es auch bei Büchern und Bildern, bei Musik und Filmen. Milan Kundera, einer der großen Romanciers unserer Zeit, erzählt von diesen Begegnungen. In einem seiner persönlichsten Bücher schildert er seine Liebesgeschichten mit Autoren, Komponisten, Malern, Romanen und Filmen. Bei Dostojewski, Francis Bacon, Tolstoi und Philip Roth entdeckt Kundera mit Leichtigkeit Details und Interpretationen, die uns zu einer neuen Lesart bringen. Selten wird einem Kunst und Kunstgeschichte so persönlich nahegebracht.

Produktbeschreibung
Liebe auf den ersten Blick gibt es auch bei Büchern und Bildern, bei Musik und Filmen. Milan Kundera, einer der großen Romanciers unserer Zeit, erzählt von diesen Begegnungen. In einem seiner persönlichsten Bücher schildert er seine Liebesgeschichten mit Autoren, Komponisten, Malern, Romanen und Filmen. Bei Dostojewski, Francis Bacon, Tolstoi und Philip Roth entdeckt Kundera mit Leichtigkeit Details und Interpretationen, die uns zu einer neuen Lesart bringen. Selten wird einem Kunst und Kunstgeschichte so persönlich nahegebracht.
Autorenporträt
Milan Kundera, geb. 1929 in Brünn, Tschechoslowakei, studierte zunächst Musik, Filmwissenschaften und Literatur in Prag. 1953 veröffentlichte er sein erstes Buch und trat Mitte der fünfziger Jahre auch als Übersetzer, Essayist und Theaterautor an die Öffentlichkeit. 1975 ging er ins Exil nach Paris, wo er heute noch lebt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.03.2011

Dieser Leichnam ist erstaunlich lebendig
Milan Kundera in seinen Essays: Begegnungen mit der Literatur, dem Surrealismus und einer verborgenen Autobiographie
Ein Schlüsselwort aus verblichenen ästhetischen Manifesten des zwanzigsten Jahrhunderts hat Milan Kundera in den Titel seines Essaybandes „Eine Begegnung“ gesetzt: „Schön wie die zufällige Begegnung eines Regenschirms und einer Nähmaschine auf einem Seziertisch“ – mit diesen Worten des Dichters Lautréamont hatten die Surrealisten ihr Plädoyer für die unbegrenzte kombinatorische Phantasie in ein suggestives Bild gefasst.
Aus seiner Sympathie für die surrealistische Entgrenzung der Künste hat Kundera nie ein Hehl gemacht. Aber er wäre nicht der große Autor, der er ist, hätte er von den Surrealisten auch den Hang zum Manifest und zur Parole übernommen. Seine Allergie gegen alles Doktrinäre hat ihn davor bewahrt. Und so zitiert er in diesen Essays die Nähmaschine und den Seziertisch herbei. Aber ein Schlüsseltext des Buches ist die Ehrenrettung des französischen Schriftstellers Anatole France.
In demonstrativer Verachtung schmähten die Surrealisten, als er 1924 starb und ein Staatsbegräbnis erhielt, Anatole France in ihrem Pamphlet „Un cadavre“ als Inbegriff des leblosen Akademismus. Sie setzten ihn, sagt Kundera, auf eine der „schwarzen Listen“, die seit je in den Salons von Paris kursierten. Und dann holt er France durch eine Lektüre des Romans „Les dieux ont soif“ (1912, „Die Götter dürsten“) von der Liste herunter.
Das geschieht in dem leichten, kunstvollen Hin und Her von Erzählung und Essay, das die Romane Kunderas prägt. Das essayistische Ich erzählt von den schwarzen Listen, von seiner Begegnung mit dem ehemaligen Surrealisten und nachmaligen Kommunisten Louis Aragon in Paris und führt zugleich durch den Roman von Anatol France, der in den Jahren der französischen Revolution angesiedelt ist, in denen die Guillotine unablässig in Aktion gesetzt wird. Den Humor, der in allen seinen Romanen gegenwärtig ist, und die Ironie und Skepsis seines Stils hat er auch auf diesem blutdurchtränkten Boden zur Geltung gebracht – das ist die Ehrenrettung, die Kundera dem Autor Anatole France zuteil werden lässt.
Sie verknüpft zwei Lebensthemen Kunderas, die auch in diesem Buch allgegenwärtig sind: die Erfahrung des Terrors der Geschichte und die Verteidigung der humoristischen, aus dem „Unernst“ hervorgehenden Tradition des Romans. Kundera holt Bohumil Hrabal und die Romane Josef Skvoreckys, in denen die Geschichte der tschechoslowakischen Republik von 1945 bis 1968 verhandelt wird, in die Gegenwart hinein und macht dabei en passant einen Strich durch die beliebte Gleichung, die den Pariser Mai ’68 und den Prager Frühling zu Zwillingen machen will: „Der Pariser Mai, in erster Linie von der Initiative der jungen Franzosen getragen, war von revolutionärer Schwärmerei geprägt. Der Prager Frühling war von der postrevolutionären Skepsis der Erwachsenen inspiriert.“
Im Jahr 1985, zehn Jahre, nachdem er nach Frankreich emigriert war, hat Milan Kundera seinen Essayband „Die Kunst des Romans“ veröffentlicht, auf Französisch. Dass der Reichtum und die Kraft des Romans in der von Rabelais und Cervantes erschlossenen Welt des unbegrenzten Humors und der Mischung aller Sprachen und Genres wurzele, und dass der Roman in diese Welt, in der er noch nicht zur Kunstform geworden war, immer wieder zurückkehren müsse – diese These hat Kundera in seinen eigenen Romanen („Der Scherz“, „Das Buch der lächerlichen Liebe“, „Das Buch vom Lachen und vom Vergessen“ ) früh erprobt.
Und wenn er nun an einer Stelle schreibt, er habe von früher Jugend an Frankreich als den Ort seines möglichen Exils in sich getragen, so ist es, als Land auf dem Atlas der Literatur gesehen, das Frankreich von Rabelais und Diderot. Die Seiten über die frühe Lektüre des ins Tschechische gebrachten Rabelais, der kleine Gruß an Danilo Kis und das Gespräch mit Guy Scarpetta lassen die Umrisse des Rabelais-Landes erkennen.
Wenn man weiterliest, beginnt man zu ahnen, warum Milan Kundera dem Roman, diesem monströsen, unförmigen Wesen, treuer ist als dem Surrealismus: Weil Rabelais schon alle Freiheiten enthält, die im zwanzigsten Jahrhundert die Avantgarden proklamierten. Und weil Kundera das Rabelais-Echo im modernen Roman nicht nur in Frankreich sucht und – bei Louis-Ferdinand Céline – findet, sondern überall in der Welt: in Curzio Malapartes „Haut“, bei Gabriel García Márquez, Carlos Fuentes und Salman Rushdie – und in der Literatur der Antillen, von deren Reichtum eine der dichtesten dieser „Begegnungen“ erzählt.
Die Literatur ist aber in diesen Essays nie mit sich allein. Wie in den „Verratenen Vermächtnissen“ (1993) intoniert die Treue zur Moderne auch hier den Dreiklang Janacek–Strawinsky–Schönberg, und eröffnet wird das Buch mit einem Vergleich zwischen dem Maler Francis Bacon und dem Dramatiker Samuel Beckett als Endzeitfiguren ihrer jeweiligen Kunst. Ja, all dies sind Essays. Sie enthalten aber zugleich so unaufdringlich wie unübersehbar die indirekte Autobiographie ihres Verfassers. LOTHAR MÜLLER
MILAN KUNDERA: Eine Begegnung. Aus dem Französischen von Uli Aumüller. Carl Hanser Verlag, München 2011. 206 Seiten, 18,90 Euro.
„Der Prager Frühling ging,
anders als der Pariser Mai, aus
postrevolutionärer Skepsis hervor“
„Ist nicht eben das die Biographie? Eine künstliche Logik, die wir einer zusammenhanglosen Folge von Bildern aufzwingen?“: Milan Kundera 2009 bei einem Besuch in seiner Geburtsstadt Brünn. Foto: AFP
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr