»Das Gesicht kenne ich doch! Diese Menschen habe ich doch alle schon mal gesehen!« ¿ das war meine Reaktion auf die Spannaus-Skulpturen, als ich sie zum ersten Mal anschaute. Und sie sprachen zu mir. Nein, besser: sprachen aus mir. Es gab da offenbar etwas, von dem ich nichts gewusst hatte, etwas, das verschüttet, begraben gewesen war, und das von diesen Gesichtern jetzt exhumiert und ans Licht gebracht wurde. Eigentlich ein Vorgang, den ich schon oft erlebt hatte. Nämlich immer dann, wenn mich ein Kunstwerk ergriff. In Bezug auf die Kunst ist es ja gottlob nicht wie in Bezug auf den ersten…mehr
»Das Gesicht kenne ich doch! Diese Menschen habe ich doch alle schon mal gesehen!« ¿ das war meine Reaktion auf die Spannaus-Skulpturen, als ich sie zum ersten Mal anschaute. Und sie sprachen zu mir. Nein, besser: sprachen aus mir. Es gab da offenbar etwas, von dem ich nichts gewusst hatte, etwas, das verschüttet, begraben gewesen war, und das von diesen Gesichtern jetzt exhumiert und ans Licht gebracht wurde. Eigentlich ein Vorgang, den ich schon oft erlebt hatte. Nämlich immer dann, wenn mich ein Kunstwerk ergriff. In Bezug auf die Kunst ist es ja gottlob nicht wie in Bezug auf den ersten Kuss, das erste Anfassen, die erste Nacht, die erste Trennung: All das erlebt man nur ein einziges Mal. Kunst vermag dieses ¿erste Mal¿ immer und immer wieder zu erzeugen. Man könnte auch sagen: Sonst ist sie keine. Bei den Skulpturen wurde mir rasch klar: So wie mit ihnen ist es mir auch mit Benn ergangen, mit Rilke, Kafka, Th. Mann, Carver; mit van Gogh, Picasso, Janssen, Richter; mit Rodin und Giacometti, von der Musik ganz zu schweigen. Und nun also Dietwald Spannaus. Unfassbar, dass diese wundervollen und ergreifenden Werke nicht in allen großen Museen der Welt zu finden sind. Hans-Joachim Griebe (Hrsg.)Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Dietwald Spannaus (¿ 2009) Kein Nachruf ¿ ein Dank. 1941 in Frankfurt am Main geboren, die wichtigsten Kindheitsjahre also im deutschen Elend verbracht, darüber hinaus geschlagen mit dem Front-Tod des Vaters kurz vor Kriegsende, dem Tod der Mutter drei Jahre später, wuchs mein Schwiegervater als Waise in einem zerstörten Land zwischen ver- und zerstörten Menschen auf. Ich als Nachgeborener frage mich oft: Wie kann einer unter diesen Umständen zu einem liebenswerten Menschen werden? Mit 13 Jahren hatte er einen Beruf zu ergreifen, die kaufmännische Lehre bot sich an, es war 1954, die Wirtschaft boomte, schon 1955 kamen die ersten »Gastarbeiter«, er heiratete jung, Familie und Beruf wurden dem Kriegswaisen zum Wichtigsten überhaupt, wenig Zeit blieb, künstlerische Ambitionen auszuleben. Und die hatte er. Dietwald ist immer Künstler gewesen, nie aber Bohemien. Er war erfinderisch, kreativ ¿ etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, war ihm stets eine Freude, schon in der Kindheit. Doch die Sehnsucht danach, Kunst zu machen, durfte nie die Familie gefährden. Immer zeichnete er, malte, arbeitete mit Ton, später mit Holz. Aber erst, als familiär alles erreicht, alles gesichert war, erlaubte er sich, größere Projekte zu verwirklichen, wie die in diesem Band abgebildeten Skulpturen. Ein bescheidener Mann. Ich liebe ihn. Christoph Meissner-Spannaus
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