Reproduktionstechnologien machen rasante Fortschritte, dabei sind die politischen Implikationen noch gar nicht diskutiert. Dass nur etwa die Hälfte der Menschheit schwanger werden kann, wirft in politischer Hinsicht Gerechtigkeitsfragen auf: Unter welchen Umständen werden Menschen schwanger und gebären? Welche Rechte (auf Unterstützung) und welche Pflichten (gegenüber der Gesellschaft oder anderen Erwachsenen) haben sie?Traditionellerweise wurde Reproduktion über eine heteronormative Geschlechterordnung geregelt, die Kindern direkt nach der Geburt ein Geschlecht zuwies. Je nachdem, ob sie aufgrund ihrer Genitalen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit selbst einmal schwanger werden könnten oder nicht, bereitete ihre Erziehung und Sozialisation sie auf später klar unterschiedene Aufgaben in Bezug auf Reproduktion vor - auf 'Mütterlichkeit' beziehungsweise 'Vaterschaft'.Vor allem dank der Frauenbewegung ist diese Geschlechterordnung heute infrage gestellt. Frauen pochen auf ihre Freiheit und Menschen mit Uterus klagen ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung ein, gleichzeitig werden binäre Geschlechterkonstrukte ganz prinzipiell hinterfragt und neue symbolische Geschlechterordnungen in den Blick genommen.Antje Schrupp umreißt die ethischen Herausforderungen des Themas, macht Vorschläge, wie reproduktive Gerechtigkeit in einer herrschaftsfreien Gesellschaft gedacht werden kann und plädiert für die Bereitschaft, über die bisherigen Horizonte hinauszudenken.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Antje Schrupp wirft in "Reproduktive Freiheit" einige alte und viele neue Fragen auf, die es im Zuge eines Perspektivwechsels - der Entwicklung einer neuen, "feministischen Ethik der Fortpflanzung" zu diskutieren gilt. Erste Ansätze für eine solche neue Ethik findet Rezensentin Ramona Westhof beispielsweise in Schrupps Dekonstruktion der binären Geschlechterordnung. Statt die Konstrukte Mann und Frau vorauszusetzen, stellt sie fest: Es gibt Menschen, die gebären können, und andere, die nicht gebären können, und seit tausenden von Jahren üben letztere Macht aus über die anderen. Wie bzw. wann das passieren konnte, untersucht die Autorin unter anderem anhand historischer Gesetzestexte. Doch auch neuste Technologien und ihre ethischen Implikationen interessieren Schrupp, da sie das bisherige Verständnis von Elternschaft infrage stellen und somit vielleicht auch zu einer neuen Moralphilosophie beitragen können. Der Weg zur "Reproduktiven Freiheit", dies zeigt Schrupp in ihrem Buch deutlich, ist noch weit und voll offener Fragen, so die überzeugte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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