Produktdetails
- Verlag: DVA
- Seitenzahl: 191
- Abmessung: 195mm
- Gewicht: 272g
- ISBN-13: 9783421055682
- ISBN-10: 3421055688
- Artikelnr.: 24393762
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001Goodbye, Money
Ohne Wehmut: Ein wirtschaftshistorischer Abschied von der Deutschen Mark / Von Andreas Platthaus
Wer war es denn nun, der Göring als "Generalgeldmarschall" verspottet hat: der Volksmund schon in der Nazizeit oder erst ein halbes Jahrhundert später der amerikanische Wirtschaftshistoriker Gerald D. Feldman? Dessen Kollegen Harold James und Carl-Ludwig Holtfrerich sind sich da nicht einig, und man darf wohl bemängeln, daß es dem Lektorat eines angesehenen Verlags nicht gelungen ist festzustellen, wer recht hat und wie also die beiden Passagen zu vereinheitlichen gewesen wären. Denn sie finden sich in demselben Buch, keine dreißig Seiten auseinander. Das ist schon ein veritables publizistisches Armutszeugnis.
Der Titel des Buchs ist ein weiteres: "Requiem auf eine Währung" heißt es, aber was soll das für ein Requiem sein, in dem nicht getrauert wird? Drei der namhaftesten Ökonomiehistoriker (neben Holtfrerich und James vervollständigt Manfred Pohl das Trio) haben sich zusammengetan, um die Geschichte der deutschen Mark aufzuschreiben, doch keiner weint der Währung eine Träne nach, alle blicken dem Euro mit Zuversicht entgegen. "Größere Ängste über seine Zukunftsentwicklung sind verfehlt", weiß etwa Pohl, der als Leiter und fähigster Kopf des Historischen Instituts der Deutschen Bank auf reichlich Expertise Anspruch erheben darf. Der Amerikaner James wiederum sieht darin, daß die Mark von Anfang an "dem nationalen politischen Entscheidungsprozeß unterworfen" war, deren Geburtsfehler und ein Verhängnis ("In letzter Konsequenz führte die Idee und Praxis eines nationalen Geldes zum Zerfall der Nation als Schicksalsgemeinschaft"), das der Euro nun gerade vermeide. Und Holtfrerich erklärt ebenfalls mit der Unabhängigkeit der Zentralbank von der Regierung, der Trennung von Geld- und Außenpolitik und der Rolle des Euroraums als Gläubigerland seine günstige Prognose für die Stabilität der neuen Einheitswährung, auch wenn er vor dem Hintergrund seines Berichtszeitraums - den Jahren von 1914 bis 1945 - die Sorge vor hoher Arbeitslosigkeit als Risikofaktor einbringt. Doch das ist ein Vorwurf, der sich schon gegen die letzten beiden deutschen Regierungen zu Zeiten der D-Mark erheben läßt. Keiner der drei Autoren möchte also so recht ein Requiem anstimmen.
Gut so. Denn der süße Duft des Großkapitals berauscht, und wieviel mehr noch dürfte das für die Geschichte einer zweifellos am Ende äußerst erfolgreichen Währung gelten. Doch die chronologisch ausgerichteten Aufsätze (James zum Kaiserreich, das 1873 die Mark als einheitliches Zahlungsmittel in Deutschland einführte, nachdem 1868 auf dem Deutschen Handelstag noch der Franc favorisiert worden war; Holtfrerich zu Weimarer Republik und Nazizeit; Pohl zur Nachkriegszeit bis heute) überzeugen gerade durch ihre Leidenschaftslosigkeit, die auf gedrängtem Raum nur dem wirklich Wichtigen Raum gewährt. Diese konzentrierte Argumentation ist die Stärke aller drei Beiträge, obwohl sie stilistisch kaum gegensätzlicher hätten ausfallen können. Wo Pohl sich ereignisorientiert von Datum zu Datum fortbewegt, zieht James auch Vor- und Nachgeschichte seines Untersuchungszeitraums zu einer wunderbar lesbaren Darstellung heran; und Holtfrerich, der kühlste Schreiber unter den dreien, glänzt schließlich mit einer solchen Faktenfülle auf seinem Spezialgebiet (von ihm stammt die bisher beste Darstellung der Inflation der zwanziger Jahre), daß man kaum glauben mag, am Ende des Beitrags eine Strecke von kaum neunzig Seiten zurückgelegt zu haben.
Es ist indes nicht alles Gold, was da auf das goldgeprägte Titelbild folgt. Ein Register zum Beispiel hätte dieses Kompendium immens bereichert, eine wenn auch bescheidene Bebilderung gewiß nicht geschadet - und ein intensives Lektorat (noch einmal muß es gesagt sein) gleichfalls nicht. Dann hätte nämlich Pohl nicht schon auf der ersten Textseite des Buchs den Nonsenssatz "So hat sich beispielsweise der Wert der D-Mark bis zum Ende des 20. Jahrhunderts auf 25 Pfennig vermindert" gesprochen. Natürlich versteht man, was er meint, aber er sagt, zumindest solange die Relation fehlt, nichts anderes, als daß eine Mark heute nur noch 25 Pfennig umfaßt, obwohl sie selbstverständlich immer noch hundert Pfennig wert ist. Doch an anderer Stelle findet der Leser die ähnlich bizarre Feststellung, daß die D-Mark einmal "sogar unter DM 1,50 gefallen war". Bei einer für ein ansonsten großartiges Buch angemessenen redaktionellen Bearbeitung wäre wohl auch erläutert worden, daß "die Schlange vom Herbst 1977" die Bezeichnung für eine europäische Absprache über die Bandbreiten war, innerhalb deren die Wechselkurse der Währungen der an dieser Vereinbarung beteiligten Länder schwanken durften. Nach dem Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods, das seit 1945 feste Wechselkurse hatte garantieren sollen, war die Währungsschlange ausersehen, zumindest innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für Stabilität zu sorgen. Es steht zu befürchten, daß die wenigsten Leser sich noch an dieses zeitweise gut funktionierende, dann aber doch gescheiterte Modell erinnern werden.
Schwamm drüber. De mortuis nil nisi bene, und auch nichts Schlechtes über einen Nachruf. Zumal er die lateinische Maxime erfreulicherweise gerade nicht befolgt. Ein schönerer Nachruf als eine solch sympathetische, aber auch immer wieder kritische Würdigung ist kaum denkbar. "Wir nehmen Abschied. Deutsche Mark, verw. Goldmark, gesch. Rentenmark nach langem, wechselvollen Leben verschieden" - so steht es auf der Banderole, die das Buch schmückt. Für uns als am 1. Januar 2002 Hinterbleibende haben stellvertretend die drei Autoren gesprochen, etwas vor der Zeit, aber eindrucksvoll und staatstragend. Für die vielen kleinen, privaten Geschichten, die sich an die in Monatsfrist Verbleichende knüpfen, müssen wir auf andere Bücher warten. Dieser Würdigung aber, die die prominentesten Lebensstationen der Mark zusammenfaßt, kann man nur wünschen, daß noch mancher Euro für sie ausgegeben werden wird.
Carl-Ludwig Holtfrerich, Harold James, Manfred Pohl: "Requiem auf eine Währung". Die Mark 1873-2001. Teilweise aus dem Englischen übersetzt von Karl Heinz Siber. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001. 192 S., geb., bis zum 1. Januar 2002 39,80 DM, danach 20,35.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ohne Wehmut: Ein wirtschaftshistorischer Abschied von der Deutschen Mark / Von Andreas Platthaus
Wer war es denn nun, der Göring als "Generalgeldmarschall" verspottet hat: der Volksmund schon in der Nazizeit oder erst ein halbes Jahrhundert später der amerikanische Wirtschaftshistoriker Gerald D. Feldman? Dessen Kollegen Harold James und Carl-Ludwig Holtfrerich sind sich da nicht einig, und man darf wohl bemängeln, daß es dem Lektorat eines angesehenen Verlags nicht gelungen ist festzustellen, wer recht hat und wie also die beiden Passagen zu vereinheitlichen gewesen wären. Denn sie finden sich in demselben Buch, keine dreißig Seiten auseinander. Das ist schon ein veritables publizistisches Armutszeugnis.
Der Titel des Buchs ist ein weiteres: "Requiem auf eine Währung" heißt es, aber was soll das für ein Requiem sein, in dem nicht getrauert wird? Drei der namhaftesten Ökonomiehistoriker (neben Holtfrerich und James vervollständigt Manfred Pohl das Trio) haben sich zusammengetan, um die Geschichte der deutschen Mark aufzuschreiben, doch keiner weint der Währung eine Träne nach, alle blicken dem Euro mit Zuversicht entgegen. "Größere Ängste über seine Zukunftsentwicklung sind verfehlt", weiß etwa Pohl, der als Leiter und fähigster Kopf des Historischen Instituts der Deutschen Bank auf reichlich Expertise Anspruch erheben darf. Der Amerikaner James wiederum sieht darin, daß die Mark von Anfang an "dem nationalen politischen Entscheidungsprozeß unterworfen" war, deren Geburtsfehler und ein Verhängnis ("In letzter Konsequenz führte die Idee und Praxis eines nationalen Geldes zum Zerfall der Nation als Schicksalsgemeinschaft"), das der Euro nun gerade vermeide. Und Holtfrerich erklärt ebenfalls mit der Unabhängigkeit der Zentralbank von der Regierung, der Trennung von Geld- und Außenpolitik und der Rolle des Euroraums als Gläubigerland seine günstige Prognose für die Stabilität der neuen Einheitswährung, auch wenn er vor dem Hintergrund seines Berichtszeitraums - den Jahren von 1914 bis 1945 - die Sorge vor hoher Arbeitslosigkeit als Risikofaktor einbringt. Doch das ist ein Vorwurf, der sich schon gegen die letzten beiden deutschen Regierungen zu Zeiten der D-Mark erheben läßt. Keiner der drei Autoren möchte also so recht ein Requiem anstimmen.
Gut so. Denn der süße Duft des Großkapitals berauscht, und wieviel mehr noch dürfte das für die Geschichte einer zweifellos am Ende äußerst erfolgreichen Währung gelten. Doch die chronologisch ausgerichteten Aufsätze (James zum Kaiserreich, das 1873 die Mark als einheitliches Zahlungsmittel in Deutschland einführte, nachdem 1868 auf dem Deutschen Handelstag noch der Franc favorisiert worden war; Holtfrerich zu Weimarer Republik und Nazizeit; Pohl zur Nachkriegszeit bis heute) überzeugen gerade durch ihre Leidenschaftslosigkeit, die auf gedrängtem Raum nur dem wirklich Wichtigen Raum gewährt. Diese konzentrierte Argumentation ist die Stärke aller drei Beiträge, obwohl sie stilistisch kaum gegensätzlicher hätten ausfallen können. Wo Pohl sich ereignisorientiert von Datum zu Datum fortbewegt, zieht James auch Vor- und Nachgeschichte seines Untersuchungszeitraums zu einer wunderbar lesbaren Darstellung heran; und Holtfrerich, der kühlste Schreiber unter den dreien, glänzt schließlich mit einer solchen Faktenfülle auf seinem Spezialgebiet (von ihm stammt die bisher beste Darstellung der Inflation der zwanziger Jahre), daß man kaum glauben mag, am Ende des Beitrags eine Strecke von kaum neunzig Seiten zurückgelegt zu haben.
Es ist indes nicht alles Gold, was da auf das goldgeprägte Titelbild folgt. Ein Register zum Beispiel hätte dieses Kompendium immens bereichert, eine wenn auch bescheidene Bebilderung gewiß nicht geschadet - und ein intensives Lektorat (noch einmal muß es gesagt sein) gleichfalls nicht. Dann hätte nämlich Pohl nicht schon auf der ersten Textseite des Buchs den Nonsenssatz "So hat sich beispielsweise der Wert der D-Mark bis zum Ende des 20. Jahrhunderts auf 25 Pfennig vermindert" gesprochen. Natürlich versteht man, was er meint, aber er sagt, zumindest solange die Relation fehlt, nichts anderes, als daß eine Mark heute nur noch 25 Pfennig umfaßt, obwohl sie selbstverständlich immer noch hundert Pfennig wert ist. Doch an anderer Stelle findet der Leser die ähnlich bizarre Feststellung, daß die D-Mark einmal "sogar unter DM 1,50 gefallen war". Bei einer für ein ansonsten großartiges Buch angemessenen redaktionellen Bearbeitung wäre wohl auch erläutert worden, daß "die Schlange vom Herbst 1977" die Bezeichnung für eine europäische Absprache über die Bandbreiten war, innerhalb deren die Wechselkurse der Währungen der an dieser Vereinbarung beteiligten Länder schwanken durften. Nach dem Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods, das seit 1945 feste Wechselkurse hatte garantieren sollen, war die Währungsschlange ausersehen, zumindest innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für Stabilität zu sorgen. Es steht zu befürchten, daß die wenigsten Leser sich noch an dieses zeitweise gut funktionierende, dann aber doch gescheiterte Modell erinnern werden.
Schwamm drüber. De mortuis nil nisi bene, und auch nichts Schlechtes über einen Nachruf. Zumal er die lateinische Maxime erfreulicherweise gerade nicht befolgt. Ein schönerer Nachruf als eine solch sympathetische, aber auch immer wieder kritische Würdigung ist kaum denkbar. "Wir nehmen Abschied. Deutsche Mark, verw. Goldmark, gesch. Rentenmark nach langem, wechselvollen Leben verschieden" - so steht es auf der Banderole, die das Buch schmückt. Für uns als am 1. Januar 2002 Hinterbleibende haben stellvertretend die drei Autoren gesprochen, etwas vor der Zeit, aber eindrucksvoll und staatstragend. Für die vielen kleinen, privaten Geschichten, die sich an die in Monatsfrist Verbleichende knüpfen, müssen wir auf andere Bücher warten. Dieser Würdigung aber, die die prominentesten Lebensstationen der Mark zusammenfaßt, kann man nur wünschen, daß noch mancher Euro für sie ausgegeben werden wird.
Carl-Ludwig Holtfrerich, Harold James, Manfred Pohl: "Requiem auf eine Währung". Die Mark 1873-2001. Teilweise aus dem Englischen übersetzt von Karl Heinz Siber. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001. 192 S., geb., bis zum 1. Januar 2002 39,80 DM, danach 20,35
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Diesem wirtschaftshistorischen Abschied von der D-Mark wünscht Andreas Platthaus viele Euros, pardon, Leser. Einen schöneren Nachruf kann er sich kaum denken: Da beglückt den Rezensenten einer der drei Autoren (James) mit Lesbarkeit zum Zeitraum Kaiserreich, während ein andrer (Holtfrerich) mit Fakten, Fakten, Fakten zur Weimarer Republik und zur Nazizeit glänzt und der dritte (Pohl) sich "ereignisorientiert" von der Nachkriegszeit bis heute durcharbeitet - alles hübsch konzentriert bei stilistischer Vielfalt. Ach! Ach, wenn doch die Redaktion des Bandes auch so wär! Aber da fehlen dem Rezensenten plötzlich Erläuterungen (wie war das mit der "Währungsschlange"?) und Klarheit (wer verpasste denn nun Göring den "Generalgeldmarschall"?). Und sowieso: "Was soll das für ein Requiem sein, in dem nicht getrauert wird?" Keiner der Autoren schließlich weint der Mark 'ne Träne nach, "alle blicken dem Euro mit Zuversicht entgegen".
© Perlentaucher Medien GmbH"
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