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Erst jetzt weiß ich, was ein wirkliches Unglück ist schrieb Karl Marx 1855 nach dem Verlust seines einzigen Sohnes Edgar einem Verlust, den er nie verwinden konnte. Über 50 Trauerfälle werden hier in biographischen Skizzen dokumentiert. In chronologischer Reihenfolge geht die Sammlung Marcus Tullius Cicero, der seine Tochter Tullia im Jahre 45 v. Chr. verlor und ihr einen Tempel errichten wollte, bis zu Stefan Andres, der den Verlust seiner siebenjährigen Tochter Mechthild in einem Gedichtzyklus und einem Roman betrauerte. Schriftsteller wie Dostojewski, Eichendorff, Goethe, Hugo,…mehr

Produktbeschreibung
Erst jetzt weiß ich, was ein wirkliches Unglück ist schrieb Karl Marx 1855 nach dem Verlust seines einzigen Sohnes Edgar einem Verlust, den er nie verwinden konnte. Über 50 Trauerfälle werden hier in biographischen Skizzen dokumentiert. In chronologischer Reihenfolge geht die Sammlung Marcus Tullius Cicero, der seine Tochter Tullia im Jahre 45 v. Chr. verlor und ihr einen Tempel errichten wollte, bis zu Stefan Andres, der den Verlust seiner siebenjährigen Tochter Mechthild in einem Gedichtzyklus und einem Roman betrauerte. Schriftsteller wie Dostojewski, Eichendorff, Goethe, Hugo, Lasker-Schüler und Storm stehen neben Musikern wie Berlioz, Haydn, Dvorak, Maler, Schumann und Smetana, neben Wissenschaftlern, Philosophen, Königen und Kaisern. Ihre Reaktion reicht von heftiger Revolte Freud spricht nach dem Tod seiner Tochter Sophie von der Ungeheuerlichkeit, dass Kinder vor den Eltern sterben über lebensgefährdende Erschütterungen Hoffmannsthal starb beim Begräbnis seines Sohnes Franz bis zu demütiger Unterwerfung unter das Schicksal: Ludwig XIV. nahm den jähen Tod seiner drei Thronfolger als verdiente Strafe Gottes hin. Die Trauerarbeit mündete bei vielen schöpferischen Menschen in bedeutende Leistungen: Rückert schrieb 446 Kindertotenlieder , Käthe Kollwitz schuf ihr Hauptwerk Die trauernden Eltern . Dieses Buch gibt einen Einblick in das private Leben berühmter Persönlichkeiten. Es zeigt sie als verwaiste Eltern: erschüttert, verletzt, zutiefst menschlich und nah. Wie sie mit ihrem Trauerschmerz umgingen, das gehört zu den verborgenen, aber ergreifendsten Kapiteln der europäischen Kulturgeschichte.
Autorenporträt
Joseph Groben, geboren 1935 in Luxemburg, Studium der Germanistik (Wien), Romanistik (Paris, Sorbonne) und Slawistik (Moskau). Oberstudienrat am Lycée des garçons, Luxembourg; Professor am Centre Universitaire de Luxembourg bis 1999. Zahlreiche literaturwissenschaftliche und historische Artikel. Seit 1974 Hauptverantwortlicher des von ihm gegründeten Kammerorchesters 'Les musiciens', Luxembourg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2002

Grausamer Stachel
Joseph Groben knüpft trauernden
Eltern ein Kummerband
„Kein Wort vermag Unsagbares zu sagen / Drum bleibe, was ich trage, ungesagt.” Mit diesen Zeilen beginnt die „Elegie für Steven” von Mascha Kaléko. Als der einzige Sohn der Lyrikerin 1968 starb, gab es in Worten keinen Trost: „Solang mein Herz schlägt, ist darin dein Grab / Ich setze dir ein Mal aus purem Schweigen.”
Ein Kind stirbt. Der Schmerz der Eltern ist einzigartig. Ihnen, den Überlebenden, scheint er lange unüberwindbar. Verwaiste Eltern müssen ihre eigene Frucht begraben. „Es war an mir, an mir zu sterben!”, ruft Hector Berlioz, als er vom Tod seines erwachsenen Sohnes hört. Ob ein kleines oder ein erwachsenes Kind: Durch seinen Tod verlieren die Eltern auch ihre eigene Kontinuität, ihre eigene Unsterblichkeit. Sie sind nicht mehr dieselben: Die allgegenwärtige Trauer verändert sie. Was darin an Trost zu finden ist, kann helfen, aber meist nicht heilen.
Der luxemburgische Autor und Literaturwissenschaftler Joseph Groben gibt nun einen Einblick in 38 verwaiste Elternleben, die uns aus der Musik, der Literatur und der Kunst bekannt sind. Von Cicero und Plutarch bis Stefan Andres und Mascha Kaléko reicht der Bogen. Vor allem Schriftstellern und Komponisten gilt das Interesse. Der Untertitel „Trauer und Trost berühmter Eltern” ist insofern irreführend. Was die meisten dieser Schicksale verbindet, ist nicht die Berühmtheit. Es ist der künstlerische Ausdruck, die artikulierte Reflexion, die sie gemein haben. Und die bei diesem Thema neugierig machen.
Tiefer noch hinab
Neugierig in zweierlei Hinsicht: Wie setzt sich mit einem solchen Schmerz und der Trauer jemand auseinander, dem künstlerische Möglichkeiten zur Verfügung stehen? Dostojewski versuchte, das Leben seines Kindes zu verlängern, indem er ihm ein Denkmal schuf: Die Figur des Aljoscha, des jüngsten der Brüder Karamasow, geht auf seinen Sohn zurück. Käthe Kollwitz arbeitete jahrelang an einem Denkmal für ihren gefallenen Sohn. Oder aber die Schaffenslust wankt: Nach dem Tod seiner beiden Kinder und seiner Frau innerhalb von zwei Jahren war Guiseppe Verdi „überzeugt, dass ich vergebens von der Kunst mir Trost erwartet hätte, und ich beschloss, nie mehr eine Note zu schreiben.” Doch bald folgt eine Arbeitswut, mit der er sich wie besessen an die Opern macht, die ihn berühmt machen sollten.
Das konzentrierte Ringen um den Ausdruck intensiviert die Trauer: „Armes Herz, du willst nicht, daß die Wunden heilen / Etwas hast du noch, solang es schmerzlich brennt” - Friedrich Rückert schrieb, nachdem zwei seiner kleinen Kinder an Scharlach gestorben waren, die berühmten 446 „Kindertotenlieder”. Ihre Vorläufer, die Gedichte des Zyklus „Auf meines Kindes Tod” von Josef von Eichendorff, wirken wie eine Beschwörung des Unfassbaren durch das in Vers und Metrik gebundene Gefühl. Thomas Mann hält am Tage nach der Nachricht vom Freitod seines Sohnes Klaus termingerecht einen Vortrag; Clara Schumann gibt noch ein Konzert, während zur selben Zeit ihr Sohn im Sterben liegt – auch als Kraftquelle oder gar als Mittel der Verdrängung dient die Kunst. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen, Beobachtungen von Freunden und Biografen vervollständigen Joseph Grobens Lektüren. Und natürlich auch der Schmerz der Mütter kommt in den Texten zu Wort.
Nicht weniger neugierig macht es, die Werke vor diesem biografischen Hintergrund zu lesen. Was macht der Schmerz mit der Kunst, mit dem Denken? Sigmund Freud revidierte seine Triebtheorie nach dem plötzlichen Tod seiner Lieblingstochter. Alphonse Lamartine verwandelte sich vom romantischen Dichter in einen engagierten Politiker, nachdem auf einer Orientreise seine einzige Tochter tödlich erkrankt war. Nicht nur mit einer Metamorphose antwortet der Künstler auf den Tod: Michael Haydn schloss zehn Monate nach dem Tod des einjährigen Töchterchens sein Requiem in c-moll ab – ein Höhepunkt an Ausdruckstiefe. Smetana, Dvorak, Mahler, sie alle schufen musikalische Werke, deren Intensität vor dem Hintergrund der Trauer besser zu verstehen ist.
„Der persönliche Schmerz läßt den Komponisten über sich hinauswachsen”, erklärt Groben mit bedauerlicher Oberflächlichkeit – dem einzigen Makel an diesem sonst sehr reichen und ergreifenden Buch. Der Kontrast zwischen den oft flachen Interpretationen und der Tiefe der Quellentexte läßt einen Wunsch offen: statt der 38 Elternschicksale einzelne stärker ausgeleuchtet zu sehen. Einen positiven Nebeneffekt hat die enzyklopädische Fülle allerdings: Das voyeuristische Lesen wird spätestens nach der vierten, fünften Leidensbiografie von einem verständigen abgelöst.
Am Ende ist dieses traurige Buch jedoch ein Zeugnis für große Elternliebe. Die Schilderungen, besonders der Liebe der Väter zu ihren Kindern, beweisen, dass auch die Elternliebe eine Konstante durch alle Epochen ist. Und manchmal scheint es, als sei sie allein der wahre Tröster, der dem Tod des Kindes standhalten kann. So schreibt Anna Luise Rückert nach dem Tod ihrer beiden jüngsten Kinder: „Ich will aber doch diesen unermesslichen Schmerz um den Tod leiden, als dass ich diese zwei geliebten Wesen nicht gehabt hätte.”
KATHRIN KOMMERELL
JOSEPH GROBEN: Requiem für ein Kind. Trauer und Trost berühmter Eltern. Dittrich Verlag, Köln 2001. 429 Seiten, 25 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In einer kurzen Rezension zeigt sich der mit "czz" zeichnende Rezensent begeistert von diesem Buch, das eine so düstere Angelegenheit zum Thema hat: Wenn die Kinder vor den Eltern sterben. Groben habe hier 38 Familienbiografien versammelt, in denen berühmte Eltern den Tod ihrer Kinder betrauern. Dabei sei es nicht nur zu begrüßen, dass die verschiedensten Formen der Verarbeitung, von Kunst über Briefe bis hin zu Tagebucheinträgen, in die Darstellung mit eingegangen seien, sondern auch, dass nie vergessen werde, dass es hier nicht bloß um den Kummer eines berühmten Menschen gehe sondern immer um die Trauer zweier gleichermaßen betroffener Eltern. Abgerundet würden diese Darstellungen durch hervorragendes Bildmaterial und "eine Buchgestaltung, die ihresgleichen sucht".

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