Das Residenzschloss Ludwigsburg, das den Krieg weitgehend unbeschadet überstand, wurde kürzlich grundlegend restauriert, was auch mit einer umfangreichen Bestandsdokumentation einherging. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere zur ursprünglichen Gestaltung und Ausstattung der königlichen
Räume im Alten bzw. Neuen Corps de Logis sind Thema dieses detaillierten und inhaltlich…mehrDas Residenzschloss Ludwigsburg, das den Krieg weitgehend unbeschadet überstand, wurde kürzlich grundlegend restauriert, was auch mit einer umfangreichen Bestandsdokumentation einherging. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere zur ursprünglichen Gestaltung und Ausstattung der königlichen Räume im Alten bzw. Neuen Corps de Logis sind Thema dieses detaillierten und inhaltlich anspruchsvollen Bandes der Schlösserverwaltung Baden-Württemberg.
Mit fast detektivischem Spürsinn werden die heute noch erhaltenen Schichten und Spuren freigelegt, wobei sich erstaunlicherweise zeigt, dass der harmonische Gesamteindruck der Innenräume über die Stilmischung des Dekors täuscht. Nicht nur das Residenzschloss selber, sondern auch die Inneneinrichtung ist das Ergebnis eines Gestaltungsprozesses, der sich über 100 Jahre hinweg zog. Schon vor diesem Hintergrund ist Ludwigsburg eher Schloss als Residenz. Anders als Versailles (wenn auch mit Einschränkungen), Würzburg oder Mannheim bietet Ludwigsburg keinen einheitlichen äußeren Anblick. Die Haupthäuser und Flügel wurden über mehr als ein halbes Jahrhundert in mindestens drei großen Bauphasen bis 1725 geplant und ausgeführt und entsprechend heterogen wirkt das Ensemble im Vergleich zu den monotonen Fensterreihen z. B. der Würzburger Residenz. Ähnlich verfuhr man mit der wandgebundenen Ausstattung, die bei der Umgestaltung im klassizistischen Stil in Teilen übernommen und behutsam dem Zeitgeschmack angepasst wurde. Nach 1828 gab es keine wesentlichen Veränderungen mehr.
Die Beiträge zeigen sehr detailliert und unter regelmäßiger Verwendung architektonischer und kunstgeschichtlicher Fachbegriffe diese Entwicklung. Ausgezeichnet illustriert und mit sachkundigen Hintergrundbeiträgen zur Geschichte des Hauses Württemberg und der Planungsgeschichte des Residenzschlosses, werden die einzelnen Raumfluchten systematisch dargestellt und anhand ausgewählter Einzelbeispiele auch die konservatorische Herangehensweise bei der Restaurierung von Objekten gezeigt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den Möbeln im Schloss, die z. T. noch identifizierbar sind, auch wenn sie nicht immer am originalen Standort stehen. Die Herzöge und späteren Könige von Württemberg zeigen sich als kunstaffin und international ausgerichtet, was sich auch in der württembergischen (Luxus-)Möbelproduktion der Zeit widerspiegelt.
Den Schluss bilden Überlegungen zur konservatorisch adäquaten Lichtregie in den historischen Räumen, die dank LED-Technik wesentlich schonender und gleichzeitig effektvoller realisiert werden kann.
Der Band ist ausgesprochen detailliert, umfassend illustriert, fachlich auf hohem Niveau und besitzt eine enorme Informationsdichte, sowohl bezüglich der geschichtlichen Hintergründe als auch der restauratorischen Maßnahmen. Die Entdeckungen unter Farbschichten, hinter Fensterflügeln und in zugemauerten Wirtschaftsräumen sind oft verblüffend und geben Auskunft über das Leben im Schloss vor 300 Jahren, aber auch die Selbstwahrnehmung seiner Schöpfer.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)