Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam einem Begriff in der deutschen Literaturwissenschaft eine besondere Bedeutung zu. Wie kaum ein anderer rief er weitreichende Resonanz im Fach hervor und wurde doch zugleich als Symptom der Krise gewertet: "Theorie".Wer sich an den zahlreichen Debatten um das Für und Wider der Theorie beteiligte, diskutierte nicht nur über eine Theorie der Literatur im engeren Sinne. Vielmehr schloss der Theorie-Diskurs vor dem Hintergrund der verstärkten Internationalisierung der Geisteswissenschaften ganz verschiedene Aspekte ein. Hierzu zählen beispielsweise die Aneignungen von Positionen anderer Disziplinen wie etwa der poststrukturalistischen Diskurstheorie Foucaults oder der Philosophie Derridas, Bourdieus Kultursoziologie, Greenblatts New Historicism, Luhmanns Systemtheorie oder Butlers Genderkonzept.Die vorliegende Studie widmet sich deshalb unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Theorie in der germanistischen Literaturwissenschaft sowohl in systematischer Absicht als auch aus dem Blickwinkel der Wissenschaftsforschung. Sie verfolgt dabei das Ziel, die divergenten Verwendungsweisen des Theoriebegriffs zu beschreiben und den damit jeweils intendierten Richtungssinn verschiedener literaturwissenschaftlicher Denkkollektive im Zeitalter global 'wandernder' Theorien zu rekonstruieren.