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Freier Schriftsteller - unternehmerischer Einzelgänger: Eine kleine Geschichte der Literatur von Goethe bis Grass.Der Aufstieg des Schriftstellers zu einem unternehmerischen Einzelgänger und der Entwurf einer Genie-Ästhetik zur Begründung seiner autonomen Produktivität ereignen sich in Europa am Schnittpunkt zweier Epochen: dem Übergang von einer eher statisch geordneten zu einer dynamisch bewegten Gesellschaft etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Künstler, die sich von der Auftragskunst lossagen, handeln sich für ihre Werke das Privileg, aber auch das Risiko der vollen…mehr

Produktbeschreibung
Freier Schriftsteller - unternehmerischer Einzelgänger: Eine kleine Geschichte der Literatur von Goethe bis Grass.Der Aufstieg des Schriftstellers zu einem unternehmerischen Einzelgänger und der Entwurf einer Genie-Ästhetik zur Begründung seiner autonomen Produktivität ereignen sich in Europa am Schnittpunkt zweier Epochen: dem Übergang von einer eher statisch geordneten zu einer dynamisch bewegten Gesellschaft etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Künstler, die sich von der Auftragskunst lossagen, handeln sich für ihre Werke das Privileg, aber auch das Risiko der vollen Eigenverantwortung ein.In einer Abfolge von Einzelstudien steckt Lämmert Stationen und Krisen der Entfaltung des freien Schriftstellers in zwei Jahrhunderten ab und untersucht dabei u. a. Werke von Schiller, Brentano, George, Heinrich und Thomas Mann, Kafka und Tucholsky. Vier Querschnittsstudien gelten schließlich der sich in Deutschland spät entfaltenden Großstadtliteratur, dem Regress des Schreibens unter Diktaturen und parallel dazu dem Exil als einer geradezu prototypischen Lebensform dieser Epoche und runden mit einem Blick auf die neuen Kommunikationsformen der Literatur das Profil des freien Schriftstellers als eines Phänotyps dieser Epoche ab.InhaltsverzeichnisI. Gemeinsamkeiten der EinzelgängerGoethes Alleingänge»Von Ihnen dependir' ich unüberwindlich«. Über die Macht des Vorbildlichen in der LiteraturgeschichteDissonanz der Harmonien. Konfigurationen der Liebe in Texten Clemens BrentanosSchillers »Demetrius« und die Grenzen der poetischen GerechtigkeitDie vaterländische Lyrik und Goethes »West-östlicher Divan«Lebens-Ansichten eines Katers. Anomalien eines Künstlerlebens nach 1800Eichendorffs Wandel unter den Deutschen. Überlegungen zur Wirkungsgeschichte seiner DichtungNietzsches Apotheose der Einsamkeit»Komm in den totgesagten park und schau«. Stefan George in veränderter ZeitDoppelte Optik. Über die Erzählkunst des frühen Thomas MannDer »neue Mensch« als Leiche im Licht. Georg Kaisers dramatische PlanspieleDer Bürger und seine höheren Instanzen. Heinrich Mann, »Der Untertan« und Franz Kafka, »Der Proceß«Nachgelassene Prophetien. Gesichter und Gesichte Kurt Tucholskys in den zwanziger JahrenThomas Manns »Doktor Faustus« - eine Allegorie der deutschen GeschichteHermann Hesse - Einzelgänger für MillionenPhantastisch inszenierte Zeitgeschichte. »Hundejahre« von Günter Grass in einer europäischen TraditionII. Zeitgeist und Widerstände im 20. Jahrhundert»Berlin Uhr der Kunst, die nicht nach, noch vor geht«. Vom ungemütlichen Glanz der Großstadtliteratur im frühen 20. JahrhundertBeherrschte Literatur. Vom Elend des Schreibens unter Diktaturen»Oftmals such' ich ein Wort.« Exil als LebensformDer Aufstand der Geräte. Die Künste im Zeitalter der apparativen KommunikationWeitere Publikationen im Umkreis des Verfassers
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.09.2009

Skepsis und Stil
Zum 85. Geburtstag des Komparatisten Eberhard Lämmert
Ja, es ist schon richtig, dass die Deutschen nach 1945 in der Literatur, in der bildenden Kunst und Musik die ästhetische Moderne neu entdecken mussten. Aber das Hereinströmen der Literatur Faulkners oder der Widerschein des amerikanischen abstrakten Expressionismus, kurz der Aufschwung des Kosmopolitischen, fand vor dem Hintergrund erbitterter Auseinandersetzungen um die eigene, nationale Kultur statt.
Weil sie eine Schlüsseldisziplin der Zurichtung der deutschen Kultur im Nationalsozialismus gewesen war, wurde die Germanistik zu einer Schlüsseldisziplin der Selbstabrechnung, nachholenden Modernisierung und Internationalisierung der deutschen Geisteswissenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Gemeinhin wird dieser Prozess aus der Perspektive der Chiffre „1968” ins Auge gefasst, im Blick auf die damals jungen, um 1940 geborenen Kriegskinder, die der Vätergeneration den Prozess machten, den bürgerlichen Kanon revidierten, zu Experten der Exil- und Arbeiterliteratur wurden.
Diese Generation aber war nicht allein mit sich selbst und komprommitierten Doktorvätern. Es gab die Zwischengeneration der um 1925 geborenen: alt genug, um in den letzten Kriegsjahren noch eingezogen zu werden, jung genug, um dadurch die entscheidende biographische Prägung zu erfahren. Jung genug auch, um schon in den frühen und mittleren fünfziger Jahren die ersten großen Bücher vorzulegen. Dieser Generation entstammt der im September 1924 in Bonn geborene Germanist und Komparatist Eberhard Lämmert.
Seine formanalytische Schrift „Bauformen des Erzählens” erschien 1955 und hatte, eine literaturtheoretische Abhandlung, die in Ton wie Gehalt etwas vom Inventur-Gestus der deutschen Nachkriegsliteratur. Alles Raunen war hier verbannt, konsequent wurde das literarische Erzählen auf sein Gemachtsein hin untersucht. Das Buch mochte, blickte man auf die Belege aus Goethe, Jean Paul oder Stifter, einen germanistischen Kern haben, aber so selbstverständlich wie es zuvor nur in der Romanistik möglich schien, allen voran bei Erich Auerbach, war dies, etwa in den Passagen zu Cervantes, Flaubert, Dickens oder Joyce die Öffnung der Germanistik hin zur Komparatistik.
Lämmert wurde, auch hochschulpolitisch, eine Zentralfigur seiner Disziplin, war von 1976 bis 1983 Präsident der Freien Universität Berlin, Leiter des dortigen Peter Szondi-Institutes, Präsident der Deutschen Schillergesellschaft von 1988 bis 2002, in den Neunzigern Gründungsdirektor des Zentrums für Literaturforschung in Berlin. Zeit zum Schreiben muss er sich dabei immer genommen haben. In diesen Tagen ist ein Buch von ihm erschienen, das Studien zur deutschen Literatur aus vier Jahrzehnten versammelt (Eberhard Lämmert: Respekt vor den Poeten. Studien zum Status des freien Schriftstellers, Wallstein Verlag, Göttingen 2009, 360 Seiten, 24,90 Euro). Es ist ein Buch über die Pflicht und die Last des modernen Autors, ein Originalgenie zu sein, von Goethe über Brentano, Hoffmann und Eichendorff bis Thomas Mann und darüber hinaus, eine neugierige, aber nicht hämische Revision der rhetorischen Phantasien seiner Majestät, des Ich: „Hermann Hesse – Einzelgänger für Millionen”.
Zudem ist dieses Buch ein Plädoyer für die Lust an der Lehre, für Deutsch als eine Wissenschaftssprache, die den Kontakt zur Urbanität eines gelungenen Seminars, einer gelungenen Vorlesung nicht verliert. An diesem Sonntag feiert Eberhard Lämmert seinen 85. Geburtstag. Wir gratulieren. LOTHAR MÜLLER
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2010

Ambivalenz der Freiheit
Aufsätze des Germanisten Eberhard Lämmert

Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts bildet sich in Deutschland das Ideal des freien Schriftstellers heraus. Losgelöst von rhetorischen Konventionen und Auftraggeberwünschen, ist er nur noch sich selbst und seinem Genie verpflichtet, gleichzeitig aber ökonomisch abhängig vom Publikum. Stärker als früher muss er sich daher am Werk seiner Vorgänger und Zeitgenossen messen lassen, ja tritt mit diesen in einen regelrechten Überbietungswettbewerb ein. Im Falle Goethes indes ist zugleich die gegenläufige Bewegung zu beobachten, begibt er sich doch nach seiner Sturm-und-Drang-Periode bewusst in eine neue Abhängigkeit vom Herzog von Weimar, die ihm pekuniäre Sicherheit und soziales Ansehen garantiert.

Folgen und Grenzen dieses Konzepts des freien Schriftstellers bilden den roten Faden der zwanzig Einzelstudien Eberhard Lämmerts. Er spürt ihm in den romantischen Entgrenzungsbemühungen eines Brentano ebenso nach, wie er die Hoffmannsche Aufspaltung in Kater Murr und Kapellmeister Kreisler, den geschickten Kunsthandwerker und das gefährdete Genie, an es zurückbindet. Aber auch noch in der Moderne ist es virulent. Die Einsamkeitsapotheose Nietzsches, Georges exklusive Abgrenzung oder der Stolz des jungen Thomas Mann spiegeln allesamt die Idee des Herausgehobenseins des Schriftstellers wider, mit all ihren problematischen Implikationen. Und selbst die Anfälligkeit von Dichtern für Ideologien wie die Konflikte mit diktatorischen Regimen im zwanzigsten Jahrhundert macht Lämmert als indirekte Folge jenes leicht zur Selbstüberforderung führenden Exklusivitätsanspruchs aus.

Aus vier Jahrzehnten stammen die Aufsätze des Berliner Emeritus, dem bereits 1955 mit seinem Buch "Bauformen des Erzählens" ein Klassiker des Faches gelungen ist. Lämmert selbst macht auf die Bedenklichkeit dieser Zusammenstellung aufmerksam und versucht sich durch eine Art Selbsthistorisierung im Vorwort, aber auch durch einen Hinweis auf die längere Haltbarkeit geisteswissenschaftlicher Arbeiten doppelt abzusichern. Überraschenderweise zählen aber gerade einige der ältesten Aufsätze zu den anregendsten. Dies gilt etwa für den ungewöhnlichen Vergleich von Goethes "West-östlichem Divan" mit der Lyrik der Befreiungskriege oder die Reflexionen über Eichendorffs Zeitlosigkeit. Dessen Trennung von Lebens-Ideal und Lebens-Wirklichkeit und die suggestive Formelhaftigkeit seiner Texte eröffnen ein breites Identifikationsangebot: "Solche Lieder kann man sonntags in den Wäldern singen, wenn man genau weiß, dass man montags wieder auf dem Alltagshosenboden sitzt." Der Aufsatz aus dem Jahre 1967 zeigt aber auch, wie fremdartig inzwischen jede bildungsbürgerliche Attitüde oder Klassikerpflege anmutet - wer würde heute ernsthaft Eichendorff als im Volk lebendig gebliebenen Dichter apostrophieren?

Zwar mischt sich auch manch Disparates in die Sammlung, doch besticht sie gleichwohl durch die Weite des Blicks und die Belesenheit des Verfassers. Jargonfrei und methodenreserviert demonstriert sie die Ergebnisse akribischer Lektüren und weltliterarischer Bildung. Dass sich Lämmert gleichwohl für seine Gegenwart interessiert, zeigt sein mediengeschichtlicher Beitrag am Ende des Bandes, der geradezu hymnisch die neuen Entgrenzungsmöglichkeiten von Hypertexten preist.

THOMAS MEISSNER

Eberhard Lämmert: "Respekt vor den Poeten". Studien zum Status des freien Schriftstellers. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 360 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein bisschen altmodisch kommt dem Rezensenten Thomas Meissner das Buch schon vor, aber nicht schlimm. Auch macht der Autor in einem Versuch von Selbsthistorisierung im Vorwort eigens auf die mögliche Angestaubtheit einiger seiner Texte aus immerhin vier Jahrzehnten aufmerksam. Meissner aber kann insgesamt gut damit leben. Über  den Exklusivitätsanspruch der Schriftsteller von Goethe über Brentano zu Thomas Mann und seine Folgen (Ideologieanfälligkeit!) erfährt er in den Aufsätzen eine Menge. Zumal in den älteren. Bestechend erscheinen Meissner der Weitblick und die weltliterarische Bildung Eberhard Lämmerts und seine jargonfreie, "methodenreservierte" Ausdrucksweise. Und, da staunt Meissner nun wirklich, sogar mit Hypertexten befasst er sich am Ende.

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