Verletzende Rede übt nach Judith Butler eine "eigene Form von Gewalt" aus, indem sie bestehende Herrschaftsverhältnisse festigt.In literarischen Texten zwischen 1925 und 1955 erlebt die Darstellung solcher Sprechakte ihre Hochkonjunktur. Autor:innen wie Marieluise Fleißer stellen sprachliche Verletzungen aus, zeigen die Daseinsmöglichkeiten von Subjekten auf und machen die beinahe körperliche Affektion der Worte spürbar. Dabei kennzeichnet diese Texte der sogenannten Synthetischen Moderne eine Gleichzeitigkeit von Krisen-diagnosen und der Suche nach einem höheren Sinn. In der Literatur nach der Synthese verliert der Aspekt einer übergeordneten metaphysischen Ganzheit hingegen immer mehr an Bedeutung und geht in den Werken postmoderner Autor:innen (wie Christian Kracht) schließlich völlig verloren. Damit einhergehend verebbt auch die dargestellte Wirkung sprachlicher Verletzungen: Wo kein innerer Kern der Figuren existiert, gibt es auch keine Möglichkeit der Verletzung mehr. Doch in aktuellen Werken von Joshua Groß, Marius Goldhorn, Lisa Krusche und Slata Roshal setzt wiederum ein Prozess der Resynthetisierung ein: Die Lebensformen des Subjekts in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts werden in einer membranlosen Offenheit in all ihren Widersprüchen gestaltet. Die Suche nach einem höheren Sinn und einer produktiven Zukunft kehrt zurück: Es sind Werke einer 're:synthesis'.