In den "Abwrackern" hat Hans-Olaf Henkel diagnostiziert: Es droht eine massive Geldentwertung. Jetzt sieht er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Denn: Der Einbruch kommt noch viel schneller und heftiger über uns. Die Stabilität des Euro ist zum Spielball tagespolitischer Erfordernisse geworden. Doch die Abwiegler machen beruhigende Miene zu dem bösen Spiel, mit dem sie unsere Währung zugrunde richten. Hans-Olaf Henkel hat sich seinerzeit als BDI-Präsident für die Einführung des Euro stark gemacht. Mittlerweile ist er vom Befürworter zum schärfsten Gegner des Euro geworden. Sein unschlagbarer Vorteil: Er kennt keine Denkverbote. Henkels Vorschläge mögen radikal und unorthodox sein sie sind vor allem eins: wirkungsvoll. Ein streitbares Plädoyer für die Besinnung auf unsere Wirtschaftskraft!
Hans-Olaf Henkel will den Euro spalten
Vom französischen Präsidenten François Mitterrand ist die Äußerung überliefert, er liebe Deutschland so sehr, dass er gerne zwei Deutschlands habe. Bekanntlich setzten die Franzosen dann als Bedingung für die Wiedervereinigung das Aufgehen der D-Mark in der Europäischen Währungsunion durch. Hans-Olaf Henkel schreibt nun ironisch, er liebe den Euro so sehr, dass er sich zwei Euros wünsche: einen Nord- und einen Süd-Euro.
Den Vorschlag, die Währungsunion aufzuspalten, kann man mutig oder tollkühn, verantwortungslos oder visionär nennen. Dem ehemaligen Spitzenmanager Henkel sind viele Adjektive angehängt worden. Auch dass er eitel und rechthaberisch sei, heißt es. Sein neues Buch schwankt zwischen Selbstanklage (Ich bekenne mich schuldig", denn Henkel zählte als BDI-Präsident in den neunziger Jahren zu den großen Euro-Befürwortern) und Anklage der politischen Klasse. "Untreue" wirft er ihr vor. Die Bundesregierung habe sich erpressen lassen und setze mit milliardenschweren Euro-Rettungspaketen zu viel Steuergeld der Deutschen aufs Spiel.
Das Volk nimmt die Polemik begierig auf, sein Buch ist ein Bestseller. Wer aufmerksam Zeitung liest und die Irrungen und Wirrungen der Währungsunion in den vergangenen Jahren und besonders die Zuspitzung der Schuldenkrise 2010 verfolgt hat, der erfährt wenig Neues in Henkels Buch. In dieser geballten Form wirkt der Bericht, wie der Euro auf die schiefe Bahn geriet, dennoch beeindruckend.
Henkel ist kein Mann für Differenzierungen und Abwägungen, eher hantiert er mit dem verbalen Holzhammer gegen die "Maulkorb"-Republik, die alles unter den Teppich der "Political Correctness" kehre. Das Brüsseler Treffen im Mai 2010, als in einer Nacht- und -Nebel-Aktion ein großer Schutzschirm für Euro-Pleitekandidaten aufgespannt wurde, nennt Henkel einen Putsch, weil wichtige vertragliche Regeln (insbesondere die "No-bail-out"-Klausel) gebrochen wurden. Völlig unnötig ist aber, dass Henkel hierbei die Verschwörungstheorie eines Angriffs von Hedge-Fonds gegen den Euro aufwärmt.
Der Euro wird nicht von außen angegriffen, sondern leidet unter einer Aushöhlung von innen. Henkel zieht nicht nur über die Südländer her, deren Mentalität nicht zu einem stabilen Euro passe; auch die Kernländer Deutschland und Frankreich geißelt er, die entscheidend die Maastricht-Defizitregeln aufgeweicht haben. Grundsätzliche Skepsis zeigt Henkel gegen Frankreich: Es sei zu zentralistisch, zu dirigistisch. Paris wolle die EU ebenfalls zentralistisch und dirigistisch formen.
Alles in allem hat Henkel einen zwar einseitigen, doch lesenswerten Diskussionsbeitrag geliefert. Sein Schlusskapitel über die Aufspaltung des Euro ist jedoch argumentativ zu dünn: Wie dies technisch zu bewältigen wäre, ohne dass Wechselkursturbulenzen oder gar Bank-Runs drohen, darüber verliert er wenig Worte. Seiner Ansicht nach wäre aber ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende, der den Deutschen in einer dauerhaften Transferunion drohe.
PHILIP PLICKERT.
Hans-Olaf Henkel: Rettet unser Geld! Deutschland wird ausverkauft.
Heyne-Verlag, München 2010, 207 Seiten, 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieser Autor ist kein Mann der Political Correctness oder des sprachlichen Feingefühls, das stellt Philip Plickert schnell fest. Macht ihm aber nichts. In seinem Wechsel aus Selbst- und Fremdanklage scheint dem Rezensenten Hans-Olaf Henkel dennoch sympathisch. Nicht mal der irrwitzige Vorschlag, den Euro aufzuspalten, kann den toleranten Rezensenten verärgern. Gern liest er den ganzen Schlamassel der Währungsunion bis hin zum Gau 2010 noch einmal wie hier, mit dem verbalen Holzhammer zusammengestaucht. So argumentationsarm und einseitig Henkel auch ist (Verschwörungstheorien, Frankreich-Schelte hin oder her), lesenswert findet Plickert das Buch immer noch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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