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Sorgsam hat er sich eine bürgerliche Gegenwart geschaffen - dann holt ihn seine radikale Vergangenheit ein
Niemand weiß, dass Michael Frame früher der militanten Linken angehört hat, nicht einmal seine Ehefrau Miranda. Als er in einer Passantin seine große Liebe und ehemalige Genossin Anna, die er Jahrzehnte lang für tot gehalten hat, wiederzuerkennen glaubt, gerät sein beschauliches Leben ins Wanken und Michael muss sich seiner radikalen Vergangenheit stellen. Ein Spiegel linker Geschichte zum 40. Jahrestag der Studentenbewegung.
In der flirrenden Mittagshitze eines kleinen Dorfes in
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Produktbeschreibung
Sorgsam hat er sich eine bürgerliche Gegenwart geschaffen - dann holt ihn seine radikale Vergangenheit ein

Niemand weiß, dass Michael Frame früher der militanten Linken angehört hat, nicht einmal seine Ehefrau Miranda. Als er in einer Passantin seine große Liebe und ehemalige Genossin Anna, die er Jahrzehnte lang für tot gehalten hat, wiederzuerkennen glaubt, gerät sein beschauliches Leben ins Wanken und Michael muss sich seiner radikalen Vergangenheit stellen. Ein Spiegel linker Geschichte zum 40. Jahrestag der Studentenbewegung.

In der flirrenden Mittagshitze eines kleinen Dorfes in Südfrankreich wird Michael Frame von seiner Vergangenheit eingeholt: In einer Passantin glaubt er Anna wiederzuerkennen, seine Geliebte und Genossin aus der Londoner militanten Szene der 1960er und 1970er Jahre - vermeintlich ums Leben gekommen bei einem Terroranschlag vor über zwanzig Jahren.

Als Michael wieder zurück in England ist, taucht auch noch Miles auf, der Fotograf und Dokumentarfilmer aus den Zeiten der Hausbesetzungen im Londoner East End und der Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg. Er drängt sich in Michaels Leben und bedroht mit seinen Anspielungen auf Michaels politische Zeit dessen heile Welt. Michael hofft aber, von Miles etwas über Anna zu erfahren. Doch der arbeitet mittlerweile für die Regierung und hat andere Pläne - er erpresst Michael mit seiner radikalen Vergangenheit.

Michael bleibt nur die Flucht. Er steigt in den BMW seiner ahnungslosen Ehefrau und steuert erneut das kleine Dorf in Südfrankreich an, auf der Suche nach Anna. Bald wird klar, dass Michael Frame nicht sein richtiger Name ist und dass er vor vielen Jahren einen Verrat begangen hat, der ihn bis heute verfolgt ...

Topaktuelles Thema: 40 Jahre "1968". - Spannend wie ein Spionagethriller und brillant erzählt.

"Kunzrus Prosa ist griffig, klar, hervorragend lesbar. Seine eleganten Sätze und glänzenden Passagen strahlen einem förmlich von jeder Seite entgegen." New Statesman

"Kunzru zeigt außergewöhnlich gut, wie Idealismus zur Ideologie wird und Humanitarismus zum Fanatismus führt, sobald der Zweck anfängt, die Mittel zu heiligen." Telegraph

"Ein leidenschaftliches, intelligentes und absolut ernst zu nehmendes Stück Literatur." Scotland on Sunday
Autorenporträt
Hari Kunzru wurde 1969 als Sohn einer Engländerin und eines Inders geboren. Er schreibt für zahlreiche Zeitungen und Magazine, darunter "The Economist", "The Guardian", "London Review of Books", "Wired", "Mute" und "Wallpaper". Er lebt in London und arbeitet an seinem zweiten Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2009

Früchte des Sommers

Vom jugendlichen Idealisten zum militanten Attentäter, von der Weltverbesserung zur Weltverachtung: Der Londoner Autor Hari Kunzru ruft in seinem neuen Roman die Revolution aus.

Wer im tiefsten Winter plötzlich Lust auf Erdbeeren bekommt, braucht sich einfach nur im Tiefkühlregal zu bedienen. Denn seit der Erfindung der Gefriertechnik lässt sich der Geschmack des Sommers auch in unwirtlichen Kälteperioden beinah mühelos zurückgewinnen. Im Feld des Literarischen gibt es zu diesem Zweck das Genre des historischen Romans. Es überwindet zeitliche Beschränkung auf die Gegenwart, befriedigt unsere Lust nach dem spezifischen Geschmack und Flair von früheren Perioden und vermittelt das Gefühl, dass wir uns nach Belieben am Vergangenen, sollte uns das Bedürfnis überkommen, aktuell bedienen können. Sechzig Jahre, so meinte der Erfinder dieser Kunst, Sir Walter Scott, seien wohl der beste Abstand für solche literarische Vergegenwärtigung. Hari Kunzru, seinem derzeitigen Nachfolger aus London, reichen drei bis vier Jahrzehnte, wenn er uns in seinem neuen Roman jetzt die Früchte aus dem heißen Sommer der Anarchie um 1970 auftischt.

Schon die Aufmachung des Buches schmeckt förmlich nach Revolution. Schrifttype und Satzbild wirken wie ein Flugblatt aus der großen Zeit des Aufbruchs, da die Welt zwischen Woodstock und Vietnam, zwischen Belfast und Biafra oder zwischen Bettdecke und Haustür täglich aus dem Untergrund erneut gerettet werden musste. Und auch die Lebensgeschichte, die der Autor darüber erzählt, ist so passgenau in das faktenreich rekonstruierte Panorama jener Jahre eingefügt, als wolle er das Drehbuch eines gefühlsechten Doku-Dramas liefern: "Black Box GB" oder "Der Angry Brigade-Komplex". Die stetige Entwicklung jugendlicher Idealisten zu militanten Attentätern und das nahezu unmerkliche Abgleiten von Weltverbesserung zu Weltverachtung sind ohne Zweifel große Themen, die über den historischen Kontext hinaus von wirklicher Brisanz sind. Allerdings gerät hier die politische Großerzählung über weite Strecken derart dominant, dass die Figuren darin zumeist nur wie Garderobenständer wirken, an denen eine revolutionäre Gesinnung aufgehängt werden muss. Das ist deshalb so bedauerlich, weil die Grundidee dieses Romans eigentlich sehr spannend ist.

Kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag wird Michael Frame, der sich in der südenglischen Provinz in einem unauffälligen Leben eingerichtet hat, von seiner radikalen Vergangenheit eingeholt. Ein zwielichtiger Freund aus frühen Jahren sucht ihn heim und nötigt ihn, das Doppelleben, das er seit langem unter falschem Namen führt, endlich aufzugeben und sich der eigenen Schuld zu stellen. Außerdem hat Michael, der eigentlich Chris Carver heißt, auf einem Frankreichurlaub kürzlich eine Frau gesehen, in der er die große Liebe seiner Untergrundjahre wiederzuerkennen glaubt, obwohl sie, wie er dachte, längst nicht mehr am Leben sei. So bricht er unvermittelt aus der bürgerlichen Scheinidylle aus und fährt nach Süden, um die Spuren seiner unverwundenen Vergangenheit, die ihm beständig durch den Kopf geht, erneut aufzunehmen.

Auf diese Weise kreist auch die Erzählung ständig zwischen den späten neunziger Jahren seiner schalen Gegenwart und Erinnerungen an die wilde Kommunardenzeit. Je näher Michael respektive Chris dem Ziel der Reise kommt, wo er die frühere Geliebte anzutreffen hofft, desto unerbittlicher umkreisen die Gedanken einen dunklen Punkt, den er bislang offenkundig noch nie eingestanden hat. Kunzru knüpft hier an das große Thema seiner früheren Erfolge an, insbesondere das gefeierte Debüt "Die Farben der Welt" aus dem Jahr 2002, das der Frage nach prekär gegründeten Identitäten am Beispiel britischer Kolonialverstrickungen in Indien nachging. Dass er im neuen, seinem dritten Roman, wie die englische Kritik bemerkte, keine einzige indische Figur auftreten lässt, darf man getrost als Hinweis darauf lesen, dass er sich selbst nicht gern auf eine vorgegebene Rolle fixiert sehen will.

Dennoch wirkt sein Unternehmen, nunmehr eine hausgemachte Revolutions-Fabel zu erzählen, eher wie ein kalkulierter Griff ins Kühlregal der jüngeren Geschichte. Was Kunzru, Jahrgang 1969, im Zeitporträt der späten neunziger Jahre als die Belanglosigkeit der kalten Konsumgesellschaft bloßstellt, kann durch die Gegenüberstellung mit der hitzigen Polit-Periode drei Jahrzehnte früher auch nicht zusätzlich gewinnen. Denn dem zeitgenössischen Roman auf diese Weise den Geschmack von echten Überzeugungen, starken Abenteuern und wahren Charakteren zu verleihen hat selbst Warencharakter und wird allzu gern konsumiert - wie eben Erdbeeren im Winter. Wer wirklich Lust darauf verspürt, sollte besser bis zur nächsten Sommerernte warten.

TOBIAS DÖRING

Hari Kunzru: "Revolution". Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Blessing Verlag, München 2008. 415 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.02.2009

Erinnerst du dich noch an den Bombenanschlag auf den Post Tower?
Zerfall eines Doppellebens: Hari Kunzrus Roman „Revolution” über einen englischen Ex-Terroristen
Draußen auf dem Rasen wird ein Festzelt aufgebaut. „Das Geheimnis des guten Lebens: Zelte aufstellen”, geht es Michael Frame durch den Kopf, während er die fröhlichen Arbeiter vom Zeltverleih beobachtet. Auf dem englischen Rasen soll, die Handlung spielt gegen Ende des vergangenen Jahrtausends, bald Mike Frames 50. Geburtstag gefeiert werden. Das Leben meint es gut mit ihm, aber ausgerechnet am Vorabend seines Geburtstags klopft die sonst peinlich versteckte Vergangenheit an seine Tür. Mike Frame, der Name sagt es schon, ist keine Person, sondern bloß der fiktive, bürgerliche Rahmen für eine andere Person. Ich ist ein Anderer und in Wirklichkeit fünf Wochen älter als Mike Frame. Ich ist: Chris Carver, der 1970 in den Untergrund ging und einige Jahre einer terroristischen Organisation angehörte, ehe er 1981 als Mike Frame wieder ans Tageslicht trat.
Sein rotes Jahrzehnt hat Mike Frame erfolgreich unter Verschluss gehalten. Er ist Medienberater geworden, seine Frau Miranda erfolgreiche Öko-Kosmetik-Unternehmerin mit esoterischen Neigungen, die von Mikes Vorleben so wenig weiß wie die halbwüchsige Stieftochter. Lange Zeit ist alles gut gegangen für Mike Frame, aber jetzt ist plötzlich der Lügen- und Verstellungsapparat verschlissen. Noch am Morgen des Geburtstags macht er sich davon, auf der Flucht vor oder auf der Suche nach seiner Wahrheit.
Von den vielen Romanen über den linken Terrorismus der sechziger und siebziger Jahre ist Hari Kunzrus „Revolution” sicher einer der interessanteren. Das liegt unter anderem daran, dass Kunzru, ein Journalist und Schriftsteller des Jahrgangs 1969, selbst keine Aktien an den damaligen Begebenheiten hält. Hinzu kommt, dass in seinem Roman von zweierlei Revolution die Rede ist. Nicht nur von der historisch verklärten und vielfach romantisierten Revolte von 1968 und danach, sondern auch von der Revolution im Leben des Mike Frame, der Wiederkehr des Verdrängten ein paar Jahrzehnte später. Und schließlich hat Kunzrus „Revolution”, zumindest für deutsche Leser, den Vorzug, von englischen Verhältnissen zu handeln und nicht von der popkulturell übercodierten RAF oder anderen Mythen des bewaffneten Kampfes.
Ein Aktivist der zweiten Reihe
In England gab es zu jener Zeit, wovon man hierzulande wenig weiß, die „Angry Brigade”, die im Stile der amerikanischen „Weathermen” Gewalt nur gegen Sachen verübte und deren führende Köpfe 1972 zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Für den Bombenanschlag auf den Post Office Tower in London am 31. Oktober 1971 übernahm niemand die Verantwortung, unterrichtet uns der Autor im Nachwort, aber immerhin wissen wir jetzt: Mike Frame, oder vielmehr Chris Carver, hatte wohl damit zu tun. Er war keiner der Stars seiner Bewegung, eher einer aus der zweiten Reihe, und jetzt, wo Mike Frame und Chris Carver zur Lebensbilanz genötigt werden, müssen sie konstatieren, dass weder das erste noch das zweite Leben der Rückschau standhält.
„Revolution” ist selbst kein revolutionäres Werk, sondern ein Stück gediegener, spannender und psychologisch subtiler Erzählprosa, wie sie die neuere britische Literatur beinahe in Serie bietet. Eine Handschrift oder gar irgendeine persönliche Idiosynkrasie sind in diesem Schreibstil nicht zu erkennen – für einen Platz unter Grantas zwanzig besten Autoren unter vierzig reicht es auch so oder eben deshalb. So wie sich das Konzept „Autorenfilm” allmählich verabschiedet, so verhält es sich wohl auch mit der „Autorenliteratur”. Versiert, pragmatisch und gekonnt geht Kunzru mit seinem Stoff zu Werke, aber nichts von den Erschütterungen, von denen die Rede ist, schlägt auf Form und Sprache durch.
Ein wenig zu versiert ist vielleicht die ganze Geburtstagssequenz, von der in „Revolution” alles Weitere seinen Ausgang nimmt. In wie vielen Filmen und Büchern ist es inzwischen „das Fest”, an dem sich Nemesis und Katharsis entzünden. So auch hier: der vermeintliche Feiertag des guten Lebens ruft alle halb verscheuchten Gespenster wieder ans Licht.
Am Vortag ist Miles, der alte Gefährte aus Kampftagen, völlig überraschend bei Mike zu Hause aufgetaucht und hat sich in Andeutungen über die Vergangenheit ergangen.
Und auf einer Südfrankreichreise mit Miranda ist Mike in einem Dörfchen des Languedoc eine Frau aufgefallen, in der er Anna wiedererkannt haben will. Anna, die Heroine des Untergrunds, Mikes/Chris’ zeitweilige Geliebte, die Lehrmeisterin der politischen und sexuellen Revolution: „Anna Addison. Die 1975 in Kopenhagen im Konferenzraum der deutschen Botschaft getötet worden war.” Die Stockholmer Botschaftsbesetzung durch die RAF im selben Jahr hat Pate gestanden. Damals hatte sich Chris Carver schon mit Ausstiegsideen getragen; den Schritt in die internationale Stadtguerilla wollte der dann doch nicht mitgehen. Und nun soll also Anna Addison in Südfrankreich leben?
Während sich Mike Frame vom Geburtstagsfrühstück weg allein im Auto erneut nach Südfrankreich aufmacht, um Annas Geheimnis zu lüften, lässt er seine linksradikale Verwirrung Stück für Stück Revue passieren. Ein Coming-out wird nicht zu umgehen sein, denn nicht nur seine Frau wartet auf Erklärungen, sondern auch sein alter Kumpel Miles, damals der Hausfotograf der linken Szene, heute ein windiger Politikberater, der Mike Frames dunkle Vorgeschichte für politische Manipulationen umnutzen will.
Denn wer ist 1998 in Großbritannien an der Macht? Die Linke, und manch eine Ministerin hat seinerzeit nicht weit entfernt von Carver/Frame im Häuserkampf gelegen. Nicht der Wille zur Tugend bringt somit die Wahrheit ans Licht, sondern die Macht der Intrige. Kein schönes Sittenbild der britischen Gesellschaft, das Hari Kunzru in „Revolution” zeichnet. Am Ende scheint immerhin eine Institution gerettet zu sein: die Ehe. „Gott, Mike. Wo bist du?”, fragt Miranda, als ihr Mann endlich wieder wieder bei ihr anruft: „,Chris‘, sage ich, ,mein Name ist Chris‘ ”. CHRISTOPH BARTMANN
HARI KUNZRU: Revolution. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Müller. Blessing Verlag, München 2008. 415 Seiten, 19, 95 Euro.
Die englische Presse begutachtet nach dem am 31. Oktober 1971 verübten Anschlag die Schäden am Post Office Tower in London. Foto: Getty
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Von Hari Kunzrus Roman "Revolution", in dem die radikale 68er-Vergangenheit in die bürgerliche Existenz von Michael Frame, alias Chris Carver, einbricht, hat sich Rezensentin Irene Binal in den Bann ziehen lassen. Michael wird mit seiner Vergangenheit als Mitglied einer linksradikalen terroristische Gruppe erpresst, was ihn zur Erinnerung und Auseinandersetzung mit seinen politischen wie persönlichen Entscheidungen zwingt, erklärt die Rezensentin. Dieser Konflikt macht für Binal auch den Reiz dieses Romans aus, der seine Figuren nicht vorführe, aber sie dennoch nicht unbedingt "sympathisch" zeichne. Dem Autor geht es, wie der Originaltitel "My Revolution" anzeigt, nicht um die 68-Revolution im Ganzen, sondern um ihren Einfluss auf das individuelle Leben, so die Rezensentin. Der Grundton der Desillusionierung wird bei Kunzru aber immer wieder durch Humor und Ironie gemildert, wie Binal erleichtert feststellt, die hier eindringlich die Frage nach dem "Sinn" der revolutionären wie der bürgerlichen Existenz gestellt sieht. Dass der Autor diese offen lässt, könnte man, da bleibt die Rezensentin unschlüssig, als "Schwäche" oder als "Stärke" des Romans sehen.

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