Die Gestaltung der kirchlichen Realität lag in der frühen Kirche in den Händen der Gemeinschaft aller Gläubigen (communio). Im Laufe der Geschichte ist dieses synodale Prinzip zugunsten einer hierarchischen Konzeption von Kirche in den Hintergrund geraten. Obwohl das Zweite Vatikanische Konzil eine Renaissance der Communio-Ekklesiologie in Aussicht stellte, war die Auswirkung in der Kirche und ihrem Recht marginal. Das alte Rechtsprinzip der Rezeption von Gesetzen durch ihre Adressaten (acceptatio legis), wie es z.B. im Diktum des Gratian grundgelegt wird, ist in Vergessenheit geraten. Eine Beteiligung oder Mitsprache des Kirchenvolkes beim Zustandekommen eines Rechtes ist nicht vorgesehen. Da der aktuelle Kodex subsidiären und konsultativen Elementen der Gesetzwerdung kaum Raum schenkt, besteht die Gefahr, dass eine notwendige Inkulturation kirchlichen Rechts unterbleibt und damit Gewohnheiten einzelner Ortskirchen unberücksichtigt bleiben. Es stellen sich Fragen nach Gehorsam und Fehlbarkeit in der Kirche und der notwendigen Rezeption kanonischer Normen und ihrer Inkarnation. Die Frage nach dem Recht wird zu einer Frage nach gegenseitigem Respekt und Wertschätzung.