Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2004Hundeherz mit Mädchenblick
Lassie in Rom: Der Debütroman des Engländers Dan Rhodes
"Don't tell me the truth about love" hieß das Buch, mit dem er in seiner englischen Heimat bekannt wurde, dabei hatte er die traurige Wahrheit über die Liebe schon vorher, in "Anthropology", in einhundertundein Geschichten von je einhundertundein Worten Länge verkündet. Die seltsamen Charaktere - darunter ein vietnamesischer Junge, der sich in ein Cello verwandeln läßt, damit er endlich in den Armen seiner Angebeteten liegen kann, die nur Musik im Sinn hat - mögen dazu beigetragen haben, daß beide Bände nicht gleich ins Deutsche übersetzt wurden. Die Geschichten von Dan Rhodes gehen eigentlich nie gut aus, und die Figuren, die sich damit abfinden müssen, sind eigentlich auch nie das, was man als "unsereins" bezeichnen möchte, aber anrührend sind sie doch, die Geschichten ebenso wie die Charaktere.
Seine Aufnahme in die "Granta"-Liste der zwanzig besten jungen britischen Schriftsteller vor einem Jahr, die ihn in die Nachbarschaft von A. L. Kennedy, Zadie Smith oder auch Adam Thirlwell rückt, mag dazu beigetragen haben, daß sein drittes Buch, "Timoleon Vieta Come Home", gleich in neun Sprachen übersetzt wurde. Der Roman ist nicht nur der erste, sondern könnte auch der letzte dieses Autors sein, dem es nach eigenem Bekunden schwerfällt, morgens aufzustehen - die Arbeit an "Timoleon" habe ihm den Rest gegeben. Daß die meisten seiner Geschichten eigenen Erfahrungen entspringen sollen, macht die Lektüre nicht tröstlicher.
Dabei fängt der Roman ganz leicht und entspannt an, in Umbrien, mit einer sehr glücklichen, weil gegenseitigen Liebe zwischen dem alternden Engländer Cockroft und seinem Hund: "Sie saßen draußen vor dem Haus, Cockroft in seinem Liegestuhl, Timoleon Vieta neben ihm auf dem Boden. Nur das Rascheln der Studentenfuttertüte war zu hören und das gelegentliche Schmatzen von Timoleon Vieta, der die von Cockroft verschmähten Paranüsse verschlang." Cockroft, vor langer Zeit einmal als Schlagerkomponist erfolgreich, hat sich nach Italien zurückgezogen, um über den Jungen in silbernen Shorts hinwegzukommen, der ihm das Herz gebrochen hat. Und wer könnte ihn besser verstehen als dieser außergewöhnliche Hund, ein Streuner mit den "Augen eines kleinen Mädchens", der ihm eines Tages zugelaufen ist?
Ein finsterer junger Mann, nur "der Bosnier" genannt, bricht in die Idylle der beiden Außenseiter ein. Seine Miete begleicht er einmal wöchentlich, indem er Cockroft einen unanständigen Dienst erweist. Der alte Mann bemüht sich, dem Besucher alles recht zu machen; zu groß ist seine Angst, er könne der menschlichen Gesellschaft sonst bald wieder verlustig gehen. Aber je breiter sich der Bosnier macht und je mehr Cockroft seinen Abschied fürchtet, desto klarer wird, daß einer gehen muß: Timoleon Vieta oder der hundehassende Prolet. Schweren Herzens entscheidet Cockroft sich für den Hund, den er in Rom aussetzt.
Bis hierhin gelingt es Rhodes, die Aufmerksamkeit zu fesseln für das Schicksal des unwahrscheinlichen Trios. Auf seinem langen Weg nach Hause streift Timoleon Vieta die Leben der unterschiedlichsten Menschen - und hier verwandelt sich der Roman unversehens doch wieder in einen Erzählungsband. Die Lebensgeschichten, die Rhodes aufblättert, nur weil der Hund mit den Mädchenaugen an einem Fenster vorbeiläuft oder sich einen Happen erbettelt, sind von rührender, unverhohlener Sentimentalität. Darin ähnelt Timoleons Rückkehr jener von Lassie: märchenhaft, doch leider eindimensional.
Obwohl das alles leicht und durchaus sympathisch zu lesen ist, die Figuren eher von der Handlung, als diese von ihnen getrieben werden, und das Ende wenigstens für Cockroft so etwas wie Glück bereithält, ist man nicht geneigt, gegen Rhodes' eigenes Urteil zu protestieren, der seine "Granta"-Aufnahme für ein Versehen hielt. Aber es gibt wahrlich schlechtere Gründe, morgens aufzustehen, als ein Buch wie dieses zu schreiben - oder zu lesen.
FELICITAS VON LOVENBERG
Dan Rhodes: "Timoleon kehrt zurück". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Christa Schuenke. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 239 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lassie in Rom: Der Debütroman des Engländers Dan Rhodes
"Don't tell me the truth about love" hieß das Buch, mit dem er in seiner englischen Heimat bekannt wurde, dabei hatte er die traurige Wahrheit über die Liebe schon vorher, in "Anthropology", in einhundertundein Geschichten von je einhundertundein Worten Länge verkündet. Die seltsamen Charaktere - darunter ein vietnamesischer Junge, der sich in ein Cello verwandeln läßt, damit er endlich in den Armen seiner Angebeteten liegen kann, die nur Musik im Sinn hat - mögen dazu beigetragen haben, daß beide Bände nicht gleich ins Deutsche übersetzt wurden. Die Geschichten von Dan Rhodes gehen eigentlich nie gut aus, und die Figuren, die sich damit abfinden müssen, sind eigentlich auch nie das, was man als "unsereins" bezeichnen möchte, aber anrührend sind sie doch, die Geschichten ebenso wie die Charaktere.
Seine Aufnahme in die "Granta"-Liste der zwanzig besten jungen britischen Schriftsteller vor einem Jahr, die ihn in die Nachbarschaft von A. L. Kennedy, Zadie Smith oder auch Adam Thirlwell rückt, mag dazu beigetragen haben, daß sein drittes Buch, "Timoleon Vieta Come Home", gleich in neun Sprachen übersetzt wurde. Der Roman ist nicht nur der erste, sondern könnte auch der letzte dieses Autors sein, dem es nach eigenem Bekunden schwerfällt, morgens aufzustehen - die Arbeit an "Timoleon" habe ihm den Rest gegeben. Daß die meisten seiner Geschichten eigenen Erfahrungen entspringen sollen, macht die Lektüre nicht tröstlicher.
Dabei fängt der Roman ganz leicht und entspannt an, in Umbrien, mit einer sehr glücklichen, weil gegenseitigen Liebe zwischen dem alternden Engländer Cockroft und seinem Hund: "Sie saßen draußen vor dem Haus, Cockroft in seinem Liegestuhl, Timoleon Vieta neben ihm auf dem Boden. Nur das Rascheln der Studentenfuttertüte war zu hören und das gelegentliche Schmatzen von Timoleon Vieta, der die von Cockroft verschmähten Paranüsse verschlang." Cockroft, vor langer Zeit einmal als Schlagerkomponist erfolgreich, hat sich nach Italien zurückgezogen, um über den Jungen in silbernen Shorts hinwegzukommen, der ihm das Herz gebrochen hat. Und wer könnte ihn besser verstehen als dieser außergewöhnliche Hund, ein Streuner mit den "Augen eines kleinen Mädchens", der ihm eines Tages zugelaufen ist?
Ein finsterer junger Mann, nur "der Bosnier" genannt, bricht in die Idylle der beiden Außenseiter ein. Seine Miete begleicht er einmal wöchentlich, indem er Cockroft einen unanständigen Dienst erweist. Der alte Mann bemüht sich, dem Besucher alles recht zu machen; zu groß ist seine Angst, er könne der menschlichen Gesellschaft sonst bald wieder verlustig gehen. Aber je breiter sich der Bosnier macht und je mehr Cockroft seinen Abschied fürchtet, desto klarer wird, daß einer gehen muß: Timoleon Vieta oder der hundehassende Prolet. Schweren Herzens entscheidet Cockroft sich für den Hund, den er in Rom aussetzt.
Bis hierhin gelingt es Rhodes, die Aufmerksamkeit zu fesseln für das Schicksal des unwahrscheinlichen Trios. Auf seinem langen Weg nach Hause streift Timoleon Vieta die Leben der unterschiedlichsten Menschen - und hier verwandelt sich der Roman unversehens doch wieder in einen Erzählungsband. Die Lebensgeschichten, die Rhodes aufblättert, nur weil der Hund mit den Mädchenaugen an einem Fenster vorbeiläuft oder sich einen Happen erbettelt, sind von rührender, unverhohlener Sentimentalität. Darin ähnelt Timoleons Rückkehr jener von Lassie: märchenhaft, doch leider eindimensional.
Obwohl das alles leicht und durchaus sympathisch zu lesen ist, die Figuren eher von der Handlung, als diese von ihnen getrieben werden, und das Ende wenigstens für Cockroft so etwas wie Glück bereithält, ist man nicht geneigt, gegen Rhodes' eigenes Urteil zu protestieren, der seine "Granta"-Aufnahme für ein Versehen hielt. Aber es gibt wahrlich schlechtere Gründe, morgens aufzustehen, als ein Buch wie dieses zu schreiben - oder zu lesen.
FELICITAS VON LOVENBERG
Dan Rhodes: "Timoleon kehrt zurück". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Christa Schuenke. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 239 S., geb., 18,90 [Euro].
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