Die ersten Fotos vom Rhonegletscher machte ich im Juli 2014. Ich erinnere mich, dass ich seitlich vom Gletscher die Bergflanke hinauf gestiegen bin, um einen besseren Ausblick zu haben. Dort oben ist mir ein Alpinistenpaar begegnet. Wir haben ein paar Worte gewechselt. Wahrscheinlich bin ich wegen ihrem Basler Dialekt darauf gekommen, auf jeden Fall erwähnte ich, dass damals bei den verhüllten Kirschbäumen in Riehen bei Basel sehr viel mehr Leute gekommen sind. Sie hatten die Bäume auch gesehen. Ich merkte aber sofort, dass sie den Vergleich unpassend fanden. Dabei machte damals der verhüllte Gletscher einen sehr ordentlichen Eindruck. Die Tücher waren schön weiss, straff gespannt, das darunter liegende Eis hatte Volumen. Der gedeckte Gletscherteil überragte den Rest der vordersten Gletscherzunge deutlich. Die Funktion der Tücher, das Eis mit der darunter liegenden Gletschergrotte vor der Sonnenstrahlung zu schützen, war klar erkennbar.Als ich 14 Tage später wieder kam, sah allesanders aus. Es hatte gestürmt und sehr viel geregnet. Die Tücher waren zum Teil weggerissen, zerfetzt, dreckig. Der Gletscher bot einen jämmerlichen Anblick. Vor allem, und ich habe mich sicher nicht getäuscht, war die Eiszunge massiv geschrumpft.Die letzten Aufnahmen entstanden im August 2017. Die Fotos sind absichtlich unterbelichtet damit sie farbiger werden, denn die Tücher sind eigentlich farblos. Bei der Bearbeitung der Fotos habe ich die Belichtung korrigiert und den Kontrast verstärkt, vor allem bei Aufnahmen, die bei diffusem Licht entstanden sind.- Hansjörg Sahli
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2019Das Eis, es schmilzt davon
War da Christo am Werk? Hat er jetzt die Berge des Schweizer Kantons Wallis in helle Tücher verpackt? Was auf den ersten Blick wie eine beeindruckende Kunstaktion wirkt, dient einem profaneren Zweck: Weil die Eismassen am Oberlauf der Rhone rasant schwinden, sind Naturschützer auf die Idee verfallen, ihn vor direkter Sonneneinstrahlung zu bewahren. Das ist aber nur das eine. Denn nun kommt doch noch die Kunst ins Spiel: Der Solothurner Fotograf Hansjörg Sahli stieg seitlich vom Gletscher eine Bergflanke hinauf, um "einen besseren Ausblick zu erhalten". Dabei entdeckte er hinter dem durchaus umstrittenen Nutzen des Projekts seine beispiellose Schönheit. Und weil Weiß auf Weiß keine rechten Kontraste ergibt, trickste er ein wenig. Seine Fotos hat er konsequent unterbelichtet, damit die verhüllten Gletscher farbiger und plastischer wirken. Dann hat er die Fotos bearbeitet, dabei die Belichtung korrigiert und die Konturen verstärkt. Zu entdecken ist in dem Band mit dem schlichten Titel "Rhonegletscher" nun eine fremde, geheimnisvolle Welt. Die Natur wird in Sahlis Inszenierungen zur Bühne, seine Fotos erscheinen als Artefakte, die man mühsam entziffern muss. Der erste Eindruck ist nicht unbedingt der bleibende. Was dem Blick entzogen ist, steigert das Interesse. Hinter all den monumentalen Faltenwürfen, die manchmal wirken wie Bühnenbildentwürfe für eine große romantische Oper, vermutet man eine unbekannte Welt. Obwohl man doch eben erst noch den unverhüllten Gletscher überquert hat. Wenn einen Sahlis Fotos wehmütig stimmen, so deshalb, weil unter seinen wachen Blicken alles seine Gestalt verändert. Ein heftiger Sturm und ein starker Regen reichen, damit das, was gerade noch hell und prall war, wie ein jähes Weltende erscheint.
lem
"Rhonegletscher" von Hansjörg Sahli. Edition Patrick Frey, Zürich 2018, 132 Seiten, 100 Farbabbildungen. Broschiert, 42 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
War da Christo am Werk? Hat er jetzt die Berge des Schweizer Kantons Wallis in helle Tücher verpackt? Was auf den ersten Blick wie eine beeindruckende Kunstaktion wirkt, dient einem profaneren Zweck: Weil die Eismassen am Oberlauf der Rhone rasant schwinden, sind Naturschützer auf die Idee verfallen, ihn vor direkter Sonneneinstrahlung zu bewahren. Das ist aber nur das eine. Denn nun kommt doch noch die Kunst ins Spiel: Der Solothurner Fotograf Hansjörg Sahli stieg seitlich vom Gletscher eine Bergflanke hinauf, um "einen besseren Ausblick zu erhalten". Dabei entdeckte er hinter dem durchaus umstrittenen Nutzen des Projekts seine beispiellose Schönheit. Und weil Weiß auf Weiß keine rechten Kontraste ergibt, trickste er ein wenig. Seine Fotos hat er konsequent unterbelichtet, damit die verhüllten Gletscher farbiger und plastischer wirken. Dann hat er die Fotos bearbeitet, dabei die Belichtung korrigiert und die Konturen verstärkt. Zu entdecken ist in dem Band mit dem schlichten Titel "Rhonegletscher" nun eine fremde, geheimnisvolle Welt. Die Natur wird in Sahlis Inszenierungen zur Bühne, seine Fotos erscheinen als Artefakte, die man mühsam entziffern muss. Der erste Eindruck ist nicht unbedingt der bleibende. Was dem Blick entzogen ist, steigert das Interesse. Hinter all den monumentalen Faltenwürfen, die manchmal wirken wie Bühnenbildentwürfe für eine große romantische Oper, vermutet man eine unbekannte Welt. Obwohl man doch eben erst noch den unverhüllten Gletscher überquert hat. Wenn einen Sahlis Fotos wehmütig stimmen, so deshalb, weil unter seinen wachen Blicken alles seine Gestalt verändert. Ein heftiger Sturm und ein starker Regen reichen, damit das, was gerade noch hell und prall war, wie ein jähes Weltende erscheint.
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"Rhonegletscher" von Hansjörg Sahli. Edition Patrick Frey, Zürich 2018, 132 Seiten, 100 Farbabbildungen. Broschiert, 42 Euro.
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